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Fahrbericht neuer Ferrari 812 Superfast (2017)
Den kann wirklich jeder fahren

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800 PS, 718 Nm, 340 km/h, 0 bis 200 in 7,9, der neue Ferrari 812 Superfast spart nicht mit Superlativen. Doch wie fährt sich der Nachfolger des F12?

Ferrari 812 Superfast im Fahrbericht, V12, Saugmotor
Foto: Dino Eisele

Es sei, sagt Ferrari-Designchef Flavio Manzoni, ganz bewusst kein Metallic-Lack, dieses Rot, das zur Feier des 70. Ferrari-Geburtstags erfunden wurde. Die Inspiration komme vom Rosso Corsa früherer Jahre. Du verstehst, was er meint, wenn der 812 Superfast im Metallic-losen Rosso Settanta Anni im Schatten des Palazzo Ducale von Sassuolo vor dir steht. Der Glanz ist tiefer und intensiver, wird leuchtender und heller, wenn die untergehende Sonne drüberstreichelt.

Unsere Highlights

Sassuolo ist nur ein paar Kilometer von Maranello entfernt, und obwohl sich die Sonne bereits über die Berge im Westen davongemacht hat, ist es nicht kühler geworden – einer dieser Sommertage in der Emilia, wenn die feucht-schwüle Hitze wie ein kaum durchsichtiger Schleier über den alten Häusern und baumgrünen Hügeln liegt.

Man soll ja nicht wählerisch sein beim Wetter. Der 812 Superfast steht am nächsten Morgen in der Boxengasse von Fiorano zur Probefahrt bereit, da beschwert man sich nicht groß über die Temperaturen. Anders als in den Jahren zuvor gibt es einen Helm zum Aufsetzen, und zwei Mechaniker in Rot checken den Luftdruck der 20-Zoll-Reifen.

Tipps von Raffaele

Bevor du dir zu wichtig vorkommst, gibt Werkstestfahrer Raffaele De Simone ein paar Tipps. Schließlich gibt es einiges Neue am 812 Superfast zu beachten und einzusortieren, die neue elektromechanische Servolenkung ist nicht das Geringste darunter. Sie hätten, sagt Raffaele, viel Sorgfalt auf die Abstimmung der Lenkung verwendet. Das ist immerhin Neuland für Ferrari, und die Kundschaft legt Wert auf Rückmeldung und Gefühlsintensität. Die Lenkung ist mit den Fahrsystemen des 812 vernetzt, etwa mit dem virtuellen kurzen Radstand (Passo Corto Virtuale) und der fünften Generation des SSC (Side Slip Angle Control).

Ferrari 812 Superfast im Fahrbericht, V12, Saugmotor
Dino Eisele
Neu am Ferrari-Heck: vier runde Leuchten, das passt zu den vier Endrohren. Diese geben den Ferrari-typischen, metallischen Klang von sich.. Die Geräuschkulisse steigt dabei harmonisch mit Last und Drehzahl.

Klingt kompliziert, ist es vermutlich auch, doch Raffaele erklärt, wie es funktioniert, und auf einmal erscheint alles ganz simpel: Über das erforderliche Lenkmoment hilft die Lenkung dem Fahrer, im Grenzbereich den richtigen Lenkwinkel zu finden. Die Lenkkräfte werden zum korrekten Winkel hin reduziert und steigen an, wenn der wieder überschritten wird. Das Auto lenkt nicht für dich, es hilft dir nur ein wenig, sagt der erfahrene Testpilot, bevor er die Tür schließt und den Daumen hebt. Los geht’s – gleich.

Denn es gibt so viel anderes zu beachten. Der 812 Superfast ist weit mehr ein ganz neues Auto als zunächst vermutet, wo er doch auf den ersten Blick wie eine Weiterentwicklung des F12 wirkt. Da wäre beispielsweise der Motor, der zwar auf dem 6,2-Liter des Vorgängers basiert, nun jedoch durch einen etwas längeren Hub ein Volumen von 6.496 cm3 aufweist. Mehr Leistung? Klar, was für eine Frage, 800 PS sind es nun statt zuletzt 780 PS beim F12 TDF.

65-Grad-Zwölfzylinder

Den exotischen Zylinderwinkel von 65 Grad hat der V12 beibehalten, ein Erbe aus den Formel-1-Autos der frühen 90er und seit Ferrari 465 und 550 Maranello in den Serieneinbau eingeflossen. Motoreningenieur Andrea Napoletano verrät, dass es vor allem der Sound sei, der Ferrari an diesem Konzept festhalten lässt. Der unregelmäßige Zündabstand ergebe den charakteristischen Ferrari-Klang.

Der ist übrigens im Innenraum erstaunlich zurückhaltend, was nicht nur am Helm liegt, wie eine später gefahrene Landstraßenrunde bestätigt. Erst bei Volllast wird die Soundkulisse intensiver. Wobei tatsächliche Volllast bei diesem Motor ein eher selten erreichter Betriebszustand ist. Der Zwölfzylinder schleudert den fahrbereit knapp über 1.600 kg schweren 812 derart nach vorn, dass selbst auf der Pista di Fiorano der Platz schneller knapp wird, als das Gaspedal auf dem Teppich ankommt.

Die Automatikfunktion des nun noch fixer hoch- und runterschnalzenden Doppelkupplungsgetriebes hat eiligst die Stufen 3 und 4 nachgelegt, der nächste Bremspunkt fliegt entgegen. Lass beim Zurückschalten einfach die Finger durchgezogen an der Wippe, hat Raffaele geraten, dann haut das Getriebe die Gänge noch schneller runter. Drei Gänge in knapp einer Sekunde, das klingt wie Trommel- feuer am Monte Cassino, die Schläge überlagern sich zu drei kurzen Knallern.

