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Mercedes C 111 im Fahrbericht
Auto-Legende von der IAA 1969 im Stadtverkehr

Während sich die Sommersonne verzieht, der Asphalt noch flimmert, leisten die Klappscheinwerfer des Mercedes C 111 den Lichtern der Großstadt Gesellschaft. Ausfahrt mit dem legendären Experimentalauto.

Mercedes C 111, Stuttgart, Cruising, Impression
Foto: Hans-Dieter Seufert

Sie, so um die 20, knapp 1,80 Meter, wallende Mähne, schmiegt sich mit ihren Idealmaßen eng an ihren Typen. Wir denken: Mann, bei dir läuft’s. Doch dann ruft uns der Kerl genau diesen Satz durch die kleinen Ausstellfenster zu. Und das, obwohl neben mir bloß Hans-Dieter Seufert, Fotograf, im Schalensitz klemmt. Deutlich über 20, unter 1,80, keine Mähne. Womit klar wäre: der Typ meint unseren Mercedes C 111-II. In psychedelischem Orange und selten wie eine blaue Mauritius. Einer von einst elf Exemplaren, die sonst nur im Museum oder in den Hinterköpfen aller Automobil-Aficionados wohnen.

Vergessene Concept Cars

Preis lässt sich nur schätzen

Doch an diesem sommerglühenden Freitagabend in der Stuttgarter City bekommt der Mercedes C 111 Ausgang. Darf raus, flanieren, Köpfe verdrehen, Augen aufreißen. Und wir? Fragen beantworten: „Hat der den Wankelmotor?“ Eigentlich ja, aber er hier ist ein wiederaufgebauter Versuchsträger mit V8. „Wie viel PS?“ 200. „Was kostet der?“ Kann man nicht kaufen, nur schätzen. Jeder C 111 ist quasi ein Einzelstück, es gibt keinen Markt, nie verließ einer die Daimler-Hände. Angeblich liegen seit den 70ern unberührte Blankoschecks von Scheichs im Untertürkheimer Safe. Also: siebenstellig sicherlich. Euro.

Was keinen verwundert. Ganz gleich, ob kleine Mädchen oder große Jungs – der Mercedes C 111 kriegt sie alle. Er hat das, wonach viele vergeblich trachten: Stil. Und dafür bekommt er Respekt. Nicht nur von der Tankstellen-Clique, die ansonsten eher mattschwarzen Gallardo oder Stealthgrauen Nissan GT-R applaudiert. Die vier Jungs sind höflich, fragen kompetent. Etwa, ob da unterm mattschwarzen Deckel und hinterm schwarzen Heckgitter der originale Vierscheiben-Wankel rotiert, und wie sich der Sport-Benz denn so fährt.

Überraschend unkompliziert. Der Einstieg durch die weit ins Dach ragenden Flügeltüren ist trotz hoher Bodenschweller einfach, sofern man seine Beine unters stämmige Limousinenlenkrad des Mercedes C 111 fädelt. Dann ist alles ganz leicht, der Innenraum menschenfreundlich arrangiert mit viel Schulterfreiheit und mehr Platz für die Beine als bei aktuellen Mittelmotorhelden wie Gallardo und Co. Herrlich klar gezeichnete Instrumente und die bei Mercedes damals üblichen Bedienelemente nehmen die Angst vorm ersten Mal, überdies bekämpft die Klimaanlage gemeinsam mit den Ausstellfenstern zuverlässig Schweißausbrüche.

Drin sind wir. Also Schlüssel rum und los. Erster Gang unten links, wogegen sich das Fünfganggetriebe manchmal sperrt, ansonsten: alles gut. Es spült den 1,3-Tonner flüssig voran, die Gänge klicken präzise, befehligt von der kleinen Alukugel am langen Stock. Sollten Sie beim Mercedes C 111 mal den Rückwärtsgang suchen – zum Entsperren einfach den kleinen Knopf in der Alukugel drücken. Die Kupplung arbeitet verlässlich und nicht allzu schwergängig, die Kugelumlauflenkung kalkulierbar, der Wendekreis ist kleiner als bei Mittelklasse-Limousinen. Sogar das nervige Hin- und Herfahren beim Fototermin im stickigen Talkessel meistert der Sport-Benz (mit 4,44 Metern lang wie ein Audi R8, aber 13 Zentimeter flacher) mit serienhaftem Gleichmut. Trotz 30 Grad Außentemperatur beim Heimspiel bleibt sein Kreislauf mit 100 Grad Wasser und Motoröl im grünen Bereich stabil, während ein hysterischer Lamborghini Murciélago nebenan verzweifelt seine Kühlluftkamine ausfährt.

