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VW Touareg (2018) im Fahrbericht
Was kann der Luxus-SUV im Gelände?

Der neue VW Touareg verzichtet erstmals auf mechanische Geländetechnik wie Untersetzung oder eine Achsdifferentialsperre. Wir gingen im harten Offroad-Einsatz der Frage nach, was das SUV-Topmodell der Wolfsburger abseits der Straße drauf hat.

VW Touareg (2018) Offroad-Test Experience Marokko
Foto: Ingo Barenschee

Die in der Allrad-Welt weitverbreitete Metamorphose vom Geländewagen zur Großraum-Luxuslimousine während der vergangenen 20 Jahre ist am Beispiel des VW Touareg besonders schön zu beobachten. Die erste Generation fuhr noch mit derart handfester Geländetechnik vor, dass die Bezeichnung „SUV“ eigentlich unfair war: Serienmäßige Geländereduktion für den permanenten Allradantrieb, gegen Aufpreis gab es eine zuschaltbare Hinterachs-Differentialsperre und sogar einen entkoppelbaren Stabilisator, um den nutzbaren Federweg im Gelände zu erhöhen. Mit fast 60 Zentimeter werkseitig freigegebener Wattiefe musste sich der Touareg I auch diesbezüglich nicht vor „echten“ Geländewagen verstecken. Selbst ein extern montiertes Reserverad am Heck hatte VW für einige Märkte vorgesehen, die Wolfsburger versuchten sich sogar an einer Militärversion des Touareg.

Unsere Highlights

Die Generation 2 markierte bereits eine Zäsur, die Offroad-Technik (allen voran die für langsame, kontrollierte Fahrt im schweren Gelände sehr hilfreiche Untersetzung) wurde aufpreispflichtig. Und damit war bereits abzusehen, wo die Reise hingeht: Generation 3 des Touareg erschien im Sommer 2018 ohne jede mechanische Offroadhilfe, dafür aber mit viel schlauer Technik, welche dieses Manko ausgleichen soll. Die mangelnde Kundennachfrage, so VW, habe zu dieser Entscheidung geführt.

VW Touareg (2018) Offroad-Test Experience Marokko
Ingo Barenschee
Der aktive Wankausgleich (Aufpreis) verbessert die Verschränkung des Toaureg ein wenig.

Kann der neue Touareg noch Offroad?

Nun ist es wohl tatsächlich so: Wer eine Weltreise plant, hat vermutlich den VW Touareg eher nicht als Reisefahrzeug auf dem Schirm. Die neue, dritte Generation mit Unmengen an Hightech- und Komfortfeatures ist in der automobilen Oberklasse angesiedelt, soll nebenbei auch noch Kunden des inzwischen eingestellten Phaeton von der Abwanderung zu anderen Marken abhalten. Mit so etwas fährt man nicht ins Gemüse. Normalerweise.

Doch es gibt ja durchaus Gründe, weshalb ein gewisser Prozentsatz von Autofahrern Interesse daran hat, etwas mehr als eine Gehsteigkante überwinden zu können, ohne dass das Auto zerbricht, deshalb aber keinen vierschrötigen Pickup oder starrachsigen Geländewagen kaufen möchte. Eben die Kundschaft, die der Touareg in seiner Ur-Version noch definitiv angesprochen hat.

Diesen Käufern, welche im Urlaub, in der Freizeit oder im Beruf regelmäßig nennenswerte Einsätze abseits asphaltierter Straßen vor der Brust haben, verspricht VW, dass die neue Armada an computergesteuerten Helferchen die Passagiere auch in der dritten Generation Touareg sicher ans Ziel bringt. Und den Wahrheitsgehalt dieses Versprechens galt es nun herauszufinden.

Hierfür führte unsere Reise nach Marokko. Im Atlasgebirge vor den Toren der Stadt Marrakesch warten Geländeformationen, die Touristen üblicherweise mit kernigen Geländewagen der alten Schule durchmessen. Ganz normale Ortsverbindungs„straßen“ sind spätestens bei Regen für Pkw unpassierbar, immer wieder versperren Erd- und Felsrutsche den direkten Weg, auch vor einer Flussdurchquerung darf man sich nicht fürchten, um von Dorf A nach Dorf B zu kommen.

VW Touareg (2018) Offroad-Test Experience Marokko
Ingo Barenschee
Über das riesige Zentraldisplay lassen sich einzelne Parameter für den Offroadbetrieb anwählen.

Elektronische Helfer statt mechanischer Hilfen

Doch bevor wir endlich loslegen dürfen, gibt es einen Blick auf die versprochenen Hilfsmittel. Der serienmäßige Allrad mit selbstsperrendem Mitteldifferential kann die Antriebskraft variabel im Verhältnis 20:80 bis 70:30 zwischen Vorder- und Hinterachse verteilen. Gegen Aufpreis geht es dann in die Vollen. Das höhenverstellbare Luftfederfahrwerk mit Allradlenkung sowie das Offroad-Paket mit Unterfahrschutz sowie vergrößerten Tanks für Kraftstoff und Additiv verlangen nach einer Zusatzinvestition von 3.500 Euro, den Rest müssen Programmzeilen in den Steuercomputern regeln. Das Offroad-Paket bringt drei zusätzliche Wahloptionen für die sogenannten Fahrprofile, in denen sich per Drehschalter verschiedene Konfigurationen für die individuelle Abstimmung von Getriebesteuerung, Gaspedalkennlinie sowie der Traktionsprogramme aufrufen lassen.

Wenn der Spaß beginnt, wird der Touareg entsprechend vorkonditioniert. Das Standard-Offroadprogramm genügt für die meisten Fälle, das Luftfederfahrwerk wird auf die zweithöchste Stufe gefahren. Mit dem Adaptivfahrwerk mit aktiver Wankstabilisierung könnte durch die elektromechanisch gesteuerten Stabilisatoren auch die Verschränkung verbessert werden. Nur aus diesem Grund die 5.900 Euro Aufpreis auszugeben, kann man sich jedoch sparen – auch völlig „entkoppelt“ verbessert sich der Ein- und Ausfederweg der Einzelradaufhängung nur marginal.

VW Touareg (2018) Geländewerte
Länge/Breite/Höhe (mm)5.008/2.193/1.717
Gewicht2.070 kg
Wendekreis (Allradlenkung)11,2 m
Böschungswinkel v/h (Grad)23,3/17,2
Rampenwinkel (Grad)13,5
Bodenfreiheit (Luftfederung)188-258 mm
Wattiefe480-550 mm

Auffällig ist bereits auf den ersten Offroad-Metern, dass die Luftfederung trotz des Offroadmodus mit verringertem Restfederweg komfortabler agiert als frühere Generationen. Erst in der höchsten Einstellung, immerhin 70 Millimeter über Normal, wird es spürbar stoßig und ungemütlich, aber auch hier längst nicht mehr so unangenehm wie bei den Vorgänger-Generationen.

Hinterradlenkung bringt Vorteile

Auf der engen, steilen und von üblicher Instandhaltung arg vernachlässigten Naturpiste vom Skigebiet bei Oukaïmeden hinab ins Tal kann die an der Hinterachse deutlich sichtbar ausscherende Allradlenkung tatsächlich überzeugen. Die superengen Serpentinen gelingen mit dem immerhin fünf Meter langen Dickschiff sehr souverän, an keiner der unzähligen Haarnadelkurven muss zurückgesetzt werden. Das ist nicht nur im Gelände segensreich.

Zuvor standen in ebendiesem Skigebiet auf 2.700 Meter Höhe, zu dieser Jahreszeit noch schneefrei, ausgedehnte Kletterübungen auf dem Programm. Steile Bergauf- und Bergabfahrten im unwegsamen Gelände, wenig Grip und viel loses Geröll. Auch hier interessante Erkenntnisse. Die fehlende Geländeuntersetzung kann der Wandler des Automatikgetriebes nur zum Teil ersetzen. Auf kniffligen, stark verworfenen Abschnitten muss überdurchschnittlich viel Gas gegeben werden, um den schweren Touareg über Hindernisse zu bugsieren. Gleiches gilt für extreme Steigungen. Um die Traktionskontrolle zum Einsatz zu bringen, wird deutlicher Radschlupf benötigt. Statt mit einer mechanischen Differentialsperre kontrolliert bergan zu schreiten, ist daher eine verhältnismäßig krawallige Fahrweise nötig, die man im Geländeeinsatz eigentlich vermeiden sollte.

Smarte Bergabfahrkontrolle

Überzeugend agiert hingegen die Bergabfahrkontrolle. Solche Helfer sind nicht neu im Geländewagenbereich, jedoch ist die Lösung beim neuen Touareg besonders smart. Während andernorts per Schalter oder Getriebehebel starr vorgegebene Maximalgeschwindigkeiten eingestellt werden, ist die Bergabfahrkontrolle im Touareg „adaptiv“. Sie reagiert auf den jeweiligen Gas- und Bremspedaleinsatz und hält automatisch eine erreichte Geschwindigkeit. Das ist speziell im schwierigen Gelände mit ständig wechselnden Neigungswinkeln ein echter Gewinn.

VW Touareg (2018) Offroad-Test Experience Marokko
Ingo Barenschee
Für gelegentliche Geländetrips zum Beispiel im Urlaub zeigt sich der neue Touareg gewappnet.

Zurück aus den Bergen schließlich noch die für Fotografen stets besonders attraktive Offroad-Disziplin: Wasserdurchfahrt. Furten durch je nach Jahreszeit und Wetter mehr oder minder tiefe Bäche und Flüsse sind im Hinterland Marokkos keine Seltenheit, während nennenswerte Wasserdurchfahrten in Deutschland in aller Regel allenfalls nach starken Regenfällen auf das Tagesprogramm kommen. In Verbindung mit der Luftfederung im höchsten Niveau soll die erlaubte Wattiefe – also die gefahrlos durchfahrbare Wassertiefe – bei 550 Millimeter liegen. Ein im Geländewagenbereich achtbarer Wert, der diesmal jedoch ungetestet bleibt. Der Qued Badja Djdid nahe der Ortschaft Tahannaout reicht dem Touareg – und das auch nur stellenweise – gerade einmal bis zum Schweller.

Fazit

Dass VW beim Flaggschiff des Markenprogramms, dem Touareg, auf eine zumindest optional bestellbare Geländeuntersetzung verzichtet, mag aus wirtschaftlicher Sicht nachvollziehbar sein. Die Geländefähigkeiten haben darunter jedoch klar gelitten, auch wenn sich eine Vielzahl von immer feinfühliger abgestimmten Assistenzsystemen bemüht, dieses Manko auszugleichen. In bestimmten Fahrsituationen ist es schlicht nicht möglich, materialschonend langsam zu fahren. Einen guten Eindruck hinterlässt die frei justierbare Bergabfahrkontrolle, dass die Luftfederung auch im höchsten Offroadmodus noch einen gewissen Rest an Fahrkomfort ermöglicht, ist ebenfalls positiv zu bewerten. Für gelegentliche Offroadfahrten in mittelschwerem Gelände, sei es im Urlaub oder im Beruf zum Beispiel auf Baustellen, ist der Touareg also auch weiterhin geeignet, das ist die eigentliche Nachricht.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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