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Kei-Cars in Japan
Zwergautos für Europäer?

Wieder etwas gelernt: Strenge gesetzliche Vorgaben bedingen die Ausmaße und Leistung der kleinen Kei-Cars, nicht etwa überdimensionale Waschmaschinen. Wie fühlt sich der Europäer darin, vor allem, wenn der Tokioter Stadtverkehr droht? Eine kleine Rundfahrt mit Daihatsu Copen und Suzuki Hustler.

Daihatsu Copen Robe, Suzuki Hustler X Turbo 4WD, Frontansicht
Foto: Arturo Rivas

Es ist ein schönes Gefühl, Menschen erheitern zu können. Der eine oder andere Passant in Tokio jedenfalls bleibt stehen, lacht ungeniert, grinst zumindest verschämt, als er sieht, wie ein Europäer versucht, sich in den Daihatsu Copen zu falten. Gut, wir amüsieren uns ja auch, wenn ein Japaner im Wirtshaus hinter der bestellten Schweinshaxe verschwindet. Doch der Copen findet selbst ohne Fahrer Zustimmung, ebenso wie der Suzuki Hustler, der sich deutlich leichter entern lässt, obwohl er ebenfalls als Kei-Car homologiert ist. Das bedeutet: kürzer als 3,40 Meter, schmaler als 1,40 Meter, niedriger als zwei Meter, schwächer als 64 PS und weniger als 660 cm³ Hubraum. Dann vergibt die japanische Zulassungsjury zwar keine Bilder, aber gelbe Kennzeichen. Diese bedingen wiederum finanzielle Vergünstigungen, auch der in weiten Landesteilen erforderliche Nachweis eines geeigneten Parkraums entfällt.

Viele Komfort-Extras im Suzuki Hustler

In der Nachkriegszeit erdachte sich die Regierung dieses Fahrzeugsegment, um die Massenmotorisierung anzukurbeln. Heute sind die Winzlinge so etwas wie automobiles Kulturgut und zugleich Spielwiese für die Hersteller. Apropos: Der im Hustler üppig verlegte Flokati wirkt schon ein wenig wie eine Requisite aus dem gleichnamigen Herrenmagazin, die zudem wunderbar mit den weiß lackierten Interieurleisten und der quietschblauen Lackierung, hm, kontrastiert. Und obwohl spärlich in Abmessungen und Leistung, steckt der Suzuki, der mit dem großen H auf der Heckklappe sich mutig über das US-Geländemonster Hummer lustig macht, voll mit Komfort-Extras und moderner Technik: Kollisionswarner, Klimaautomatik, Navigationssystem, Licht- und Regensensor – nicht schlecht, die Wartezeit beträgt aktuell übrigens drei Monate.

Viel wichtiger: Wer den Einkaufskorb, der sich unter der Beifahrer-Sitzfläche versteckt, herausnimmt, findet eine Lithium-Ionen-Batterie. Sie ermöglicht die Nutzung der Bremsenergie und speist damit unter anderem ein Start-Stopp-System, das den Motor bereits beim Ausrollen vor einer Ampel sanft abdreht. Ach ja, der Motor. Überraschenderweise zuzelt er aus 658 cm³ exakt 64 PS, benötigt dafür drei Zylinder und einen Turbolader. Das maximale Drehmoment beträgt wackere 95 Newtonmeter, das bei 3.000 Umdrehungen anliegt und das der Testwagen sicherheitshalber an alle vier Räder verteilt, man weiß ja nie.

Trickreiches Hustler-Automatikgetriebe

Nur kurz holt der Suzuki Hustler Luft, niest dann seine Leistung aus den drei Töpfen, heult laut auf, weil, na ja, weil die Kraftübertragung von einer stufenlosen Automatik übernommen wird. Da deren Kegelräder, zwischen denen das Schubgliederband läuft, bauartbedingt klein ausfallen müssen, hat sich Zulieferer Jotca eine Art Nebengetriebe einfallen lassen, das die Spreizung der Übersetzung vergrößert.

Was das bringt? Einen niedrigeren Verbrauch, behauptet der Hersteller, doch bei Temperaturen von bis zu 40 Grad und Dampfbad-ähnlicher Luftfeuchtigkeit hat es sich eh mit dem Verbrauch. Der Antrieb scheint davon unbeeindruckt, denn der laut Hersteller 870 Kilogramm schwere Hustler hetzt flink durch den Verkehr, knurrt dreizylindrig, stolpert gelegentlich etwas unbeholfen über Bodenwellen – und stört sich überhaupt nicht an den schmalen Sträßchen wie beispielsweise der Tokaido.

Der ehemalige Fußweg von Tokio nach Osaka – dort musste man als gläubiger Japaner einmal im Leben hin, um zu beten – zählt dazu, eine Einbahnstraße, wohl aber nicht für Fahrradfahrer. An einem kleinen Schrein rasteten einst die Pilger, damals, in der Edo-Zeit, Anfang des 17. Jahrhunderts, weitere 53 Tage Marsch lagen vor ihnen. Aus dem 1,67 Meter hohen Suzuki Hustler heraus lässt sich Tokio jedenfalls prima bewundern, denn die Rundumsicht könnte in einer rollenden Glasvitrine kaum besser sein. Die Sitze überlassen Seitenhalt lieber den Barhockern in den Kneipen Shinjukus, sind dafür bequem und auch hinten verschiebbar. Das erhöht die Bewegungsfreiheit für Mitreisende erheblich, ohne den Kofferraum erheblich zu verkleinern, denn der fasst ohnehin nicht mehr als eine Yogamatte. Auf große Reise dürfte ohnehin kaum jemand mit dem Suzuki Hustler wollen, er zeigt lieber in der Stadt Größe.

Und mit dem Daihatsu Copen? Ja, damit wäre ein launiger Wochenendtrip aufs Land schon reizvoller, wenngleich dann auch nur wenig Gepäck mitdürfte, eine Kulturvortäuschungstasche beispielsweise, zumindest bei geöffnetem Hardtop. Innerhalb von paarundzwanzig Sekunden, nach dem Entriegeln der beiden Hebel am Windschutzscheiben-Rahmen, liegt es im Kofferraum – und erweitert so den potenziellen Kundenkreis um Menschen über 1,85 Meter Körpergröße. Seine Ausstattung reduziert sich auf das Vorhandensein ordentlicher Sitze, das Nichtvorhandensein des optionalen CVT-Getriebes – was ein Glück! –, einer Klimaautomatik und Sitzheizung.

Kein Infotainment im Daihatsu Copen

Kein Navi, noch nicht einmal ein Radio übersüßen die Freude am Roadster, der 3,40-Meter-Zwerg ist genau richtig gewürzt. Klar, beides findet sich im Zubehörprospekt, es wird umständlich auf die Mittelkonsole geschraubt. Sogar eine Rückfahrkamera wäre möglich, vermutlich für Käufer, die schon ihr Fahrrad mit einem Parkpiepser ausrüsten. Wie beim Suzuki geht auch das Daihatsu-Triebwerk an die Grenzen, an jene des Kei-Car-Reglements nämlich. Da der Daihatsu Copen über einen Drehzahlmesser verfügt – der Hustler nicht –, folgt also nun die Information, wann etwas los ist unter der Haube: unter 2.000/min so gut wie nichts, dann einiges, und zwar bis 7.500 Umdrehungen. Dabei prustet das Aggregat munter aus zwei glänzenden, stattlichen Edelstahl-Endschalldämpfern, die Tonlage variiert dabei um die Grundstufe „dumpf“ – so einfach geht also Fahrspaß, beinahe hätten wir es vergessen.

Der Daihatsu Copen wiegt 850 Kilogramm

Der schwere Fahrtwind rauscht durch das Cockpit, der Hintern rutscht über den Asphalt, die rechte, äh, nein, linke Hand fällt gerne auf den Schalthebel, wo doch die fünf Gänge so herrlich eng beieinanderliegen, manchmal aber nur kratzig einrasten – was soll’s. Die tiefe Sitzposition: großartig! Jetzt wirken die Wolkenkratzer noch mächtiger, und wenn der Daihatsu Copen unter den mehrstöckigen Stadtautobahnen durchhuscht, dann zieht man hinterm Steuer ob der bedrohlichen Betonmonster den Kopf ein. Ein bisschen fürchtet sich auch der Roadster, zittert, bei 850 Kilogramm Gewicht können vermutlich nicht allzu viele Versteifungen im Chassis stecken.

Dafür biegt er fast rechtwinklig ab, wirkt so wie ein Gute-Laune-Drops auf vier Rädern. Umgerechnet knapp über 13.000 Euro kostet die Gaudi in Japan, für den Vorgänger des Copen musste Daihatsu hierzulande weit über 17.000 Euro verlangen, was seine Verbreitung in engen Grenzen hielt. Nach Europa kommen weder der Daihatsu Copen noch der Suzuki Hustler, sie sind zu speziell, vielleicht auch ein bisschen zu japanisch. Schade, würden sie doch bestimmt einige Menschen erheitern.

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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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