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Inselfahrt mit dem DKW-Elektrowagen
Geretteter E-Transporter

Entschleunigung auf der Nordsee-Insel Wangerooge: Früher waren dort DKW-Elektrowagen die einzigen Autos. Heinrich Lingner ging mit dem Oldie auf Watt-Fahrt.

DKW-Schnelllaster, Wangerooge, Impression, Elektroauto
Foto: Stefan Warter

Wenn man jetzt hier Motoren lärmen hörte, wären es wahrscheinlich die beiden Lycoming-Sechszylinder-Boxer der Britten-Norman Islander, mit der man in fünf Minuten von Harlesiel durch die Luft übers Wattenmeer inselhoppen kann. Autos sind hier verboten, nur ein einsamer VW T5 führt ein gelangweiltes Krankenwagen-Dasein. Warum ich auf so einer Insel bin und dennoch Auto fahre? Weil ich es darf! Ausnahmsweise, mit Sondergenehmigung der Inselverwaltung – und weil es ein Elektroauto ist.

Unsere Highlights

DKW-Elektrowagen mit 40 km/h in der Spitze

Der DKW-Elektrowagen kommt frisch aus der Restaurierungswerkstatt, riecht noch ein wenig nach gerade erst getrocknetem Lack und kein bisschen nach Benzin. Oder Zweitaktgemisch. Denn seine normalen Verwandten sind die DKW-Schnelllaster der frühen 50er-Jahre, die mit 20 PS und Zweizylinder-Zweitakter mithalfen, das Wirtschaftswunder anzuschieben. Klingt heute lustig, doch die kleinen Transporter waren die ersten Auto-Union-Fahrzeuge aus Ingolstadt und gehören zum Gründungsmythos der heutigen Marke Audi. Doch das erzähle ich ein anderes Mal genauer.

Jetzt muss ich erst mal lernen, den DKW Elektro-Schnelllaster zu fahren. Wobei "schnell" ein sehr großes Wort ist für einen Transporter, der mit Batterien und ohne mich um die 1.800 kg wiegt und von einem 5 kW starken Gleichstrommotor angetrieben wird.

25 km/h Marschgeschwindigkeit, Spitze um die 40, sagt Ralf Hornung von der Audi-Traditionsabteilung. Das Original von 1956 hatte gar kein Fahrpedal; eine stufenlose, verlustarme Leistungsregelung war damals zu aufwendig und zu teuer. Daher diente ein kleiner Hebel an der Lenksäule als vierstufige Geschwindigkeitsregelung, Stufe eins für langsam, Stufe zwei für etwas schneller, und so weiter.

Promenaden-Testfahrt

Den Hebel könne ich vergessen, sagt Ralf. Der DKW-Elektrowagen hat neben dem Bremspedal ein ganz normales Gaspedal aus einem Zweitakt-Schnelllaster. Das sei alles, schließt er seine Erklärung ab. Gas geben und bremsen, und die Fahrtrichtung wird mit einem Hebel links vom Lenkrad gewählt. Eine Kupplung und ein konventionelles Getriebe hat der DKW nicht, nur ein Differenzial sowie einen Antriebsstrang aus Stirnrädern und einer gekapselten Duplexkette.

"Okay", sage ich, Ralf steigt aus, und ich probiere zuerst den Hebel, in der Bedienungsanleitung Fahrtrichtungsschalter genannt, von Vorwärts- auf Rückwärtsfahrt umzuwuchten. Der federbelastete Schalter macht plonk und schnappt nach rechts. Vorsichtig gebe ich per Fahrpedal ein paar Ampere auf die Erregerwicklungen, ruckfrei und sanft fährt der DKW-Elektrowagen an.

Kein Mensch ist jetzt auf der Promenade unterwegs, es ist früh am Morgen und die Badesaison seit Monaten vorbei. Der DKW-Elektrowagen und ich surren runter zum Strand, die verlassenen Strandkörbe werfen eckige Schatten auf den Sand. Eine Betonfahrspur für Versorgungsfahrzeuge führt am Strand entlang, mit 1,30 Meter Spurbreite ist der kleine Transporter wie geschaffen für diesen Weg. Wenig später rollen wir durchs Dorf, Fußgänger sind hier unterwegs, viele mit Bollerwagen, Fahrrädern, Kindern und Hunden – Wochenendurlauber und solche, die sich nicht an Schulferienzeiten halten.

Der E-Schnelllaster fällt auf

Der DKW-Elektrowagen ist das einzige Auto hier, er fällt auf wie ein Lamborghini Aventador vor der Dorfdisco. Nach 50 Metern werde ich angesprochen: So einen habe der Bäcker Bolte früher zum Brötchenausfahren gehabt, sagt ein Einheimischer durchs Fenster, als ich an einer Kreuzung ohne sichtbare Vorfahrtsregelung die Fußgänger passieren lasse.

Die Bäckerei gibt es immer noch, wir nehmen einen Latte to go und einen Apfelberliner vom Format und Kaloriengehalt einer mittleren Familienpizza. Drei DKW-Elektrowagen gab es auf Wangerooge, sie fuhren jahrzehntelang. Einer wurde gerettet und diente zusammen mit einem anderen Überlebenden, der bei RWE in Essen im Einsatz war, als Basis für diese Restaurierung.

DKW-Elektrowagen mit 210 Ampere Tagesverbrauch

Ein Markterfolg war der DKW-Elektrowagen nicht, nur etwa 100 Exemplare wurden gebaut, die Einsatzzwecke waren wohl doch zu rar und der Wagen zu teuer. Ohne Batterien kostete er 8.000 Mark, so viel wie einer mit Zweitakter. 4.100 Mark waren zudem für die Batterien zu entrichten, weitere 1.500 für das Ladegerät. Für einen Tag auf der Insel reichen die insgesamt 210 Ampere der Batteriepacks im Wagenboden auch heute noch aus, Steigungen gibt es keine, und schneller als 35 km/h werden wir praktisch nie. Selbst auf dem Weg zum Leuchtturm am Westzipfel nicht, der längsten Straße der Insel. Bis dahin kamen früher die Elektrolaster.

Am Ende des Tages sind noch ein paar Ampere für die Fahrt zur Ladestation übrig. Ich ziehe die Parkbremse und entrolle das Ladekabel. Draußen ist es still, die Strandkörbe werfen längere Schatten. Über mir dröhnen Motoren, die Britten hoppt gerade wieder übers Watt aufs Festland. Stau gibt es auf Wangerooge übrigens höchstens mal am Kinoschalter oder an den Eisständen. Nie auf der Straße – die Insel ist einfach eine andere Welt.

Historie

Nur 100 DKW-E-Transporter wurden ab 1955 gebaut, drei für die Insel.

Drei DKW-Elektrowagen dienten bis in die 80er-Jahre auf der autofreien Insel Wangerooge. 100 Exemplare baute die Auto Union für verschiedene Abnehmer wie Batteriehersteller, Stromkonzerne oder Inselhotels. Heute gibt es vermutlich noch zwei Autos, eines im Museum sowie das Auto auf diesen Seiten.

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Erscheinungsdatum 12.09.2024

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