Nach dem Grand Prix von Monaco ist das Geschrei jedes Jahr groß. Mangels Überhol-Action im Rennen bricht in den sozialen Medien immer wieder ein mittelschwerer Shitstorm aus. Viele fordern, den Klassiker ganz aus dem Kalender zu streichen. Traditionalisten dagegen verteidigen den legendären Stadtkurs, weil die Überholproblematik schon immer bestand und sie zu Monaco dazugehört, wie die Yachten und die VIP-Gäste.
Der Versuch in dieser Saison, mit zwei Pflichtboxenstopps etwas Würze ins Spiel zu bringen, erwies sich leider nicht als Heilsbringer. Max Verstappen warf scherzhaft die Idee in den Raum, künftig Bananen wie bei Mario Kart abzulegen, um die Gegner auszubremsen. George Russell fügte spöttisch an, dass man die Autos auch mit einer Sprinkler-Anlage ausstatten könnte, um die Strecke künstlich zu wässern.
In der Formel-1-Kommission wollen die Verantwortlichen nun noch einmal über weitere Ideen nachdenken. Lando Norris warnt dabei: "Wir sollten die Formel 1 nicht zu einer reinen Show machen. Es ist immer noch ein Sport. Es geht darum, wer im Rennen und im Qualifying der Schnellste ist. So war es schon immer. Das Letzte, was wir wollen, ist ein Rennen mit künstlichem Ausgang."
Alex Wurz sieht drei Überholstellen
Das Grundproblem lässt sich aber nicht so einfach lösen: Überholen ist in Monaco unmöglich. Die Perfektion der modernen Zeit macht technische Ausfälle und Fahrfehler immer seltener. So entsteht weniger Chaos als noch in den guten alten Zeiten. Geht man nach den Reaktionen in den sozialen Medien, scheinen vor allem jüngere Fans das mangelnde Spektakel nicht so einfach hinnehmen zu wollen.
Viele Kritiker fordern immer wieder einen radikalen Umbau der Strecke. Immer wieder kommt der Vorschlag auf den Tisch, ein komplett neues Layout mit längeren Geraden zu entwickeln, die durch Landgewinnung ins Meer gepflanzt werden sollen. Ex-Rennfahrer Alex Wurz ist jedoch der Meinung, dass es gar keinen Großumbau braucht. Schon kleinere Änderungen könnten die Situation stark verbessern.
Der 69-fache Grand-Prix-Teilnehmer, der in der Fahrergewerkschaft (GPDA) die Interessen der Piloten vertritt, hat eine eigene Firma namens "WURZdesign" gegründet, um Rennstrecken-Projekte auf der ganzen Welt zu unterstützen. Aktuell sind die Österreicher vor allem mit dem spektakulären "Qiddiya Circuit" in Saudi-Arabien beschäftigt. Auch beim geplanten Rennstrecken-Neubau in Ruanda hat Wurz seine Finger angeblich im Spiel.

Kann die Hafenschikane 80 Meter nach hinten verlegt werden? Das würde die Tunnel-Gerade künstlich verlängern.
Hafenschikane verschieben
In einem Video, das über den eigenen X- bzw. Twitter-Kanal verbreitet wurde, erklärt Wurz, wie man auch den Stadtkurs in Monaco mit überschaubaren Mitteln renovieren könnte, um mehr Überhol-Möglichkeiten zu generieren. Dabei achtete der ORF-Experte stets darauf, das Layout und den Charakter der Strecke nicht grundlegend zu ändern.
Die erste Idee betrifft die Hafenschikane ausgangs des Tunnels. Hier befindet sich aktuell die einzige Überholstelle der Strecke. Damit Angriffe künftig nicht nur mit der Brechstange und viel Rücksicht des Vordermanns erfolgreich sind, schlägt Wurz vor, die künstliche Schikane erst 80 Meter weiter hinten einzubauen, um die Gerade und damit auch die Anbremszone zu verlängern. Das sollte laut Wurz baulich möglich sein.
"Damit würde man das Verteidigen der Position erschweren. Fahrer können einen Angriff besser vorbereiten und mit höherer Wahrscheinlichkeit erfolgreich durchführen", erklärt der ehemalige Rennfahrer. "Natürlich ist hier das genaue Design der Schikane sehr wichtig. Dabei kommt es zum Beispiel auf die Position der Randsteine und die Breite der Strecke an."
Wichtig ist dem 51-Jährigen auch, dass die anschließende Tabac-Kurve durch die Maßnahme nicht an Reiz verliert. "Es ist die beste Kurve der ganzen Strecke. Sie ist sehr schwierig. Wir müssen den Abstand zur Schikane genau abwägen, damit man nicht plötzlich einfach Vollgas durchfahren kann. Die Piloten sollten zumindest noch kurz lupfen müssen."

