Eine halbe Saison lang war Alpha Tauri das Schlusslicht im Feld. Der AT04 erbte die schlechten Eigenschaften seines Vorgängers, der auch kein Geniestreich war. Die aerodynamische Plattform war weder effizient noch stabil. Das Auto litt an chronischem Untersteuern, war nervös auf der Bremse und schwach in der Traktion.
Schon früh in der Saison fielen hektische Umbauarbeiten an den Autos aus Faenza auf. Beim GP England schienen die fortlaufenden Upgrades zum ersten Mal Wirkung zu zeigen. Alpha Tauri fuhr danach mit Williams, Sauber und Haas auf Augenhöhe.
Der Durchbruch gelang erst mit dem Entwicklungsschritt, den Alpha Tauri in Singapur aus dem Hut zog. Es war Nummer 13 von 18. Alpha Tauri stellte mit seiner Weiterentwicklung alle in den Schatten, auch die Topteams. Bei 18 der 22 Grands Prix tauchte Red Bulls Schwesterteam mit neuen Teilen auf, acht Mal davon in einem Umfang, dass man fast von einer B-, C- oder D-Version hätte sprechen können.
Wir haben anhand der Show-and-Tell-Meldungen der Teams sämtliche Modifikationen oder Neukonstruktionen im Detail in der Tabelle unter diesem Artikel aufgelistet.
Alpha Tauri hat das fünftschnellste Auto
Die Upgrade-Kampagne summierte sich zu insgesamt 65 Detailänderungen auf. Der Unterboden wurde allein sechs Mal geändert. "Das war keine Weiterentwicklung, sondern sechs Mal ein komplett neuer Boden", stellte die Konkurrenz anhand von Fotos fest. Der Heckflügel änderte sich neun, der Frontflügel fünf Mal. Selbst an der Unterseite des Chassis wurden im Bereich der Vorderachse Eingriffe vorgenommen.
Auch unter der Verkleidung blieb kein Stein auf dem anderen. Ab Singapur fuhr Alpha Tauri mit der Hinterradaufhängung des aktuellen Red Bull RB19. Davor hatte man die 2022er-Version im Auto. Im Zusammenspiel mit der verbesserten Aerodynamik war der Alpha Tauri seitdem in langsamen Kurven eine Macht. "Keiner kann diese Kurven besser", stellte McLaren-Teamchef Andrea Stella in Abu Dhabi fest.
Williams-Kollege James Vowles urteilte pauschal: "Zuletzt war der Alpha Tauri das fünftschnellste Auto im Feld." Also noch besser als der Alpine. Und unerreichbar für seine direkten Gegner im Kampf um Platz 7, den Red Bulls Schwesterteam am Ende um vier Punkte verfehlte. Da rächte sich die schwache erste Saisonhälfte mit nur drei WM-Zählern.
Erst Synergie, dann nicht
Der wundersame Aufstieg des ehemaligen Kellerkindes wird von der Konkurrenz mit wachsender Sorge beobachtet. Ihr steckt zu viel Red Bull im Alpha Tauri. Nicht wegen der Hinterradaufhängung. Das ist legitim. Haas kauft Hinterachse und Getriebe bei Ferrari ein, Aston Martin bei Mercedes.
Die Spione der anderen Teams entdecken aber auch bei der Aerodynamik immer mehr Gemeinsamkeiten der beiden Red-Bull-Autos, speziell am Unterboden, der sich natürlich der neuen Hinterradaufhängung anpassen musste. Die hat komplett andere Anlenkpunkte am Getriebe. Damit stehen auch die Querlenker in dem kritischen Bereich zwischen Hinterrädern und Verkleidung ganz anders in der Strömung.
Als Dietrich Mateschitz 2006 Toro Rosso als sein Juniorteam installierte, war Synergie noch Trumpf. Da hat der Kleine das Vorjahreschassis des Großen eingesetzt, nur mit unterschiedlichen Motoren. Doch kaum hatte Toro Rosso 2008 in Monza seinen ersten Grand Prix gewonnen, liefen die Gegner Sturm. Das Reglement wurde so umgeschrieben, dass jeder sein Auto selbst bauen musste.
Vorjahres-Aufhängung von Red Bull
Mittlerweile sind wieder viele gemeinsame Teile erlaubt. Alpha Tauri hat die Möglichkeiten aber lange Zeit nicht ausgeschöpft. "Weil die Ingenieure in Faenza ihren Stolz hatten und glaubten, sie wären so gut wie der Newey", giftete Sportdirektor Helmut Marko immer mal wieder. Der Grazer war schon aus Kostengründen ein Verfechter einer engeren Verflechtung.
Seit Oliver Mintzlaff bei Red Bull das Zepter schwingt, ist Effizienz Pflicht. So sollen die vom Reglement erlaubten Übernahmen technischer Bausteine 2024 voll ausgeschöpft werden. Alpha Tauri bekommt im nächsten Jahr auch die Vorderachse von Red Bull. Es wird wie üblich das Modell aus dem Vorjahr sein.
Damit muss Alpha Tauri von der aktuellen Push-Rod-Aufhängung auf ein Pull-Rod-System umbauen, was größere Anpassungen am Chassis nach sich ziehen dürfte. Auch die jetzt schon adoptierte Hinterachse des RB19 bleibt 2024 an Bord des nächstjährigen AT05.
Die Weitergabe der alten Teile hat einen Grund. Red Bull segnet seine Entwicklungen immer erst in letzter Sekunde ab. Ein Kundenteam wie Alpha Tauri hat aber nicht die Kapazitäten, in der gleichen Geschwindigkeit darauf zu reagieren. Für den Kunden ist die Vorjahresversion logistisch die bessere Lösung.
Alpha-Tauri-Technik nach England
Was die Konkurrenz beunruhigt, ist, dass die technische Zusammenarbeit des kleinen und großen Bruders 2024 verstärkt werden soll. Die Alpha-Tauri-Ingenieure werden dann komplett in einem eigenen Gebäude auf dem Campus von Red Bull in Milton Keynes arbeiten. Einen Vorgeschmack auf die Früchte dieser Zweckgemeinschaft bekam man schon in der zweiten Saisonhälfte zu spüren. "Sie nützt Red Bull und Alpha Tauri", ärgert man sich im gegnerischen Lager.
Weil Alpha Tauri als Testlabor für Red Bull arbeiten könnte, die in ihrer Windkanalzeit viel stärker eingeschränkt sind. Und weil Alpha Tauri vom Know-how des Weltmeisters profitiert. Natürlich inoffiziell, denn ein Daten- und Informationsaustausch ist verboten. "Je ähnlicher die Aerodynamik, desto mehr hilft der eine dem anderen", grummelt es im Untergrund.
Alpha-Tauri-Geschäftsführer Peter Bayer entkräftete den Verdacht damit, dass speziell die beiden Red-Bull-Teams von der FIA mehr als penibel in Bezug auf mögliche Kooperationen geprüft werden. Und er selbst wisse als ehemaliger FIA-Generalsekretär besser als jeder andere, wie heikel das Thema ist. Er werde sich schon deshalb nicht die Finger daran verbrennen.
FIA-Sportchef Nikolas Tombazis bestätigt: "Wir prüfen so genannte Nachbar-Teams viel strenger als solche, die isoliert dastehen. Unserer Einschätzung nach folgt der Alpha Tauri einem anderen Konzept als der Red Bull." Er gibt aber auch zu: "Wenn es zwei Teams darauf anlegen zusammenzuarbeiten, können wir das nie zu 100 Prozent verhindern. Egal, ob das in England oder in Argentinien passiert. Es könnten sich auch zwei Teams absprechen, die gar nichts miteinander zu tun haben."
Fluch der Allianzen
Doch wenn sich die Konkurrenz einmal auf etwas eingeschossen hat, wird man es nicht so schnell wieder los. So wird auch gemutmaßt, dass sich mit einer geschickt gesteuerten Zusammenarbeit das Budgetlimit einfacher umgehen lässt. So kann man Ingenieure und Entwicklungsarbeit und damit auch Know-how besser verteilen. Einer behauptet: "Sechs komplett neue Unterböden zu entwickeln und zu produzieren, sprengt jeden Kostendeckel." Das wird von Alpha Tauri bestritten.
Da kommen alte Ängste wieder hoch. In den ersten Jahren von Haas wurde Ferrari unterstellt, sich mit dem US-Rennstall einen Entwicklungspartner eingekauft zu haben. Als der Racing Point RB20 in der Saison 2020 wie ein Zwilling des Mercedes W10 von 2019 aussah, reichte Renault sogar Protest gegen nahezu identische Bremsbelüftungen ein. Mit Erfolg.
In Zeiten der Budget-Obergrenze sind börsennotierte Konzerne wie Ferrari oder Mercedes vorsichtiger mit Allianzen geworden. Sie können es sich nicht leisten, wie Red Bull beim Überschreiten der Finanzregeln erwischt zu werden. McLaren hat sich jetzt an die Spitze derjenigen Teams gestellt, die verhindern wollen, dass Red Bull und Alpha Tauri zu viel Doppelpass spielen.
Zak Brown schlägt vor, dass ab 2026 wieder jedes Team die Getriebekassette und Hinterachse selbst bauen muss. Red Bull und Alpha Tauri kündigten Widerstand an. Gleichzeitig forderte Red-Bull-Teamchef Christian Horner, dass Finanzkontrollen künftig vorab angemeldet werden sollten. Alle anderen Teams sind dagegen.
Tombazis stellt klar: "Das Problem unerlaubter Kooperation löst sich nicht dadurch, dass wir bestimmte Komponenten wieder freigeben." Bei der Voranmeldung bleibt er hart: "Jedes Team bekommt von uns alle zwei bis drei Wochen Besuch. Und der wird weiterhin nicht angemeldet werden."
Darf ein Besitzer zwei Teams haben?
Horner spielt ein gefährliches Spiel, was auch bei Red Bull in Salzburg mit wachsender Sorge beobachtet wird. Speziell wenn der Eindruck entsteht, dass der Erfolgsmanager selbst die Kontrolle über zwei Teams hat. Manche behaupten, er strebe wie Toto Wolff nach einer Teambeteiligung.
Viele wichtige Entscheidungen sind zuletzt auf Horners Mist gewachsen. Die Rückholung von Daniel Ricciardo, die Verpflichtung von Statthalter Laurent Meckies. Der neue Hauptsponsor Visa wurde nicht mehr von Red Bulls Hausagentur WWP akquiriert, sondern von CAA Brand Management aus London.
Da könnte dem Red-Bull-Imperium bald Gegenwind ins Gesicht wehen. Im Feld wird bereits offen diskutiert, dass in keinem anderen Sport ein Besitzer mit zwei Teams antreten darf. Weil das zu Interessenskonflikten führen kann. Speziell im Motorsport. "Wenn Alpha Tauri nächstes Jahr um Platz 5 fährt, werden sicher Forderungen laut, dass wir den Rennstall verkaufen", fürchtet ein Red-Bull-Manager.
Rennen | Alpha Tauri |
Australien | Unterboden |
Venturi-Kanäle | |
Unterboden Kante | |
Diffusor | |
Aserbaidschan | Frontflügel-Flaps |
Heckflügel-Flap | |
Beam Wing | |
Motorabdeckung Kühlauslass | |
Bremshutze hinten | |
Miami | Frontflügel |
Spiegelhalterung | |
Monaco | Venturi Kanäle |
Unterboden | |
Unterboden Kante | |
Diffusor | |
Kühleinlass | |
Motorabdeckung | |
Heckflügel | |
Heckflügel Endplatte | |
Spanien | Heckflügel |
Heckflügel Endplatte | |
Kanada | Frontflügel |
Heckflügel Endplatte | |
Österreich | Heckflügel |
Beam Wing | |
Kühlauslass Kiemen | |
England | Venturi-Kanäle |
Unterboden | |
Unterboden Kante | |
Diffusor | |
Motorabdeckung | |
Bremshutze hinten | |
Heckflügel | |
Beam Wing | |
Ungarn | Frontflügel |
Nase | |
Diffusor | |
Heckflügel-Flap | |
Belgien | Heckflügel-Flap |
Niederlande | Heckflügelendplatte |
Italien | Frontflügel Flap |
Spiegel Halterung | |
Beam Wing | |
Bremshutze hinten | |
Singapur | Seitenkästen |
Unterboden | |
Diffusor | |
Motorabdeckung | |
Hinterachse Querlenkerverkleidung | |
Bremshutze hinten | |
Rückspiegel | |
Hinterradaufhängung | |
Japan | Heckflügelendplatte |
Rückspiegelhalterung | |
Katar | Unterboden Kante |
USA | Unterboden |
Unterboden Kante | |
Venturi Kanäle | |
Motorabdeckung Kühlauslass | |
Bremshutze hinten | |
Chassis Bereich Vorderachse | |
Mexiko | Bremshutze vorne |
Motorabdeckung | |
Abu Dhabi | Unterboden |
Venturi Kanäle | |
Unterboden Kante |