Wer an Autos aus China denkt, hat meist Elektrofahrzeuge mit riesigen Displays vor dem inneren Auge. Und dann steht plötzlich dieser praktisch-quadratisch anmutende Hochdachkombi mit 1,5 Liter großem Benziner vor dir. Kein Gebrauchter, sondern ein Neuwagen-Angebot, auch in Deutschland: Der SWM G03.
Größer hätten sie die drei Buchstaben des Markennamens im silberglänzenden Kunststoff nicht an den steilen Kühlergrill zimmern können. Das Kürzel steht für "Speedy Working Motors" und ist der Name eines einst italienischen Motorradherstellers. Dieses Unternehmen wurde 2014 teilweise von der chinesischen Shineray Group übernommen, die ihre Autos seitdem auch SWM nennt. Als Zeichen der innerbetrieblichen Verbundenheit zieren die Farben der italienischen Nationalflagge den Lenkradkranz des Autos.
Großer Kofferraum nur als Viersitzer
Das Exterieur hat mit mediterranem Flair wenig zu tun. Steile Scheiben und plane Blechflächen bestimmen das Design des 4,61 Meter langen, 1,82 Meter breiten und 1,83 Meter hohen Kasten-Vans. Die Form folgt der Funktion – und das bringt Vorteile mit sich. Unlackierte Kunststoffflächen an Seitenschwellern, Radläufen und dem hinteren Stoßfänger verzeihen Parkrempler oder Kontakte mit Einkaufswagen, dazu kommt die gute Rundumsicht im siebensitzigen Innenraum
Die Anordnung der Plätze ist für Siebensitzer aus China typisch: Jeweils zwei Einzelsitze in den ersten beiden Reihen, gefolgt von einer Dreierbank ganz hinten. Manuelle Ausstellfenster sorgen auch hier für Frischluft. Das Kofferraumvolumen wird bei voller Mannstärke im Auto naturgemäß beschnitten. Leider lässt sich die Sitzbank nicht im Fahrzeugboden versenken. Nach dem Umklappen der Lehne ist das Ladeabteil nicht wirklich nutzbar. Nach einem kräftigen Zug an zwei Schlaufen lässt sich die geklappte Bank aber nach vorne aufstellen. Dann kann man nicht nur Gepäck einladen, sondern freut sich auch über eine immerhin halbhohe Abgrenzung des Kofferraums zum jetzt nur noch viersitzen Passagierabteil.
Android-Software für das Infotainment
Viel Platz gibt es hinter den großen hinteren Türen auf zwei Sitzen, die als einzige auch Isofix-Bügel für die Arretierung von Kindersitzen bieten. Hinter dem Lenkrad nimmt man eine leicht unergonomische Position ein. Der Verstellweg des nur in der Höhe justierbaren Lenkrads ist zu kurz, man muss die Beine links und rechts davon herumfädeln. Freunde klassischer Automobil-Innenarchitektur werden das gut ablesbare, analoge Rundinstrument, das Bedienelement für die Klimaanlage mit großen Reglern und Tasten, eine Handbremse mit Bedienhebel und den etwa langen Schalt-Stock für das manuelle Fünfganggetriebe wohlwollend zur Kenntnis nehmen.
Oben auf dem Cockpit wurde ein Touchscreen-Display verschraubt. Die Software des Systems basiert auf Android-Technologie. Apps von Musik-Streamingdiensten wie Spotify oder Navigationslösungen wie Waze lassen sich, sofern man das Auto über ein Smartphone mit dem Internet verbindet, herunterladen und nutzen.
Wie fährt sich der SWM G03?
Der 1,5 Liter große Vierzylinder-Sauger unter der hohen Haube leistet 110 PS. Mit einem maximalen Drehmoment von 155 Newtonmetern treibt er den hohen, aber mit 1.400 Kilogramm Leergewicht relativ leichten, SWM G03 gut voran. Der Klang des Benziners ist dabei stets präsent, aber nur bei hohen Drehzahlen wird es zu laut. Die Lenkung arbeitet recht schwergängig, bietet dafür jedoch genug Rückmeldung für den Fahrer. Am langen Hebel dirigiert man zielsicher durch sauber definierte Schaltgassen, jedoch sind die Wege arg lang. Als voll akzeptabel erweist sich der Federungskomfort. Ein Luxusgleiter ist der Chinese zwar nicht, kleine und große Verwerfungen im Straßenbild werden aber kompetent ausgebügelt.
Auf der Autobahn soll der Kasten bis zu 165 km/h schnell werden. Das können wir im Rahmen erster Testfahrten ebenso wenig ausprobieren wie den realen Verbrauch. 7,2 Liter pro 100 Kilometer gibt es Hersteller als Normwert an. Zeit zum Leerfahren und Nachtanken bleibt uns nicht. Ein Blick auf die Verbrauchsanzeige des Bordcomputers ist nicht möglich – weil es keinen Bordcomputer gibt und sich die Einstellmöglichkeiten im Kombiinstrument auf die Rückstellung von Tageskilometerzähler und Anzeige der Durchschnittsgeschwindigkeit begrenzen.
200 Händler für Vertrieb und Service
Indimo Automotive, ein auf Autos aus China spezialisierter Importeur, bietet den SWM G03 bei uns zum Preis von 18.990 Euro. Wohl nicht ganz zufällig entspricht dieser Tarif exakt dem Listenpreis des Dacia Jogger Eco-G in der Basisausstattung Essential mit optionaler Siebensitzigkeit.
Den Malus der unbekannten Marke will der SWM G03 mit einer scheinbar umfangreichen Serienausstattung glattbügeln. Das erwähnte Infotainmentsystem, Klimaanlage, Einparksensoren am Heck mit Rückfahrkamera, ein elektrisches Glasschiebedach, elektrisch einstellbare Außenspiegel und 17 Zoll große Leichtmetallfelgen sind ab Werk dabei. Optionen sind nicht bestellbar, Wahl bleibt lediglich bei der Farbe der Karosserie.
Abstriche muss man beim Chinesen, der über den Weg einer Kleinserienzulassung in Europa auf die Straße kommt, jedoch bei der Assistenz-Ausstattung machen. Eine Berganfahrhilfe ist dabei, sonst nichts. Keine Geschwindigkeitsregelanlage (nicht mal ohne adaptive Abstandsfunktion), kein Spurhaltewarner und keine Überwachung des toten Winkels. Immerhin: Die fehlende Verkehrszeichenerkennung verhindert das sonst überall störende Gebimmel bei einer möglichen Überschreitung des Tempolimits um nur ein km/h.
Das Indimo-Netz in Deutschland umfasst rund 200 Händler, die sich auch um Wartung und Reparaturen kümmern. In Thüringen unterhält der Importeur ein Ersatzteillager. Jeder SWM G03 bekommt bei der Auslieferung eine Neuwagengarantie für den Zeitraum von drei Jahren ohne Kilometerbegrenzung mit auf den Weg.