Mit einem weiter nach hinten verlegten Scheitelpunkt und einer breiteren Straße, könnte man den Fahrern das Verteidigen erschweren.
Rascasse-Scheitel verlegen
Den zweiten Umbau würde Wurz an der Rascasse vornehmen. In der engen Rechtskurve im letzten Sektor konnten die Fans in der Vergangenheit immer mal wieder Attacken beobachten. Erfolgreich sind sie aber nur, wenn der Vordermann schläft oder aktiv mitspielt. Nicht selten enden die Angriffe hier in der Mauer.
Wurz schlägt vor, die Bande an der inneren Seite um zwei bis drei Meter in die Fahrspur einzurücken, um den Scheitelpunkt etwas nach hinten zu verlegen. Dadurch folgt die Ideallinie beim Eingang der Kurve einem weiteren Bogen. Und das gibt hinterherfahrenden Autos eine bessere Möglichkeit, innen reinzustechen.
"Hier sind dann Divebomb-Manöver möglich. Der verteidigende Fahrer muss sich entscheiden, die Position innen zu verteidigen oder die Tür offenzulassen. Wer sich verteidigt, ist am Kurvenausgang deutlich langsamer und gerät danach mehr unter Druck. Dieser kleine Trick ließe sich leicht realisieren und sollte zu mehr Zweikämpfen führen", so Wurz.
Wenn der Hintermann näher aufschließen kann, würde das auch die Chance für Attacken mit DRS auf der Zielgeraden erhöhen. Die Frage lautet nur, wie weit sich die Strecke auf der Außenseite der Rascasse noch verbreitern lässt, um Fahrern die weitere Linie zu ermöglichen und mehr Platz für zwei Autos nebeneinander zu schaffen.

Mit mehr Platz am Ein- und Ausgang der Loews-Kurve, könnte ein Fahrer besser Druck auf den Vordermann machen.
Haarnadel erweitern
Die dritte Stelle, an der Wurz Umbauten vornehmen würde, ist die Haarnadel, die den meisten Fans unter dem alten Namen "Loews-Kurve" bekannt sein dürfte. Hier sieht der Plan vor, am Eingang der Kurve an der Außenseite 2,20 bis 2,40 Meter mehr Platz zu schaffen. "Damit würde man die Chance erhöhen, dass sich ein Fahrer innen reinbremsen kann."
Damit sich die Autos in der langsamsten Stelle des Kalenders nicht verhaken, soll am Ausgang ebenfalls zweieinhalb Meter Platz geschaffen werden. "Hier sollte man den Randstein entfernen und die Strecke bis an die Bande ausdehnen. Dadurch würde sich der Radius für die Kurve vergrößern und Fahrern, die innen angreifen, würde am Ausgang nicht der Platz ausgehen."
Laut Wurz würde sich die Ideallinie in der Loews-Kurve durch die Erweiterung der Strecke nicht verändern. "Aber auch hier würde die Möglichkeit eines Divebomb-Manövers kreieren. Das Auto vorne muss sich härter verteidigen, was den Abstand zum Hintermann verringert. Und das wiederum könnte dann helfen, die Chance auf Attacken in der neuen Hafenschikane nach dem Tunnel zu erhöhen."
Wie gut die Ideen wirklich funktionieren, lässt sich natürlich nur im Praxis-Versuch herausfinden. In Kombination mit der für 2026 geplanten Verkleinerung der Autos besteht zumindest die Chance, dass sich die Situation nach vielen Jahren erstmals wieder verbessert. Wenn wenigstens die radikalen Blockade-Aktionen durch eine Renovierung der Strecke vermieden werden können, wäre ja schon viel geholfen.