Porsche 911 992.2 Carrera S im Test

Porsche 911 992.2 Carrera S
Weiterhin mit Bestseller-Potenzial?

Veröffentlicht am 01.04.2025

Es gibt ja zwei Regionen auf dieser Welt, mit denen der Porsche 911 besonders innig verbunden scheint: seine deutsche Heimat mit ihren tempolimitfreien Schnellstraßen inklusive der Nordschleife sowie Kalifornien. Wir wissen nicht genau, wie viele der rund 1,2 Millionen seit 1963 gebauten 911 im US-Staat zugelassen wurden, jedenfalls scheint der Heckmotor-Sportwagen aus Zuffenhausen besonders gut zum dortigen Lifestyle zu passen. Das beweisen nicht zuletzt die vielen Elfer aller Generationen, die heute auf kalifornischen Straßen unterwegs sind.

Wir mischen uns drunter, zuerst im Porsche 911 Carrera S Cabrio in Enzianblau, später im cartagenagelben Coupé. Das Dachöffnen dauert nur ein paar Sekunden. Die Luft vom Pazifik weht kühl über den Strand und den Highway 101. Das liegt zum einen an der Jahreszeit, zum anderen am Kalifornienstrom. Der bringt kaltes Wasser aus dem Norden und sorgt so dafür, dass die Frühlingstemperaturen um die San Diego Bay mitunter denen am Jadebusen entsprechen.

Brücke vom Carrera zum GTS

Das Dach öffnet sich dennoch auf Knopfdruck, noch bevor der Porsche den Highway erreicht. Gasgeben also. Wir fließen in den vierspurigen Verkehr, und schon bald winkt ein Porsche-Fan aus seinem silbrigen 993 Coupé herüber, bevor er mit deutlichem Tempoüberschuss vorbeizieht. Das könnten wir ebenfalls, auch weil unser Porsche ein flammneuer 911 Carrera S mit 480 PS ist. Nicht nur in Motorleistung und Fahrwerk unterscheidet sich der neue S vom einfachen 911, er bietet zudem eine erweiterte Serienausstattung und ausgefeiltere Individualisierungs-Möglichkeiten.

Doch von Anfang an: Zu jeder 911-Generation gehört eine S-Version. Beim Facelift-992 schließt sie nun die Lücke zwischen dem 911 Carrera mit 394 und dem 540 PS starken GTS. 480 PS kann der Porsche 911 S auffahren, immerhin 30 PS mehr, als im Vorgänger zur Verfügung standen. Dazu bedient er sich unter anderem neuer Turbolader und der Ladeluftkühlung der Turbomodelle der letzten Generation. Die Kraftkur beschert dem 911 S Cabrio eine Vmax von 308 km/h sowie eine Beschleunigung von 0 auf 100 in 3,5 Sekunden. Das Coupé könnte sogar noch etwas fixer spurten: 3,3 Sekunden und ebenfalls 308 km/h Spitze lauten dessen Werksangaben. Beides ist viel mehr, als man heute auf der 101 benötigte. Wir biegen ab in die Berge, die sich zwischen der Küste und der Wüste hochtürmen. Irgendwo im Nordwesten erhebt sich der Palomar Mountain, weit dahinter liegen die schneebedeckten San-Jacinto-Berge.

Zwischen Reisekomfort und sportlicher Agilität

Warum wir Ihnen das hier erzählen? Weil oben auf dem rund 1.700 Meter hohen Palomar Mountain ein Observatorium thront, in dem das einstmals größte Spiegelteleskop der Welt haust. Der Spiegel misst 200 Zoll im Durchmesser, und um dieses 20 Tonnen schwere gläserne Monstrum auf den Berg zu bekommen, schnitzte man eine schöne kurvige Straße in die Landschaft, "Highway to the Stars" wurde sie genannt. Man kann sie heute noch befahren, idealerweise mit einem Porsche 911 S. Denn die Porsche-Entwickler beließen es natürlich nicht bei der Leistungssteigerung, das Fahrwerk wurde ebenfalls überarbeitet.

Dabei, so heißt es aus Entwicklerkreisen, sei es ihnen um eine größtmögliche Spannbreite zwischen Reisekomfort und sportlicher Agilität gegangen. Ein knallharter Sportler ist der neue S schon mal nicht. Um das zu erfahren, braucht man bloß vom Parkplatz auf den Highway einzubiegen. Die in den USA üblichen Betonschwellen und Abwasserrinnen zwischen Fahrbahn und Parkfläche bewältigt der Porsche sehr gelassen. Er federt fein an und gleitet sogar auf der rauen Freeway-Oberfläche recht geschmeidig abrollend dahin. Auch größere Unebenheiten verarbeiten seine Federelemente sauber. Im S ist zudem das PASM (Porsche Active Suspension Management) serienmäßig an Bord. Dabei wachen Sensoren über Variablen wie Lenkwinkel, Beschleunigung, Bremskräfte oder Fahrbahnoberfläche und passen die Dämpfer in Millisekunden an.

Wissen Sie sicher längst, ist alles nicht neu, doch im neuen Porsche 911 S funktioniert es mit einer unaufgeregten Perfektion, die auch in einem Porsche nicht alltäglich ist. Dazu besitzt der S die Dämpfer des GTS und die Federraten des Vor-Facelift-Modells. Optional gibt es das PASM-Sportfahrwerk mit 10-Millimeter-Tieferlegung für 1.090 Euro. Passt auch ohne. Und zwar nicht nur auf der Zufahrt, sondern auch während der Fahrt durch die Berge. Dazu reicht es, das Rädchen an der rechten Lenkradspeiche auf "Sport" oder "Sport Plus" zu drehen. Alles andere regelt der Porsche. Und natürlich die Straßenbauer des Highways zu den Sternen.

Angriffslustig und leicht

Es ist Freitagvormittag, der Verkehr bleibt spärlich, denn außer dem Observatorium gibt es hier nicht viel. Auf ein paar Meilen versammeln sich schnelle und langsame Biegungen, Spitzkehren und kurze Geraden zu einem Traum von einer Passstraße, die man sich auch in den Alpen kaum schöner vorstellen könnte. Sie führt durch schattige Passagen, dichte Nadelwälder, dann wieder öffnet sich der Ausblick nach Westen bis zum Pazifik, der hell durch Sonne und Nebel flimmert. Dazu das 911 Carrera S Cabrio: Es wirft sich ebenso angriffslustig wie spielerisch in die Kurven, trötet beim Ausdrehen der Gänge fröhlich aus der serienmäßigen Sportabgasanlage. Was hier erst recht keinen stört.

Feinfühlig lässt sich der Porsche durch die Radien zirkeln, die Sensoren in den Handflächen ertasten den Grip auf trockenem oder noch von der Nacht angefeuchtetem Asphalt, die Hinterräder stemmen sich gegen Fliehkräfte und Antriebsdrehmoment. In den schnellen Linkskurven auf der Abfahrt scheint es fast so, als klinke sich das linke Vorderrad in die gelbe Mittellinie ein und ziehe den Rest des Wagens mit.

Dabei fühlt sich das alles völlig natürlich an. Nie hast du das Gefühl, den Grenzen von Auto und Fahrwerk wirklich nahezukommen. Der Antrieb hängt eng am Gas, schon bei kaum über 2.000 Umdrehungen stemmen sich mehr als 500 Nm in die Welle, was willst du mehr? Dabei sitzt du und dein Beifahrer in perfekt abstützenden adaptiven Sportsitzen (3.272 Euro), die im Testwagen mit kreidefarbenem und dunkelblauem Leder in Bicolor bezogen sind. Mit all seinen Sonderausstattungen wäre unser enzianblaues Cabrio 198.542 Euro teuer, Grundpreis: 169.000 Euro. Ein Cabrio ohne S würde Porsche ab 150.500 Euro verkaufen.

Coupé mit rennmäßiger Atmosphäre

Für eine zweite Runde um den Palomar Mountain wechseln wir in das cartagenagelbe S Coupé. So gleich und doch so anders! Statt des makellos blauen kalifornischen Himmels wölbt sich mattschwarzes Racetex über uns und sorgt für eine viel intimere, rennmäßigere Atmosphäre. Das intensiviert den Fahrspaß auf den Bergstraßen, lässt die Feinfühligkeit der Lenkung und den vertrauensbildenden Grip des Fahrwerks noch intensiver erleben. Und das gilt am Nürburgring sicherlich genauso wie in Südkalifornien.