MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"26816190","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}

Mercedes-AMG EQE SUV
Ist das noch ein richtiger AMG?

Wirklich sportlich ist so ein 2,7-Tonner nicht. Andererseits: leiser, druckvoller und souveräner fährt praktisch kein Verbrenner.

Tusch, Fanfare, Wasserlanze. Wasserlanze? Zu der kommen wir gleich. Vorher: Bühne frei für den ersten AMG-SUV. Zumindest den ersten elektrischen: Bollerten die Affalterbacher Apparate früher gern mit gut eingeschenkten V8 umher, sirren sie nun lokal emissionsfrei mit ihren Elektromaschinen. Zwei pro EQE SUV. Beim 43 4Matic mit neu abgestimmter Stangenware und 476 PS, beim Topmodell 53 4 Matic+ standesgemäß mit AMG-speziellen Motoren. Angepasste Wicklungen und Blechstärken, höhere Ströme und ein angepasster Inverter steigern Drehzahl und Leistung auf maximal 687 PS.

Unsere Highlights

Sechsphasig und wassergekühlt

Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Erinnert schon ein wenig an die gute alte Zeit, als Melcher und Co in Affalterbach noch Zylinder aufbohrten, Nocken schliffen und an Ventilen feilten. Die Plakette mit den Insignien auf der Karosse des AMG EQE SUV erinnert daran. Unter der es technisch ausgefuchst abgeht. So steckt an der Hinterachse eine besonders kräftige, sechsphasig ausgelegte Maschine, während sich ein aufwendiges Thermokonzept um standfeste E-Performance kümmert. Dazu zählt die bereits erwähnte Wasserlanze in der Welle des Rotors, sowie Rippen am Stator und eine spezielle Struktur am Inverter. Ein Getriebeöl-Wärmetauscher kühlt oder wärmt dieses nach Bedarf.

2,7-Tonnen-Dino mit Dynamic Plus-Paket

Zeit, den Kreislauf mal auf Trab zu bringen – unseren und den des AMG. Schließlich soll der dank aufwendigem Fahrwerk nicht nur flüssig fahren, sondern auch markenadäquat beschleunigen. Wie früher auf Wunsch mit akustischem Rabatz, wofür sie extra Lautsprecher, Bassaktuator und Soundgenerator in den EQE pflanzen, um innen und außen akustische Tradition neu zu interpretieren. Na, irgendwo müssen die 2,7 Tonnen des Elektro-Dinos ja herkommen. Doch damit keine Traurigkeit hinterm Nappalenkrad aufkommt, wuchten die beiden permanent erregten Synchronmaschinen des eATS-Antriebsstranges den 4,86 Meter-Klops in 3,5 Sekunden auf 100. Zumindest dann, wenn das AMG Dynamic Plus Paket an Bord ist sowie Antriebstrang-Temperatur und Ladezustand passen.

Beschleunigen. Schnell. Aber langweilig

So wie früher, wenn man vor dem Posing-Sprint erstmal den Tankinhalt checken musste. Unter halbvoll lief nix. Kleiner Scherz. Heute muss es jedenfalls auch der Batterie gut gehen, damit die Power-Chose flutscht. Dazu fließt Kühlmittel durch die Aluminium-Strangprofile Batterierahmens. Eine serienmäßige Wärmepumpe steigert dabei die Effizient des Gesamtsystems. Doch jetzt gilt es erstmal. Race-Start im Boost-Mode. Sport Plus wählen, linker Fuß auf die Bremse, rechter mit Pedal ans Blech und ab. Vorher flattern die Gurte, vibriert das Auto, wummert der E-Bass und dann: Hui. Schneller Vorlauf mit angespannten Nackenmuskeln. Großartig. Einmal. Zweimal. Vielleicht dreimal. Und dann? Wird es irgendwie fad.

Immerhin wird der AMG an sich von der Sprinterei nicht müde, beweist, dass die Sache mit der Temperierung funktioniert. Aber ums pure Sprinten geht es doch eh nur zweitrangig an Bord des AMG SUV. Er soll primär Komfort und Dynamik verbinden, Geld verdienen. Menschen in aller Welt dazu bringen, über 139.000 Euro für den in Tuscaloosa/USA produzierten Fünfsitzer auszugeben. Vom Klima-Retten sprechen wir jetzt besser nicht, dafür würde sich gesamtbilanziell manch anderes Auto besser eignen. Aber egal. Fakt ist: Mehr Komfort als der AMG EQE SUV bekommen hingegen nur wenige hin. Luftfederung, Adaptivdämpfer (Druck- und Zugstufe getrennt geregelt) und in diesem Fall elektrisch betriebene Stabilisatoren abstimmen, das können sie bei Mercedes/AMG.

Moppelig. Aber recht agil

Sicher, beim Elektro-Erstling EQC (einem umgebauten GLC) fiel das Setting noch etwas nachgiebig aus, der EQE SUV federt und dämpft gekonnt und sportiv. Er filtert Unebenheiten ziemlich sorgsam, wiegt längere Wellen ordentlich aus und hält die Karosserie unter anderem mit der Macht seiner 48 Volt-Stabis konsequent ruhig. Diese Stabis nötigen dem SUV drei Bordnetze ab, neben 12 und 400 kommt hier noch das in 48 Volt dazu. Doch es lohnt sich handlingseitig. Zumal in Kombination mit der serienmäßigen Allradlenkung, die dank neun Grad Winkel an der Hinterachse gehörig zur Wendigkeit bis 60 und zur Stabilität darüber beiträgt. So wendet der Apparat mit einem Kreis von unter elf Metern. Oder liefert ein im Verhältnis zum moppeligen Gewicht brauchbares Handling. Wozu die Vierlenker Vorder- die Multilenker-Hinterachse sowie die Stabilisatoren, für die sie sogar die Struktur des Heckbereichs veränderten, ihren Teil beitragen. Die Lenkung an sich spricht aus der Mittellage spontan und sensibel an, liefert straffe Transparenz bei hoher Agilität, ohne jemals nervös zu wirken. Souverän und angenehm, das Ganze. Passend zum fetten Punch des EQE-Topmodells. Beim Herausbeschleunigen vollstreckt der 53 dank der beiden schnell und fein regelbaren E-Maschinen ebenso vehement wie handlingfördernd, spricht ansonsten fein an, lässt seine Kraft gut dosieren.

Geregelt und überblendet

Kraft, die hat er. Einfach mal zwischendurch zum Beifahrer rübergucken und trocken sagen: "Maximal 1000 Newtonmeter im Boost, Drehmomentcheck 160-mal pro Sekunde, vollvariable Verteilung." Wenn er nicht reagiert – einfach voll Beschleunigen (wie gesagt, dreifünf) oder voll auf die Bremse. Zum dynamischen Aufwecken. Verzögert wird per großer Stahlbremse oder noch größerer Keramik, die vorne in 440er-Scheiben beißt. Bremspedalgefühl? Nun ja, wenn auch deutlich transparenter und fester als bei den Daimlers ohne AMG-Behandlung. Und die Wirkung? Oha. Nebenbei gilt es für den sogenannten iBooster noch, die Rekuperation von bis zu 3m/s2 mit der konventionellen Bremse zu verquicken, zu überblenden. Im normalen Leben genügt meist die Rekuperation per E-Maschine, die beim Verzögern Energie zurück in den Akku schickt.

Hyperscreen und Pouchzelle

Dazu stellt der AMG drei Stufen parat, die vom freien Rollen bis zum One-Pedal-Fahren mit bis zu 5m/s2-Verzögerung reicht. Im Extremfall wirft der AMG dann heftig den Anker, unterstützt von speziell entwickelten Michelin Pilot Sport EV MO1 in 21 oder 22 Zoll. Für einen kurzen Moment wenden dann sogar Bildschirmjunkies ihren Blick vom separaten Display ab, das ihnen auf dem optionalen Hyperscreen ein eigenständiges, für den Fahrer nicht sichtbares Programm bietet. Hach, was waren das noch für Zeiten, an denen Fahrer und Beifahrer sich am Portfolio personalisierter Echtzeit-Interaktionen wie "Gespräch" oder "Unterhaltung" ergötzten. Aber vergessen wir früher und kommen direkt zum Akku. Fast 91 kWh Nettokapazität bunkert er in seinen 360 beutelartigen Pouchzellen mit hoher Energiedichte, beim 53er zudem mit speziellem Management und Leitungssatz versehen. Früher gab es einen dicken Auspuff, heute dicke Kabel. Und Nachhaltigkeit, denn sie haben den Anteil des unter nicht immer publikumswirksamen Bedingungen geförderten Kobalt auf ein Zehntel verringert.

Heißgeprägt und schnell geladen

Am Schnelllader labt sich der EQE mit bis zu 170 kW, an Wallboxen mit bis zu 22 kW, vorausschauende Routenplanung und Vorkonditionierung helfen beim Reisen, die optionale Dolby Atmos-Musikanlage unterhält beim Fahren und Pausieren mit überragender Räumlichkeit. Was vergessen? Okay: der Hyperscreen ist bekannt, die Sportsitze sind bequem, die Ergonomie passt, das Platzangebot vorn wie hinten fällt bis hin zur Fond-Beinfreiheit ordentlich, der Gepäckraum (520 bis 1.675 Liter) familientauglich, die Optik mit der heißgeprägten vertikalen Chromstreben in der Frontverkleidung gewünscht AMG-mäßig aus. Und auch wenn wir es im sonnigen Kalifornien nicht testen konnten: Das serienmäßige Digitallicht leuchtet die Fahrbahn sorgsam aus und informiert bei Bedarf animativ.

Umfrage
Hattet ihr in einem Elektroauto schon einmal Reichweitenangst?
3758 Mal abgestimmt
Ja, es war schon einmal richtig knapp
Nein, bisher habe ich immer ohne Probleme mein Ziel erreicht

Fazit

Jetzt geht es Schlag auf Schlag. EQE, EQS, SUV, AMG. Für viel Geld gibt es viel Komfort, Handling, Leistung. Doch es bleibt die Frage: Wozu? Denn wirklich sportlich ist so ein 2,7-Tonner nicht, nachhaltig auch nur, wenn man sich die ganze Sache ein wenig schönredet. Andererseits: leiser, druckvoller und souveräner fährt praktisch kein Verbrenner. Lokal emissionsfrei eh nicht. Deswegen: Erlaubt ist was gefällt. Und da kommt der EQE dem richtigen Leben vermutlich deutlich näher als sein Maxi-Bruder EQS SUV, der in Kürze ebenfalls mit AMG-Label erscheint.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 15 / 2024

Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten