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Mercedes-AMG GLE 53 4matic+ Coupé
Wie fährt der 435 PS-SUV als Coupé?

Einfach nur die Dachlinie ummodellieren? Mercedes ging dem GLE noch weiter an die Substanz, um daraus eine neue Karosserievariante zu schneidern. Erste Fahrt im 435 PS starken AMG GLE 53 4matic+ Coupé.

Mercedes-AMG GLE 53 4matic+ Coupé, Exterieur
Foto: Jens Dralle

Es hätte einfach eine nicht enden wollende Lobhudelei auf die unerhörte Agilität des neuen Mercedes GLE Coupé im Allgemeinen, der AMG-Variante im Besonderen werden können. Doch dann das: Praktisch sei die neue Variante ja auch noch, immerhin läge die Ladekante um 59 Millimeter tiefer als die des Vorgängermodells.

Und der Laderaum selbst, meine Güte, mindestens 655 Liter fassend, auf bis zu 1.790 Liter erweiterbar, wer hätte das gedacht. Obendrein noch die praktische Dreiteilung der Lehne der Rücksitzbank, im Verhältnis 40:20:40. Zugegeben, nett ist das ja schon, ebenso die Ladelänge von knapp zwei Metern, doch jetzt kullert da hinten eine einsame Sporttaschen hilflos herum. Bestimmt hält Mercedes auch noch etwas zur Ladegutsicherung vor, doch kurvige Straßen warten und ums Fahren soll sich doch die Welt der Coupé-Kunden drehen, oder? Also schnell die Tasche hinter dem Beifahrersitz einklemmen, dann ab auf die Piste.

Unsere Highlights

Sportlich aber dezenter Klangteppich

Noch arbeitet der Antriebsstrang im Comfort-Modus, wobei der doppelt aufgeladene Reihensechszylinder-Benziner schnell einen hübschen Klangteppich klöppelt. Hitziges Auspuff-Gebrabbel? Nein, nicht jetzt, das mischt sich erst im insgesamt stark aufgeheizten Modus Sport+ darunter. Vielmehr klingt jetzt nicht ausschließlich die Abgasanlage mit ihren vier runden Endrohren, nein, sie fegt zusammen mit dem Dreiliter-Triebwerk durch das obere Spektrum der tiefen Frequenzen, steigert sich beim Ausdrehen über 6500/min bis in engagierte Heiserkeit – Sportmotor, eh klar, aber einer von der angenehmen Sorte. Es drängt sich also nicht auf, die zweite Klangstufe per Taste zu aktivieren, vor allem, weil diese sich dann aufdrängt.

Überhaupt nicht aufdringlich: Das Handling des 4,96 Meter langen Brockens, der über 2,3 Tonnen auf die Waage bringen soll – und bis zu 3,5 Tonnen ziehen darf, nur der Vollständigkeit wegen. Die AMG-Ingenieure verpassen dem 53er im Vergleich zu den Standard-Modellen eine Vorderachse mit um 20 Millimeter abgesenkten unteren Querlenkern und verzichten auf Elastomere, um eine direktere Anbindung an den Rohbau zu ermöglichen.

Mercedes-AMG GLE 53 4matic+ Coupé, Interieur
Jens Dralle
Die Beleuchtung ist Teil des Energizing Paket Plus.

Bemerkenswert: Alle GLE Coupé verfügen um einen sechs Zentimeter kürzeren Radstand im Vergleich zum konventionellen SUV. Dazu: Eine direktere Lenkung (16:1 statt 18,5:1) und um 20 Prozent höhere Federrate. Zum Produktionsstart hat die Luftfederung im 53er immer eine Wankstabilisierung, erst später lässt sich der AMG zu entsprechend günstigerem Preis auch ohne diese Option bestellen.

Luftfederung und Wankstabilisierung statt eActive Body Control

Die Besonderheit: Während sich die übrigen GLEs mit der so genannten eActive Body Control, einem aktiven Fahrwerk das mit der Luftfederung kooperiert, ausrüsten lassen, verzichtet AMG darauf. „Wir hätten die ohnehin komplexe Technik im Prinzip komplett neu auf unsere Bedürfnisse abstimmen müssen. Außerdem bringt die Technik vor allem im Offroad-Bereich Vorteile, die wir so nicht unbedingt benötigen“, erklärt Steffen Nowack, Entwicklungsingenieur bei Mercedes-AMG.

Stattdessen kommt neben der Luftfederung eben noch die erwähnte elektromechanische Wankstabilisierung zum Einsatz. Aufgrund der Einbindung ins 48 Volt-Bordnetz können die Stabilisatoren extrem schnell der jeweiligen Fahrsituation angepasst werden – aktuell sehr hilfreich, denn die Kurven schlängeln sich angemessen wüst vor dem Mercedes hangabwärts, dazu immer mal wieder leicht schmieriger Belag, wegen des Schmelzwassers über das nun die Kälte kriecht.

Nach ein bisschen herumprobieren kristallisieren sich der Sport-Modus für die Dämpfer, manuelle Gangwahl und Antrieb auf Comfort als ideale Kombination heraus, die Regelelektronik darf es auch eine Stufe lockerer angehen lassen, da agiert sie weniger bemutternd. Du sitzt auf einem üppig dimensionierten, vielfach einstellbaren und bequem gepolsterten Sitz, der ordentlichen Seitenhalt bietet, zudem ergonomisch optimal zum Lenkrad platziert wurde. Klar, alles im Hochparterre, aber kein Hocken auf dem Kutschbock. Vielmehr angemessen integriert.

Mercedes-AMG GLE 53 4matic+ Coupé, Exterieur
Jens Dralle
AMG-spezifische Kühlerverkleidung und Frontsplitter.

Jedenfalls findet sich so ein schöner Rhythmus, um die unterschiedlichen Radien abzuarbeiten, schnell, sicher, eine Idee zu kopflastig. Dazu geht dem Lenkgefühl die ansonsten markentypische Schärfe ab, was möglicherweise den montierten 21-Zoll-Winterreifen anzukreiden ist. Nicht, dass AMGs spitz anlenken, aber eben sehr verbindlich – und da schlufft der 53er jetzt ein bisschen. Aber hui, wie du mit dem Brocken über Land fegen kannst, da erschreckt sich schon mal die eine oder andere Schneewehe, die Langlaufloipen neben der Fahrbahn drohen, sich zu verbiegen.

Der Allradantrieb sorgt für geschickte Drehmomentsverteilung

Der elektronisch geregelte Allradantrieb scheucht das maximale Drehmoment des Motors von 520 Nm (ab 1.800/min) geschickt zu den Rädern, die Traktion gleicht in ihrer Höhe den umliegenden Gipfeln, speziell beim Herausbeschleunigen. Dann schalmeit das Sechszylinder-Triebwerk heiser seine Drehfreude in die Felsen, doch bald denkst du dir, dass einer dieser Mächtig-Wumms-aus-dem-Drehzahlkeller-Diesel besser passen würde, Kraft aus der Welle, statt Kraft auf dem Sturm.

Dabei macht der AMG-Motor alles richtig, schiebt mit dem elektrisch angetriebenen Verdichter wacker an, bevor dann der Abgasturbolader übernimmt. Bei hoher Leistungsabfrage liefert der Integrierte Startergenerator zusätzlich 22 PS und 250 Nm, allerdings nur kurzzeitig.

Mercedes-AMG GLE 53 4matic+ Coupé, Exterieur
Jens Dralle
Der GLE hat auch als Coupé einen hohen Nutzwert.

Das Neungang-Automatikgetriebe turnt derweil akrobatisch durch die Übersetzungen, wenn du es machen lässt. Übernimmst du selbst, reagiert es zackig auf Schaltbefehle. Mit Hilfe des gesamten Mild-Hybrid-Zaubers soll das Coupé in 5,3 Sekunden von Null auf 100 km/h stürmen und 9,3 L/100 km verbrauchen. Doch der AMG definiert sich vorrangig über sein Fahrverhalten, die unaufgeregte Agilität, die minimalen Aufbaubewegungen, die kommunikative Lenkung, die Präzision.

Der Antriebsstrang hingegen brüllt sich zuweilen durch diese entspannte Betriebsamkeit, platziert den 53er damit ein wenig zwischen den Stühlen. Ein Benziner? Mal unter uns Auto-Freaks: Gerne einen mächtigen V8. Ansonsten aber: Sechszylinder-Diesel, bitte. Gerne in Kombination mit dem fantastischen Fahrwerk, dass das Coupé deutlich enger an dich bindet als die Standard-Abstimmung mit der spürbaren Rollneigung. Und der Federungskomfort? Der geht in Ordnung, erst Querfugen oder Kanaldeckel bringen die Abstimmung leicht aus der Fassung. Und so wurde es doch noch eine Lobhudelei auf die Agilität des Mercedes-AMG GLE 53 Coupé. Aber eine, die an dieser Stelle endet.

Fazit

Die chirurgischen Eingriffe bei der Operation zum Coupé wirken außergewöhnlich umfangreich. Tatsächlich fährt sich der nochmals speziellere AMG auf eine natürliche Art agil, agiler als die zivileren Varianten. Zudem bietet der GLE auch als Coupé hohen Nutzwert. Ob das neue Derivat fahrdynamisch wirklich ein heißerer Feger als der Standard-SUV ist, lässt sich erst durch einen Vergleichstest herausfinden.

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