Mercedes C 111 bietet alltagstauglichen 3,5-Liter-V8

Verzweiflung? Kein Thema beim Mercedes C 111, jener Mischung aus den schwäbischen Tugenden Pioniertum, Tüftlergeist und Bodenständigkeit. Damals, 1970, als die Ingenieure des Prototypenbaus einen handelsüblichen 3,5-Liter-V8 (Typ M116) in den C 111 implantierten. Er diente dem direkten Vergleich mit dem 350 PS starken Vierscheiben-Wankelmotor, jenem kultivierten, aber kapriziösen Zukunftsträger. Und der kurzhubige Alu-V8 im Zentrum des C 111 – trotz leichter Drehzahlkeller-Lethargie eher Flaneur denn Brandstifter – macht mit seinen 200 PS das Beste draus. Er schiebt gelassen an, arbeitet sich angemessen schwungvoll durchs Drehzahlband.

Wie üblich liefert er wegen seiner Zündfolge statt dunklen V8-Wummerns einen helleren, unspezifischen Sound. Immerhin reicht es, um das krächzende Becker-Europa-Radio im Mercedes C 111 zu übertönen. Womit sich der Dreifuffziger als unprätentiöser Gentleman-Sportler ohne hektische Ambitionen empfehlen könnte. Ruhender Pol in expressiver Hülle. Das wäre nicht nur 1970 der Knaller gewesen. Dennoch – es bleibt beim Versuch, letztlich killt der problematische Wankel das Projekt C 111.

Umso schöner, dass die Ingenieure des Prototypenbaus nun erneut einen M116 in ein Originalchassis von 1970 stecken und das Ganze auch noch so gekonnt abstimmen. Unser Mercedes C 111 ist kein aseptisch zu Tode restauriertes Schaustück, sondern authentisch, im besten Sinne erfahren. So, als ob er nur ein paar Jahrzehnte verschlafen hätte und jetzt frisch geweckt, voller Elan, das Bad in der Menge suchte.

Was wir dem Mercedes C 111 gern ermöglichen, so leicht, wie er es uns macht. Benahm sich die auf der IAA 1969 gezeigte erste Version mit hoch aufragendem Instrumententräger, kleinen Fenstern und geschlossenem Heckteil noch wenig zugänglich und nicht sehr übersichtlich, gibt sich Typ 2 unter anderem wegen der Ausschnitte in den seitlichen Dachverlängerungen regelrecht stadttauglich.

Nicht umsonst wünschte sich der Daimler-Vorstand beim Projektstart des Mercedes C 111 neben der Eignung als GT-Prototyp volle Alltagstauglichkeit. Für beides sorgte neben Projektleiter Hans Liebold unter anderem Rudolf Uhlenhaut, der bereits die Mercedes Silberpfeile an den Start gebracht hatte. Uhlenhaut, Leiter der Personenwagenentwicklung und begeisterter Rennfahrer – der, wenn es drauf ankam, sogar den hauptberuflichen Racern eine Kante in den Stolz fuhr – will das Potenzial von Wankelmotor und Schräglenker-Hinterachse aufzeigen. Schnell ist der Daimler-Vorstand überzeugt und eine Kunststoffkarosserie auf eine Stahlplattform gesetzt. Aber: Bereits die 280 PS der ersten Version mit Dreischeiben-Wankel genügen dazu, selbst harten Kerlen die Schräglenker-Hinterachse auszureden.

Mercedes C 111 mit aufwendigem Fahrwerk

Miserabler Geradeauslauf und Lastwechselempfindlichkeit bringen dem Mercedes C 111 daraufhin Doppelquerlenker vorn und eine Vierlenkerachse hinten (auf jeder Seite zwei Quer- und zwei Längslenker) ein. Was ebenso zur Fahrstabilität beiträgt wie die Kühlluftführungen auf der Fronthaube, die den Auftrieb um 20 Prozent verringern. Gemeinsam mit der nicht zu harten Fahrwerksabstimmung und der sauber ansprechenden Lenkung fährt der Mittelmotorwagen selbst nach heutigen Maßstäben passabel.
Allerdings genügt schon zartes Gaswegnehmen in der Kurve, um sich die Reaktionen bei drastischeren Fahrmanövern vorzustellen. Nicht zu vergessen die 14-zölligen Michelin-MXV-Reifen mit ihrem eher historischen Gripniveau.

Unsere Begeisterung schmälert das kein Stück. Verwachsen mit den zupackenden Schalensitzen, den Hintern knapp über dem Asphalt, gönnen wir uns noch eine fixe Runde zum Abschluss, dem Mercedes C 111 gefällt’s. Danach spielen nicht nur Mercedes-Freaks mit dem Gedanken, sich Bettwäsche aus dem zeitgenössischen Karomuster zu nähen, das neben den Sitzen auch die Türverkleidungen und den Dachhimmel tapeziert. Und wenn ich es mir genau überlege, der Typ von vorhin hat recht gehabt: Diese Nacht ist wirklich klasse gelaufen.

Technische Daten
Mercedes C 111/2
Außenmaße4440 x 1825 x 1120 mm
Höchstgeschwindigkeit300 km/h
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten