MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"6554477","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}

Fahrbericht Land Rover Bowler EXR-S
Der Schlaglochfresser

Frei von jeglicher britischer Distinguiertheit toben bereits seit 1985 von Bowler umgebaute Land Rover-Modelle durch das Unterholz der Welt – und ab jetzt auch über die Straßen, sogar in Kooperation mit dem Hersteller.

Land Rover Bowler EXR-S, Frontansicht
Foto: Hersteller

Iwan Petrowitsch Pawlow starb zwar zwölf Jahre bevor der erste Land Rover über die Insel pröttelte – obendrein im fernen Leningrad -, doch seine behavioristische Lerntheorie greift nicht nur bei Hunden, sondern auch bei Fans dieser Marke. Jahrelange Konditionierung lässt sie bereits beim Anblick des Markenlogos nicht nur nach den Hunter-Gummistiefeln greifen, sondern sie zugleich die maßgeschneiderte Steppjacke überwerfen und glauben, edles Leder riechen zu können – und just in jene herzige Szenerie donnert nun der Land Rover Bowler EXR-S.

Tief sitzt der Fahrer in dem 4,40 Meter kurzen Zweitürer, der einst ein Range Rover Sport war. Vor ihm baut sich der bekannte Armaturenträger auf, die Motorhaube verschwindet kurz vorm Horizont. Sparco-Schalensitze kneifen in die Flanken, der Verschluss der Vierpunktgurte drückt in den Unterbauch. Immerhin gesteht ihm Bowler eine Klimaautomatik zu.

Jedwede Form von Dämmmaterial halten die Rally-Raid-Spezialisten offenbar für bourgeoisen Tand, denn bereits im Stand klingt das Kompressor-Triebwerk des Land Rover Bowler EXR-S mehr nach einem zünftigen Rave als nach einem großvolumigen V8 mit feinen Manieren.

Range Rover-Fragmente im Land Rover Bowler EXR-S

Was überhaupt noch vom Basismodell übrig blieb? Gar nicht mal so viel. Die Längsträger, immerhin, wenn auch verkürzt. Und der Antriebsstrang. Der Rest besteht im Wesentlichen aus einem für den Motorsport homologierten Überrollkäfig – nur für den Fall, dass sich dem Eigner des Land Rover Bowler EXR-S auf dem Weg zum Bio-Supermarkt eine Offroad-Rallye in den Weg wirft. Um dabei möglichst auf dem Stockerl zu landen, sollte vorher die Frage nach der idealen Konfiguration des Doppelquerlenker-Fahrwerks geklärt werden.

Für den Straßeneinsatz rüstet Bowler den EXR-S mit Bilstein-Dämpfern und Eibach-Federn aus, um ein möglichst direktes Einlenk- und neutrales Eigenlenkverhalten zu generieren. Da auf losem Untergrund allzuviel Direktheit in ein zu unruhiges Fahrverhalten mündet und somit eher kontraproduktiv wirkt, stehen dreifach verstellbare Donerre-Dämpfer mit externem Hydraulik-Speicher zur Wahl.

Passend dazu: optional 18-Zoll-Offroad-Reifen von Kumho statt der 22-Zoll-Asphalt-Walzen, um die Kaffeebohnen direkt vom Erzeuger in – sagen wir mal – den Hochlagen Kolumbiens praktisch auf dem Weg zur Arbeit abholen zu können. Damit das auch wirklich nicht zu lange dauert, speckte das Basismodell zugunsten eines besseren Leistungsgewichts um satte 27,6 Prozent ab. Gut, selbst dann bleiben noch immer knapp 1,9 Tonnen übrig, aber immerhin. Das 557 PS starke Triebwerk des Land Rover Bowler EXR-S wandert um 30 Zentimeter in Richtung Cockpit. Das Ergebnis: eine Gewichtsverteilung von 56 zu 44 Prozent – und versetzte Pedale.

Bowler EXR-S kennt keine Lärmdämmung

Das bekommt das Serienmodell zwar auch hin, weil es eben deutlich mehr Luxus und somit Gewicht auf der Hinterachse mit sich herumschleppt. Was die Basis nicht kann: in 4,2 Sekunden von null auf 100 km/h feuern – behauptet Bowler. Tatsächlich tobt der Offroader blechern brüllend los, tänzelt ein wenig, bis der elektronisch geregelte Allradantrieb das maximale Drehmoment von 625 Newtonmetern sinnvoll über die drei Differenziale an alle Räder verteilt bekommt. Die ZF-Automatik hangelt sich derweil schnell, jedoch – was Wunder – nicht besonders sanft durch ihre sechs Stufen, der Lärm des Land Rover Bowler EXR-S erreicht inzwischen den Pegel einer Show der Brachial-Elektroniker von Scooter.

Im Vergleich zur gewiss nicht langsamen Basis fühlt sich der weitgehend in Twintex- und BPS-Kunststoff gewandete Bowler EXR-S an, als sei er – na, eben um 27,6 Prozent leichter.

Szenenwechsel: Cockpit Wettbewerbs-Auto aus dem Vorjahr, mit V8-Saugmotor und Schaltgetriebe. Auf Anweisung des Beifahrers dürfen einige Ecken, aus denen bedrohlich Betonfragmente aus der Fahrbahn ragen ragen, geschnitten werden, was das massive Chassis überhaupt nicht interessiert. Stöße im Lenkrad? War da was?

Die Steuerungs-Funktion übernimmt von Runde zu Runde ohnehin immer mehr das Gaspedal – so fegt der Land Rover Bowler EXR-S leicht schwänzelnd, dennoch präzise über den matschigen Rundkurs, nimmt Kuppen volley und enge Kehren quer. Eine gute Grundlage für die Straßenversion also, deren Prototypen-Status solche Exzesse derzeit noch verbietet. Und wer weiß, vielleicht greifen Land Rover-Fans beim Klang des Markennamens künftig zu schmalen Renn-Sneakers statt zu Gummistiefeln – frei nach Pawlow.

Wer oder was ist Bowler?

Am Anfang war der Defender – wie bei Land Rover selbst begann 1985 auch bei Bowler die Fahrzeugproduktion mit dem britischsten aller Geländewagen, allerdings mit bis zu fünf Liter großen V8-Motoren. Der Wildcat und dessen Nachfolger Tomcat wühlen sich bis heute durch diverse Rally-Raid-Veranstaltungen, obwohl bereits 2006 der Nemesis auf Range Rover Sport-Basis an den Start ging. Auf ihn folgte 2012 der EXR, angetrieben nach FIA-Regularien von einem Saugmotor mit 4,6 Liter Hubraum. Von ihm leitet sich nun die Straßenvariante ab, deren Chassis dem des Wettbewerbs-Bowler entspricht.

Künftig sollen die zehn Mitarbeiter am Firmensitz in Hazelwood, Derbyshire rund 50 Fahrzeuge bauen. Bowler gehört inzwischen zum britischen Karosseriebauer CPP, der auf Prototypen und Kleinserien spezialisiert ist. Unter anderem entstanden bei CPP die Spyker-Sportwagen. Die Geschäfte führt der ehemalige Land Rover-Chefentwickler Steve Haywood, Drew Bowler verantwortet die Motorsport-Aktivitäten.

Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 15 / 2024

Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten