Der erste Eindruck ist: Kaputt. Beim Drehen des Zündschlüssels ertönt hier ein Brummen, da ein Surren, danach ist Stille. Beim Einlegen von Stufe D im Automatikgetriebe und Lösen der Bremse rollt er dann wie ein Elektroauto fast lautlos an. Wir alle kennen noch die beliebte Knallgasreaktion aus dem Chemie-Unterricht. Wenn es dem Schülerpack an Enthusiasmus für das Periodensystem mangeln sollte, fackelte der Lehrer ein bisschen Wasserstoff ab, schon machte es ordentlich bumm, und es herrschte volle Aufmerksamkeit.
Mercedes B-Klasse F-Cell fährt fast lautlos
Doch die Brennstoffzelle verrichtet im Mercedes B-Klasse F-Cell lautlos ihren Dienst. Bei einer katalytischen Reaktion des Wasserstoffs mit Sauerstoff wird auch reichlich Energie frei, nur Explosionen gibt es keine. Und so säuselt während der Fahrt lediglich ein bisschen Fahrtwind ums Auto, der Elektromotor surrt mit zunehmendem Tempo mit höherer Frequenz. Die B-Klasse F-Cell hat nur eine Übersetzung. Ein Getriebe braucht es nicht, der mit der Wasserstoffverbrennung angetriebene Elektromotor zwischen den Vorderrädern arbeitet immer bei bestem Wirkungsgrad.
In 11,4 Sekunden auf Tempo 100
Das wirkt sich vor allem bei kurzen Zwischenspurts aus. Der Nebenan will beim Spurwechsel auf der Autobahn nicht spuren? Ein beherzter Tritt aufs Gas, schon marschieren aus dem Stand 290 Newtonmeter. Im Normalbetrieb liefert der Antrieb 80 Kilowatt. Wie bei der Mild-Hybrid-Limousine Mercedes S400 steuert im gebotenen Fall die Batterie noch einmal 20 Kilowatt dazu. Bei Vollgas kommen 136 PS an den Vorderrädern an. Das reicht, um die Fuhre auf 170 km/h zu beschleunigen. Den Sprint auf 100 km/h erledigt der Mercedes B-Klasse F-Cell in 11,4 Sekunden.
Überaus angenehm ist, dass die B-Klasse mit Brennstoffzelle nicht im Mindesten den Eindruck eines automobilen Provisoriums macht, wie es in den Pioniertagen bei vielen Autos mit alternativem Antrieb auftrat. Anderthalb Jahrzehnte Forschung zahlen sich jetzt aus. Wer einmal losgerollt ist, könnte den Eindruck gewinnen, man wäre schon immer so gefahren.
Keine Einschränkungen beim Komfort in der Mercedes B-Klasse F-Cell
Es gibt keine Einschränkungen im Komfort, egal ob Klimaanlage oder Tempomat. Die Kompakt-Limousine steht nicht auf schmalen Energiespargummis, sondern auf 205er Bereifung. Niemand hat nahezu alle Dämmmaterialien herausgerissen, um Gewicht zu sparen. Das Fahrwerk ist straff, bietet aber für diese Fahrzeugkategorie beachtlichen Abrollkomfort. So reist es angenehm und leise - Surfen auf der Hydrogen-Welle bei Gesprächen in Zimmerlautstärke.
Bei den Schwächen des Mercedes B-Klasse F-Cell wäre das Gewicht zu nennen. Zu den 1,8 Tonnen werden mit Insassen und Gepäck schnell zwei Tonnen, und die sind bergauf und beim Verzögern spürbar. Die Bremsen arbeiten ordentlich, haben aber ihre Mühe. Auch in den Kurven ist die Masse fühlbar, obwohl das Fahrwerk der Karosse keine Wankbewegungen erlaubt. Die Lenkung des Mercedes B-Klasse F-Cell ist um die Mittellage ein bisschen indirekt geraten und könnte besseren Fahrbahnkontakt vermitteln.
Mercedes B-Klasse F-Cell mit 100 Liter-Wasserstofftank
Ein entscheidendes Thema ist die Reichweite. Etwa 3,8 Kilogramm Wasserstoff passen in die drei zusammengeschalteten Tanks unter der Rückbank. Das reicht laut ECE-Norm für 380 Kilometer, die aber im wirklichen Leben nur mit extrem ökonomischer Fahrweise zu realisieren sind. Um keine Kompromisse bei der Kofferraumgröße machen zu müssen, beließ man es im Mercedes B-Klasse F-Cell bei rund 100 Litern Tankvolumen, immer noch doppelt so viel Raum, wie in sonst in dieser Klasse üblich. Obwohl mit 700 bar Druck komprimiert, entspricht die mitgeführte Energiemenge nur etwa 13 Litern Diesel. Wenn der Mercedes B-Klasse F-Cell 2015 in Serie geht, wäre ein optional größerer Tank für Langstreckenreisende ein wünschenswertes Extra.
Mercedes B-Klasse F-Cell provoziert neue Art des Autofahrens
Verglichen mit Elektroautos ist der Aktionsradius des Mercedes B-Klasse F-Cell allerdings auch so schon mondän. Wer es richtig krachen lässt, schafft um die 200 Kilometer, wer es darauf anlegt, kommt auch 350 Kilometer weit. Der F-Cell-Fahrer neigt schnell dazu, einer neuen Spielart zu erliegen. Statt wie früher den Bordcomputer nur auf Fahrtzeit und Temposchnitt zu löchern, starrt der Brennstoffzellen-Reiter ständig gebannt auf das Display des Command-Systems, um im Diagramm die Verbräuche der letzten Viertelstunde zu kontrollieren.
Nur kleine Balken sind gute Balken. Auch beliebt ist das Beobachten des Energieflusses. Im Feierabendstau von Ampel zu Ampel nur mit Batteriestrom fahren, heißt die Devise. Vor jeder roten Ampel rechtzeitig vom Gas gehen und zuzuschauen, wie die Ladekapazität des Lithium-Ionen Akkus um zwei Prozentpunkte steigt, löst Serotonin-Schübe aus.
Glücksgefühle in der Mercedes B-Klasse F-Cell
Der F-Cell-Fahrer fühlt sich als clevererer und besserer Mensch, wenn er dank klugem Energie-Management zusehen darf, wie der Bordcomputer des Mercedes B-Klasse F-Cell die Reichweite ständig nach oben korrigiert. Vor allem im sonst so verbrauchsintensiven Stadtverkehr lässt sich reichlich Wasserstoff einsparen. Die einzige Gefahr beim Zocken um jedes Gramm liegt darin, dass man immer weniger auf die Straße schaut. Nach einem Auffahrunfall liegt der Energieverbrauch zwar bei ziemlich genau null, allerdings dürfte das schlagartig auch für die Reichweite gelten.