Mercedes-AMG Purespeed: 315 km/h ohne Scheibe

Mercedes-AMG Purespeed
So fährt der SL ohne Scheibe

Veröffentlicht am 26.06.2025

Fototermin in Parma: Wenige Stunden nach dem Start der Mille Miglia zur letzten Etappe nach Brescia laufen die Leute zusammen. Der AMG Purespeed steht im Zentrum: Dem der norditalienischen Stadt und der Aufmerksamkeit. Wer aus dem Purespeed steigt, wird automatisch für berühmt gehalten, einer verwechselt den am Auto posierenden Kollegen mit einem bekannten Rennfahrer.

Doch der Star ist das Auto, wir sind nur Journalisten. Seine Premiere hatte der Purespeed Anfang Dezember 2024 während des Formel-1-Grand-Prix in Abu Dhabi. Das passt, denn statt Scheibe und Dach spannt sich ein Halo-Bügel längs über die Passagiere. Der schützt im Ernstfall und erinnert an das seit 2018 in der Formel 1 präsente Element.

Kleinserie: AMG hat alle 250 Purespeed verkauft

Rund eine Million Euro kostet das Auto, wenn man das Motorsport Styling-Paket in rot-grauer-Lackierung nimmt. Und dafür haben sich rund 80 Prozent der Kunden entschieden, weiß Projektmanager Matthias Schmidt. Über 90 Prozent der Autos bleiben in Europa.

Die gesamte Kleinserie von 250 Exemplaren ist verkauft, noch nicht alle Käufer haben ihre Farbe gewählt. Kleine Entscheidungshilfe: In Mystic Silber Magno kostet der Purespeed rund 80.000 Euro weniger.

Die Differenz kommt daher, dass der Farbverlauf von Rot nach Grau in mehreren Schritten von Hand aufgetragen wird. Die Kleinserie entsteht bei Pininfarina, die Basis ist ein SL 63 AMG. Bei Regen schützt eine Stoff-Persenning das kristallweiß-schwarze Interieur.

So fährt der AMG Purespeed

Weil AMG den Entfall von Scheibe und Dach mit Verstrebungen am Unterboden kompensiert und der Halo-Bügel im Karosserie-Rohbau verankert ist, wiegt der Purespeed in etwa das Gleiche wie ein SL 63 AMG, also rund 1,9 Tonnen. Das bewährt sich beim Fahren, denn selbst auf üblen Straßen, wie sie im italienischen Hinterland auftreten können, knarzt und zittert nichts, die Karosserie wirkt solide wie ein Ziegelstein.

Der bekannte Vierliter-V8-Biturbo vom Typ M 177, Hinterradlenkung und ein vernetzter Fahrdynamikmanager sorgen dafür, dass der Fahrer das Gewicht schnell vergisst. Über den Drehschalter am Lenkrad ist der Fahrmodus schnell gewechselt. Die Fahrprogramme ändern die Einstellungen für Dämpfer, Gaspedal, Lenkung, Getriebe und Motorlager.

Top: Komfort und Agilität

Comfort serviert SL-Feeling ohne Härten, Sport bindet den Fahrer stärker ein. Sport+ und Race schärfen das Erlebnis weiter an. Zum zügigen Fahren auf Landstraßen passt jedoch Sport am besten: Die Lenkung meldet verbindlich zurück, der Komfort ist selbst auf schlechten Pisten erträglich, Kurven durcheilt der Purespeed zackig und stabil. Je nach Geschwindigkeit und Fahrsituation schlagen die Hinterräder bis zu 2,5 Grad gegensinnig zu den Vorderrädern ein und helfen dem Purespeed beim zackigen Hakenschlagen. Das gelingt alles sehr harmonisch. Bei höheren Geschwindigkeiten stabilisiert die Hinterachslenkung mit gleichsinnigem Einschlagen der Hinterräder von bis zu 0,7 Grad.

Der Biturbo begeistert mit wohligem Grollen, kräftigem Schub und guter Dosierbarkeit. Leistung ist jederzeit genügend vorhanden: 585 PS und 800 Newtonmeter leistet der Achtzylinder. In 3,6 Sekunden beschleunigt der Purespeed von null auf 100 km/h, läuft 315 km/h – die Werte sind die gleichen wie beim SL 63 AMG.

Gewaltiges Panorama ohne Scheibe

Das Erlebnis ist jedoch ein anderes: Ohne Scheibenrahmen ist das Panorama gewaltig. Jedoch nur nach vorn. Beim Blick nach hinten helfen nur Rückfahrkamera und zwei Außenspiegel. Einen Innenspiegel gibt es nicht, darin würde man auch nichts sehen, außer der beiden Überrollbügel. Die laufen in sogenannten Scoops aus, was AMG als Hommage an den 300 SLR sieht, mit dem Stirling Moss und Dennis Jenkinson im Mai 1955 die 1000 Meilen von Brescia nach Rom und zurück in rund 10 Stunden gefahren sind. Eine weitere Motorsport-Reminiszenz befindet sich vor den beiden Türen: Die weiße "10" ist die Startnummer von Christian Werner, der 1924 mit einem Mercedes die Targa Florio gewonnen hat.

Die Betriebsanleitung empfiehlt das Fahren mit Helm. AMG legt jedem Purespeed vorsorglich zwei Bell-Helme bei, die aerodynamisch und farblich auf das Auto abgestimmt sind. Per Intercom-System können sich Fahrer und Beifahrer miteinander unterhalten und ihre Telefone koppeln.

Intensives Erleben von Geschwindigkeit

Doch viel besser ist es, den Geschwindigkeitseindruck zu genießen und einfach zu fahren. Anders als auf dem Motorrad ist keine Schutzkleidung nötig – nur eine gute Sonnencreme. Bei höheren Autobahngeschwindigkeiten zerrt der Wind am Helm, Motorradfahrer kennen das. Die Performance-Schalensitze sind die gleichen wie im GT und auf das Tragen eines Helms abgestimmt.

Nur in wenigen Staaten zulässig

Nur in Europa, dem Nahen Osten und zwei Bundesstaaten der USA bekommen Autos ohne Frontscheibe eine Zulassung. AMG verkauft den Purespeed deshalb auch nur in Europa und im Nahen Osten.

Technische Daten
Mercedes AMG PureSpeed
Hubraum / Motor3982 cm³ / 8-Zylinder
Leistung430 kW / 585 PS bei 5500 U/min
Höchstgeschwindigkeit315 km/h
Verbrauch13,7 l/100 km