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VW Beetle Rallycross Tracktest
Allradtier mit 560 PS

Treuherziger Blick, harmloser Habitus: Doch davon darf man sich nicht täuschen lassen. Der Beetle aus der US-Rallycross-Serie GRC ist kein Auto zum Knuddeln, sondern eher eins zum Fürchten – ein wildes Allradtier mit gewaltigen 560 PS.

VW Beetle Rallycross, Frontansicht
Foto: Alexander Trienitz

Volles Beschleunigen im ersten Gang, die Räder drehen durch. Klar: 560 PS, Schotterpiste und Slickreifen, das harmoniert nicht besonders gut. Also schnell in den Zweiten. Das gleiche Spiel: Der VW Beetle Rallycross scharrt mit den Hufen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen leuchten die LED der Drehzahlanzeige vollzählig. 7.800 Umdrehungen. Höchste Zeit zum Schalten. Aus den runden Kotflügeln spritzen Kieselsteinfontänen. Gut fürs Foto, nicht so gut fürs rasche Vorwärtskommen.

Dritter Gang. Aktueller Zwischenstand im Duell "Motorpower vs. Traktion": Der bärenstarke Vierzylinder im VW Beetle Rallycross behält immer noch klar die Oberhand. Inzwischen liegen 100 km/h an. Der VW Beetle Rallycross schwänzelt fröhlich mit dem Heck. Doch jetzt, 100 Meter nach der Spitzkehre auf dem Estering, Deutschlands einziger permanenter Rallycross-Strecke, kommt ein trockener Betonstreifen in Sicht. Die Rettung.

Plötzlich verzahnen sich die Slicks mit dem Boden, der VW Beetle Rallycross schießt geradezu atemberaubend in Richtung Horizont. Noch zweimal kurz am Schalthebel zupfen. Fünfter Gang. Mit knapp 180 km/h saust der VW Beetle Rallycross auf die nächste Kurve zu, eine feindselig wirkende Kehre. Anker werfen, zurück in den zweiten Gang. Die Gänge flutschen perfekt. Kurz an der Handbremse zupfen, einlenken und wieder aufs Gas. Aber mit viel Gefühl, bitte. Sonst wird aus dem hübschen Heckschwänzler schnell ein unschöner Dreher.

Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Selten war bei einem Rennauto die Kluft zwischen Erscheinungsbild (brav und harmlos) und seinen tatsächlichen Eigenschaften (wild und unglaublich schnell) größer als bei diesem Wagen. Dr. Jekyll und Mr. Hyde in Maschinenform sozusagen. Die Lackierung des VW Beetle Rallycross in Unschulds-Weiß passt perfekt dazu.

Der als Biedermann getarnte Krawall-Beetle entstand im Auftrag von VW of America: "Man hat uns gefragt, ob wir so ein Auto bauen können", sagt Eduard Weidl, Projektleiter bei VW-Motorsport. Der Auftrag des internen "Kunden" wurde natürlich dankend akzeptiert. Praktischerweise konnten die Techniker Anleihen nehmen beim Polo WRC, dem Dauersieger in der Rallye-WM. Zum Beispiel beim Fahrwerk: Mit 240 Millimetern ist der Federweg kaum geringer als beim Polo WRC mit Schotter-Set-up. Dank kompetenter Dämpfung wirkt der VW Beetle Rallycross aber auch auf Asphaltpassagen kein bisschen schunkelig. Wie das Rallye-Auto bringt auch der Rallycross-Beetle seine unbändige Kraft per Allradantrieb auf den Boden. Der Antriebsstrang ist regelbedingt von simpler Machart: Ein Mitteldifferenzial ist verboten, an Vorder- und Hinterachse kommen handelsübliche Sperrdifferenziale zum Einsatz.

Die sechs Gänge im VW Beetle Rallycross werden mit einem mächtigen Schaltstock sequenziell nachgeladen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Fahrhilfen, wie etwa eine Traktionskontrolle, sind bei Rallye und Rallycross strengstens verpönt.

Beim Motor, der wie beim Straßen-Beetle vorne quer eingebaut ist, konnte sich VW-Rennmotorenchef Donatus Wichelhaus im Fundus bedienen: Der Zweiliter-Turbo des VW Beetle Rallycross wurde schon vor einigen Jahren entwickelt. Er basiert auf dem damals von der FIA forcierten Konzept der Global Race Engine, einem Motor, der im Prinzip in praktisch allen Rennserien bis hin zur Formel 1 hätte verwendet werden sollen. Im Rallycross-Beetle sorgt ein riesiger Turbolader für Dampf in allen Lebenslagen: Wenn das Antilag-System (ALS) per Knopfdruck aktiviert ist, mischt sich ein wüstes Knattern zum ohnehin ohrenbetäubenden Lärm. Vorteil des ALS: Der volle Ladedruck steht in jeder Lebenslage bereit; das Ansprechverhalten des Motors ist so direkt wie bei einem PS-gewaltigen Saugmotor. 560 PS liegen maximal an und eine Drehmoment-Flatrate von 630 Newtonmetern.

Schneller als ein Formel-1-Auto

Allzu sehr gestresst wird der Motor beim Rallycross nicht: "Auf dem Estering liegt der Volllastanteil bei nur 15 Prozent", sagt Projektleiter Weidl. Beim beliebten Stammtischwert 0 auf 100 km/h gibt er sich zugeknöpft: "Wir haben das schon in weniger als 2,5 Sekunden geschafft." Auf dem offiziellen Datenblatt stehen 2,2 Sekunden – da kommt selbst ein Formel-1-Auto nicht mehr mit.

Bleibt die Frage: Warum Beetle? Die Antwort ist einfach: Der Polo wird in den USA nicht angeboten. Der Beetle sei aber keineswegs zweite Wahl."Er verkörpert in den USA wie kein zweites Auto die Marke Volkswagen", sagt US-Marketing-Manager Clark Campbell. Seit dem Sommer 2014 starten Scott Speed (bis 2007 Formel 1 bei Toro Rosso, später NASCAR) und der als kaltblütiger Stuntman bekannte Tanner Foust mit dem VW Beetle Rallycross in der prächtig prosperierenden US-Serie GRC (Global Rally Challenge). Und zwar sehr erfolgreich: Speed holte im Mai in Fort Lauderdale Platz zwei, Ende Juni gelang Foust in Daytona sogar der Sieg.

Fousts Formel: Kontrolliere das Chaos

Im Mai 2011 stellte Tanner Foust im Infield von Indianapolis einen Weltrekord für den weitesten Sprung mit einem Automobil auf. Ohne mit der Wimper zu zucken, segelte der Amerikaner in einem Trophy Truck 101,2 Meter durch das Infield – und landete auf den Rädern. Doch selbst der furchtlose US-Haudrauf spricht voller Respekt vom VW Beetle Rallycross: "Der Beetle ist ein gemeines, böses kleines Auto. Man darf die Zügel nie schleifen lassen. Denn dann kommen seine wahren Instinkte zum Vorschein – nämlich querzuschlagen und dabei ganz schnell die Reifen zu ruinieren."

Fousts Rat für den Umgang mit dem Power-Beetle: "Kontrolliere das Chaos!"

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten