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20 Jahre „Let Michael pass for the championship“
Die größten Stallregie-Aufreger

Am 12. Mai jährt sich der Stallorder-Skandal beim GP Österreich zum 20. Mal. Der überlegene Barrichello musste auf Ansage von Teamchef Jean Todt seinen Teamkollegen Michael Schumacher vorbeilassen. Zum Jubiläum blicken wir noch einmal zurück auf die größten Stallregie-Skandale der Formel 1.

Stallregie GP Österreich 2002
Foto: xpb

"Let Michael pass for the championship" – diesen Satz dürfte der Brasilianer Rubens Barrichello in seinem Leben nie mehr vergessen. Ausgesprochen hatte ihn Ferraris damaliger Teamchef Jean Todt beim Großen Preis von Österreich. Aber nicht 2002, sondern ein Jahr zuvor. Dort lag der Brasilianer kurz vor Schluss auf dem zweiten Platz vor Schumacher und musste seinen Teamkollegen überholen lassen.

Doch 2001 war nur der Vorbote, für den wohl bis heute bekanntesten Stallregie-Skandal in der Geschichte der Formel 1. Ferrari dominierte mit dem überlegenen F2002 die Saison. Die Italiener gewannen 15 von 17 Rennen, während Schumacher davon elf für sich entschied und in jedem Rennen aufs Podest raste – bis heute ein Rekord.

Unsere Highlights

Gellendes Pfeifkonzert

In Spielberg stand das sechste Rennen des Jahres an, von den ersten fünf hatte der Rekordweltmeister bereits vier für sich entschieden. Der Abstand zu seinem ersten Verfolger Juan Pablo Montoya betrug 21 Punkte. Da es damals lediglich zehn Zähler für einen Sieg gab, war der Vorsprung schon beträchtlich.

Doch das war kein Grund, Barrichello den Sieg zu überlassen. Auf der Zielgeraden ging der damals 29-Jährige vom Gas und Schumacher überholte ihn. Die Fans auf den Tribünen quittierten die Aktion mit einem gellenden Pfeifkonzert.

Podiums-Farce und hohe Strafe

Sichtlich unwohl fühlten sich die beiden Fahrer im Parc Fermé nach dem Rennen. Auf dem Siegerpodest sorgten die Ferrari-Piloten für die nächste Farce: Schumacher schubste Barrichello auf die oberste Stufe. Unter der schwarz-rot-goldenen Flagge lauschte der Brasilianer der deutschen Hymne. Die FIA bestrafte Ferrari für das Missachten der Siegerzeremonie mit einem Bußgeld in Höhe von einer Million US-Dollar.

Für die Stallorder hatte der Weltverband keine Handhabe, da sie nicht verboten war. Erst 2003 ließ die FIA Teamorder offiziell verbieten. Einen weiteren Aufreger leistete sich das Ferrari-Duo am Ende der Saison. Der Versuch eines Fotofinishs in Indianapolis scheiterte krachend, als am Ende Barrichello mit 0,011 Sekunden vor dem lange führenden Schumacher die Ziellinie überquerte. Manche munkeln bis heute, dass Schumacher den Sieg Barrichello absichtlich "zurückschenkte".

Stallregie GP Österreich 2002
xpb
Nach dem geschenkten Sieg in Spielberg 2002 schubste Michael Schumacher seinen Teamkollegen Rubens Barrichello auf die oberste Stufe des Treppchens. Dieser stand anschließend unter der deutschen Flagge, als die deutsche Hymne gespielt wurde.

"Fernando is faster than you"

Einige Jahre später ignorierte Ferrari das Verbot und sprach erneut eine Stallregie aus. In der umkämpften Saison 2010 befand sich der Spanier Fernando Alonso für die Scuderia im WM-Kampf. In Hockenheim dominierten die Italiener mit Alonso und dessen Teamkollegen Felipe Massa den Großen Preis von Deutschland.

Zum Missfallen der Teamführung lag der Brasilianer vor dem zweifachen Weltmeister. Da Stallregie verboten war, entschied sich der Kommandostand zu einem Trick: Massas Renningenieur Rob Smedley teilte seinem Fahrer mit, dass Alonso schneller sei und er ihn dadurch vorbeilassen solle.

Die Worte "Fernando is faster than you" gingen ebenfalls in die Geschichte der größten Aufreger der Formel 1 ein. Obwohl Massa seit Brasilien 2008 kein Rennen mehr gewonnen hatte, ließ er Alonso vorbei und stellte sich in den Dienst des Teams.

Stallregie GP Deutschland 2010
Wilhelm
In Hockenheim 2010 musste Felipe Massa seinem Teamkollegen Fernando Alonso Platz machen. Die Worte seines Renningenieurs Rob Smedley "Fernando is faster than you" wurden legendär.

Die FIA nahm diesen Vorfall als Grund, die Stallregie ab der Saison 2011 wieder zu erlauben, da es keine Handhabe gegen versteckte Codes und Absprachen gab. Dennoch belegte der Verband Ferrari mit einer Strafe von 100.000 US-Dollar.

Massa gewann bis zum Ende seiner Karriere im Jahr 2017 kein Rennen mehr. Trotz der Stallregie reichte es für Alonso nicht zum Gewinn des WM-Titels im Jahr 2010. Der Spanier musste sich am Ende der Saison Sebastian Vettel im Red Bull geschlagen geben.

"Multi 21" in Sepang

Das erwähnte Red-Bull-Team war selbst Teil von Stallregie-Aufregern in der Formel 1. Im berühmtesten Fall beim Großen Preis von Malaysia 2013. Die Teamleitung hatte Mark Webber und seinen Stallgefährten Sebastian Vettel angewiesen, die Positionen nach dem letzten Boxenstopp zu halten. Die beiden führten mit großem Abstand vor den Mercedes-Piloten Hamilton und Rosberg.

Die Ansage "Multi 21" stand dabei für die Startnummern der Fahrer. Webber fuhr mit der 2 und Vettel mit der 1. Somit sollte Webber das Rennen vor Vettel beenden. Dieser Code erlangte Berühmtheit, nachdem Webber im "Cool-Down-Room" vor der Siegerehrung Vettel auf die Bedeutung hinwies.

Vettel entreißt Webber den Sieg

Der damals dreimalige Weltmeister hielt von dem Befehl seines Teams wenig und ignorierte ihn. Mit frischeren Reifen setzte der Heppenheimer zur Jagd auf den Australier an und rang ihn nach mehreren Kurven nieder. Während der Siegerehrung herrschte Eiszeit zwischen den beiden Red-Bull-Piloten. Webber beschwerte sich im Podium-Interview, dass Vettel vom Team geschützt werde – das sei immer so. Die Verantwortlichen um Christian Horner, Adrian Newey und Helmut Marko verfolgten die Siegerehrung mit versteinerten Mienen.

Der Deutsche entschuldigte sich nach dem Rennen bei Webber und beim Team für sein Verhalten. Das hielt aber nicht lange. Drei Wochen später sagte Vettel im Vorfeld des Großen Preises von China, dass er wieder so handeln würde, wenn er sich in der gleichen Situation befände. Das Tischtuch zwischen den beiden Fahrern war nach dem Vorfall zerschnitten und der Australier verabschiedete sich am Ende der Saison aus der Formel 1.

Stallregie GP Malaysia 2013
xpb
Sebastian Vettel widersetzte sich in Sepang 2013 der Teamorder, griff Mark Webber an und rang ihn in einem packenden Zweikampf über mehrere Kurven nieder.

Sotschi 2018 – Bottas gehorcht artig

Einen sicheren Sieg an seinen Teamkollegen abtreten musste in seiner Karriere auch schon Valtteri Bottas. Über das ganze Wochenende dominierte der Finne den Großen Preis von Russland 2018. Das hinderte die Teamführung um Toto Wolff nicht daran, Lewis Hamilton kampflos an Bottas vorbeizuwinken. In der 28. Runde fuhr der heutige Alfa-Romeo-Pilot zur Seite und ließ den Rekordsieger passieren, der im Anschluss das Rennen gewann.

Der Engländer lag zu diesem Zeitpunkt der Weltmeisterschaft 40 Punkte vor seinem ärgsten Widersacher Sebastian Vettel im Ferrari. Sechs Rennen standen in der Saison noch aus. Für Mercedes Grund genug, Bottas zurückzupfeifen. Umso bitterer für Bottas: Es wäre sein einziger Sieg in diesem Jahr gewesen. Der Finne hatte 2018 mit seiner Performance zu kämpfen und beendete die Saison nur auf dem enttäuschenden fünften Platz. Sein Status als Nummer zwei zementierte Mercedes mit dieser Stallregie. Wenige Wochen zuvor hatte ihn Teamchef Toto Wolff in Ungarn schon als "Wingman" bezeichnet.

Interessanterweise entschied sich Ferrari während des Jahres mehrfach gegen eine Bevorzugung Vettels. Die Scuderia, in der Vergangenheit bekannt für Stallregie, pfiff Vettels Teamkollegen Kimi Räikkönen bei mehreren Rennen nicht zurück. Im Kampf um den Titel machten die Italiener ihrem Piloten damit das Leben unnötig schwer.

Stallregie gehört zum Motorsport

Für den Motorsport-Romantiker dürfte jede Stallorder ein Geschwür sein, aber sie gehört wohl einfach dazu. In jeder Rennserie, ob Formel 1 oder DTM, greifen Teams zu dieser Option, wenn sie in der Situation Sinn ergibt. Ein knapp verpasster Titel wegen einer nicht ausgeführten Stallregie möchte jedes Team vermeiden. McLaren kostete 2007 zum Beispiel das offene Duell zwischen Alonso und Hamilton am Ende die Fahrer-Weltmeisterschaft.

Mit Blick auf die aktuelle Saison und dem engen Kampf zwischen Charles Leclerc und Max Verstappen dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Teams von Ferrari und Red Bull Stallregie einsetzen. Man darf wie immer gespannt sein, wie der benachteiligte Pilot im Ernstfall dann reagieren wird.

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