Ferrari 812 Superfast im Fahrbericht, V12, Saugmotor
Dino Eisele
Der 6,5-Liter V12 sitzt etwas eingepfercht im Maschinenraum. 800 PS entwickelt das mächtige Aggregat, dessen Leistung sich wunderbar dosieren lässt. Schon bei 3.500 Umdrehungen liegen 80 Prozent des maximalen Drehmoments an.

Die serienmäßigen Carbon- Keramikbremsen stauchen den Ferrari zusammen. Mist, viel zu früh gebremst, die Nase dreht sich um Kurve 1, aufs Gas, und wenn das Manettino auf „Race“ steht, macht das Heck einen kleinen Schlenker. Mit einer fließenden Lenkbewegung spurt es wieder ein. Das geht so locker und selbstverständlich, dass du die Unterstützung der Servolenkung kaum spürst.

Nach drei Runden signalisiert ein hochgehaltenes „Box“-Schild das Ende des ersten Stints. Und während die Mechaniker erneut den Reifendruck prüfen, bleibt ein wenig Zeit, die Eindrücke zu sortieren. Leistung? Ja, hat er. Und Drehmoment. Und Sound. Das metallische Timbre sei besonders wichtig, das mache einen Ferrari aus, heißt es bei Ferrari, Mission erfüllt. Untersteuern? Kein Thema, mit den 245er-Reifen vorn beißt sich der 812 in die Ecken, das SSC-System hält das Auto auf Kurs.

Ob sich das nicht irgendwie synthetisch anfühlt? Keine Spur, die Lenkhilfe ist sehr diskret und selbstverständlich, die Hinterradlenkung aus dem F12 TDF hilft stabilisierend mit. Währenddessen hämmern auf der Geraden ein paar andere 812 vorbei. Ja doch, laut ist er nun schon, der große V12, doch die Geräuschkulisse steigt harmonisch mit Last und Drehzahl, der abrupte Aufschrei vieler auspuffklappen- bewehrter Sportwagen fehlt hier.

Harmonische Leistung

Auch das sei ihnen wichtig gewesen: ein passender, nicht zu aufdringlicher Sound – das schätzten die V12-Kunden ebenso wie die gleichmäßige Leistungsabgabe des großen Zwölfzylinders, sagt Technikchef Michael Leiter später bei einem Teller Pasta im Ristorante Cavallino. „Gleichmäßig“ könnte als Euphemismus des Jahres durchgehen, 800 PS sind nun mal 800 PS. Doch die fallen nicht schlagartig über die Kurbelwelle her, die Leistungs- und Drehmomentkurven des Triebwerks sind keine Tafelberge, sondern gleichmäßige Steigungen.

Das vergisst man ja in Zeiten der Drehmomentwunder-Turbos schnell, doch große Saugmotoren haben ebenfalls ihre Vorteile, feine Ansprache und gute Dosierbarkeit etwa. Der 812-Motor liefert bei 3.500 Umdrehungen bereits 80 Prozent des maximalen Drehmoments, bei 7.000 erreicht die Kurve den Gipfel. Die Nenndrehzahl liegt bei 8.500, das ergibt ein nutzbares Drehzahlband, so breit und lässig wie der Po, der sich 80 Kilometer nördlich zur Adria wälzt.

Ferrari 812 Superfast im Fahrbericht, V12, Saugmotor
Dino Eisele
812-Arbeitsplatz: überarbeitetes Lenkrad und das Infotainment aus dem GTC4 Lusso. Charakteristisch: Der Startknopf und der Schalter für die Fahrmodi direkt am Lenkrad.

Wir biegen nach Süden, in Richtung der Berge, wo die Straßen schmaler und holperiger werden. Sie hätten ein paar Straßen ausgesucht, auf denen sie sonst die Achtzylinder testeten, sagt Raffaele, damit wir sehen, wie handlich und leicht sich der große Zwölfzylinder fährt.

Zum Beispiel die zwischen Samone und dem Tal des Panaro, wo sich ein schmales Asphaltband zwischen Kirschbäumen und Wiesen zum Fluss windet und reichlich Reifenabrieb in den Bremszonen die Ideallinie markiert. Hier kommt nur selten jemand entgegen, da empfiehlt es sich, die Dämpfer auf weich zu knöpfeln und den Fahrmodusschalter von „Race“ auf „Sport“ zu drehen. Die Lenkung gibt saubere Rückmeldung, der Grip an allen vier Rädern bleibt fest und vertrauenerweckend, die Bremsen unerschütterlich und punktgenau.

Nach der Brücke biegen wir auf die SP4 Richtung Modena, noch 30 Kilometer nach Maranello. Am Straßenrand verkaufen sie Kirschen, das Rosso Settanta Anni ist etwas staubig geworden, und wenn wir uns beeilen, bleibt noch Zeit für zwei Runden in Fiorano. Oder drei, hoffentlich.

Fazit

So geht das! Ein leichter und sicherer zu fahrender V12-Supersportwagen ist schwer vorstellbar. Die feinfühlig mithelfende Lenkung, die ausgefeilte Aerodynamik sowie die hochentwickelten Fahrdynamiksysteme machen 800 PS und 718 Nm in einem knapp über 1.600 kg schweren Sportwagen erleb- und fühlbar. Eine tolle Leistung.

Technische Daten
Ferrari 812 Superfast
Grundpreis293.337 €
Außenmaße4657 x 1971 x 1276 mm
Kofferraumvolumen320 l
Hubraum / Motor6496 cm³ / 12-Zylinder
Leistung588 kW / 800 PS bei 8500 U/min
Höchstgeschwindigkeit340 km/h
Verbrauch14,9 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten