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VW Golf Country im Fahrbericht
Landlust im SUV-Vorreiter

Seit 40 Jahren schreibt Klaus Westrup über Autos in auto motor und sport. Für 4Wheel Fun blättert er in seinem alten Notizbuch und erinnert sich, diesmal an einen VW Golf im Geländewagen-Look, den Country.

VW Golf Country, Frontansicht, Wasserdurchfahrt
Foto: Archiv

Auf dem Genfer Automobilsalon im Frühjahr 1989 kann Volkswagen noch nicht ahnen, dass seine jüngste Kreation kurze Zeit später für einen Superlativ sorgen wird. Mit insgesamt nur 7735 Exemplaren ist der Golf Country unangefochten der Golf mit der geringsten Stückzahl. Heute scheint man stolz zu sein auf dieses Minimalergebnis und wirbt mit ihm. Es gebe noch Ersatzteile für die überlebenden Exemplare, sagt der aktuelle Anzeigentext – wie viele es sind, weiß auch der Konzern nicht.

Unsere Highlights

Der Testwagen kommt im Sommer 1990 und wirkt mit seiner auf SUV-Linie getrimmten Karosse optisch eher befremdlich. Er ist 18 Zentimeter höher als ein normaler Golf zwei, besitzt sechs Zentimeter mehr Bodenfreiheit und einen Hilfsrahmen, der für größere Steifigkeit sorgt. Das Reserverad ist ganz rustikal an der Heckklappe außen montiert, vor dem Grill vorn erblickt das Auge erschreckt ein matt lackiertes Rammschutz-Gitter – das genaue Gegenteil von dem, was man heute als Fußgängerschutz akzeptieren würde. Die Räder stehen verloren in den viel zu groß wirkenden Radkästen, von der Seite wirkt der Country wie ein Watt-Mobil, mit dem man bei Ebbe eine Hallig ansteuert.

Golf Country ist definitiv ein Hingucker

Bei Steyr-Daimler-Puch im österreichischen Graz entsteht dieses fabrikationstechnisch anspruchsvolle Golf-Derivat. Basis ist der allradgetriebene Golf syncro, als Motorisierung gibt es ausschließlich den leicht langhubig ausgelegten 1,8-Liter-Vierzylinder, der in dieser Version im Golf Country 98 PS leistet.

Kein Mensch fragt angesichts dieser optisch sonderbaren Erscheinung nach der Motorleistung. Neu und extrem selten auf den Straßen ist der Golf Country ein sogenannter Hingucker, doch was die Betrachter mit ihrer Mimik verraten, ist nicht unbedingt angetan, stolz auf ihn zu sein.

Schon an der zweiten Straßenbahn-Haltestelle in Stuttgarts City wird offen und unverhohlen gelacht. Vor allem junge Menschen, möglicherweise sogar die Zielgruppe, amüsieren sich, und weil man als Tester nicht zu erkennen geben kann, dass einem dieses Auto gar nicht gehört, entsteht ein Problem. Was für ein Gesicht macht man im Golf Country? Die Betriebsanleitung ist auch keine Hilfe – man schwankt zwischen angespannt, gelangweilt oder einfach amüsiert – so, als würde man den Golf Country selbst nicht ernst nehmen.

Optisch ein kleiner Big Foot

Auf der Autobahn stürmt der Rustikal-Golf mit maximal 164 km/h dahin – ganz ordentlich in Anbetracht seiner zerklüfteten Front und der hohen Gestalt. Brav gehen die noch Langsameren zur Seite, das sogenannte Überholprestige ist gar nicht so schlecht. Das Känguru-Auffang-Gitter vorne wirkt böse und symbolisiert Entschlossenheit. Keiner lächelt mehr, die Überholten wagen einen scheuen Blick zur Seite und ärgern sich, Platz gemacht zu haben. Der auffällige Hintermann ist ja nur ein Golf.

Ein Reduktionsgetriebe gibt es nicht, allzu geländetauglich soll die jüngste VW-Kreation gar nicht sein. Optisch ist der Golf Country ein kleiner Big Foot, der zur Volksbelustigung alte Autos überklettern und zermalmen darf, fühlt er sich äußerst solide an – kein Wunder bei jenen strammen 1.259 Kilogramm, die er vollgetankt auf die Waage bringt, runde vier Zentner mehr, als ein Basis-Golf wiegt. Das Temperament hat natürlich gelitten, aber träge ist der Country nicht, braucht nur 13 Sekunden auf Tempo 100, nicht länger als ein Porsche 1600 Super aus den fünfziger Jahren.

Ist das ein Eigenbau?

Die Windgeräusche bei Autobahn-Tempo sind im Golf Country erstaunlicherweise kaum höher als im regulären Golf, der Verbrauch von runden zehn Litern pro 100 Kilometer erscheint in Anbetracht des hohen Gewichts und der sperrigen Figur noch angemessen.

Kompliment für seinen Fahrer an einem Rastplatz der Autobahn. Ein VW-Besitzer will wissen, ob das ein Eigenbau ist. Zuletzt ist dem Tester eine solche Frage im Zusammenhang mit dem entzückenden Austin Mini Moke, einer Art Miniatur-Jeep, gestellt worden, und wieder verneint er – auch ein wenig geschmeichelt, dass man ihm, der nicht einmal Kerzen wechseln könnte, so etwas zutraut. Der Neugierige erfährt nun, dass der Golf Country ein multinationales Automobil geworden ist und mit seinen Grazer Zutaten nicht nur die Statik, sondern auch das österreichische Nationalgefühl stärkt.

Zeit ist noch reif für den Golf Country

Die Idee hinter diesem Auto wird schon im November 1988 geboren, der Vorstandsbeschluss für ihre Realisierung fällt nur vier Monate danach, im April 1990 wird mit der Produktion begonnen. 4.000 Exemplare sollen jährlich entstehen, bei VW muss niemand fürchten, dass durch das Marketingprodukt namens Golf Country irgendein anderes Golf-Modell substituiert wird. Doch es kommt bekanntlich anders, vielleicht weil die Zeit noch nicht reif ist für Autos dieses Genres, die sich Jahrzehnte später und bis zum heutigen Tag unter dem Sammelbegriff SUV wie Sports Utility Vehicle pandemisch ausbreiten.

Der Golf „für alle Individualisten“ (VW-Werbung von einst), dieses Auto mit seiner „Schlechtwegequalität“ (VW-Pressetext) und einem Stahlkäfig zum Schutz des hinteren Differenzials bleibt schon zu Lebzeiten ein Paradiesvogel ohne Paradies.

Heute erinnert man sich nur mit Mühe an den exotischsten Golf aller Tage, mancher Automobilist hat gar nicht mitgekriegt, dass es ihn mal gegeben hat. Die Wahrscheinlichkeit, den Golf Country im Straßenverkehr zu erleben, ist schon zu seiner nur anderthalbjährigen Produktionszeit extrem gering, heute tendiert sie gegen null. Wenn doch, bitte recht freundlich – so wie früher.

Technische Daten
VW Golf Country
Außenmaße4255 x 1705 x 1555 mm
Kofferraumvolumen230 l
Hubraum / Motor1781 cm³ / 4-Zylinder
Leistung72 kW / 98 PS bei 5400 U/min
Höchstgeschwindigkeit155 km/h
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten