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Fahrbericht DS Divine in Paris
Eine Probefahrt ohne Rücksicht auf Verluste

Die Studie "DS Divine" soll einen Ausblick auf das zukünftige Design der Nobelmarke von Citroën bieten. Die Zukunftsaussichten sind weniger erschreckend als die Proberunde mit dem Prototypen - ein göttliches Chaos in Paris.

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Foto: Nicolas Zwickel / DS

Bevor man in Paris ein Auto fährt, muss man alles vergessen, was man jemals in der Fahrschule zum Thema Sicherheit oder Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer gelernt hat. Das geht ganz gut, wenn man in einem 80-Euro-Polo von 1992 sitzt und alleine unterwegs ist. Das geht gar nicht, wenn man in einem Millionen-Euro-Concept-Car sitzt und der Hüter des heiligen französischen Blechs neben einem. Im Verkehrschaos der französischen Hauptstadt wirken Rempeleien dann plötzlich so gut vermeidbar wie im Autoscooter.

Unsere Highlights

Göttliches Design-Manifest, höllischer Großstadt-Verkehr

Das Exterieur der DS Divine soll in Zukunft maßgeblich sein für das Design von Citroëns neuer, höher positionierter Marke "DS". Dabei ähnelt der Prototyp in seiner Silhouette stark einem Alfa Romeo Brera – was nichts Schlechtes sein muss. Und schon jetzt transportieren neue DS-Modelle die Botschaft des Concept Cars in die reale Welt: Die göttlichen (engl.: "divine") Frontscheinwerfer samt laufender Blinker wie beim Audi R8 zieren schon den neuen DS 5.

Das Concept Car ist gut 30 Zentimeter kürzer als dieser, also etwa so lang wie ein Golf. Doch im Gegensatz zum Wolfsburger Klassiker hat sich Designer Frederic Soubirou ein paar  Gimmicks einfallen lassen, die allerdings kaum den Weg in die Serienproduktion finden werden. Keine Freigabe dürfte es zum Beispiel für die wie in einem Transformers-Film herausfahrenden Rückleuchten mit separatem Bremslicht geben. Oder für den Rückenpanzer, der nicht nur vor Blicken von außen schützt, sondern auch die Rücksicht durch die Heckscheibe unterbindet – in Paris gar nicht so schlecht, wie sich noch herausstellen wird.

"Das DS Divine Concept soll nur ein Manifest sein, und nicht zwingend einen Ausblick auf neue Modelle geben," sagt Soubirou, der unter anderem bereits den feschen DS 3 und den neuen DS 5 designt hat. Heißt soviel wie: Es werden nur einzelne Details weiterverfolgt. Am ehesten könnten das noch die verborgenen Türgriffe in der Lichtkante unterhalb des Fahrerfensters sein.

DS Divine ohne Tacho und mit mickrigen Rückspiegeln

Die versteckten Griffe öffnen Flügeltüren wie bei einem BMW i8 schräg nach oben. Sie geben einen Blick auf den kunstvollen Innenraum frei: Geschwungenes, mit Kristallen besetztes Armaturenbrett, minimalistisch bestückte, aber massive Mittelkonsole, an der wir – ups – gleich den Schalter für die Sitzverstellung aus der Befestigung hebeln. Exküsemang! Die Göttin ist eben doch nur eine fahrende Studie und nicht aus Stein gemeiselt. Ingenieur Pascal setzt den Schalter wieder in seine Vorrichtung – merci!

So, Sitz richtig eingestellt, das viereckige Lenkrad in beide Hände genommen – und wie startet man den 1,6-Liter-Turbomotor aus dem Peugeot RCZ R? Pascal deutet auf den Knopf für die Leerlaufstellung "N". Dann auf den Start-Stop-Knopf in der Mitte der kupferfarbenen Konsole. Drücken, halten und das Vierzylinder-Triebwerk orgelt sich ins Leben. Im Cockpit klingt es rau und noch ein bisschen sportlicher als im RCZ R.

"Du musst ja auch schalten," sagt der Beifahrer und zeigt auf das Ding, das ein bisschen aussieht wie der Controller einer Spielkonsole, rechts die mit einem Plus markierte Schaltwippe des automatisierten, manuellen Getriebes, links das überflüssige Minus-Paddel. "Du musst nur hochschalten, nicht runter, das macht das Getriebe von alleine." Aha.

Schalten im DS Divine - drei Gänge für ein Halleluja

Die Schaltpaddles würden bei zackiger Fahrt im Innenraum der DS Divine lose herum fliegen - sie sind nicht befestigt, baumeln nur an einem Kabel. Deswegen landet die Schalteinheit auf dem Schoß des Fahrers. Die Hände wandern ans Lenkrad, der erste Gang ist bereits eingelegt. Der rechte Fuß senkt sich und die DS-Studie setzt sich schwerfällig in Bewegung. Es rumpelt und knattert, der Motor schnauft schwer. Eine Hand bewegt sich vom Lenkrad zum Controller und initiiert den Gangwechsel. Mit einem Rumpeln fuhrwerkt das Getriebe den Antriebsstrang auf das nächstgrößere Zahnrad der Dreigang-Box. Klingt materialmordend und so gar nicht göttlich.

Mit dem, was man gemeinhin unter Autofahren versteht, hat das Bewegen der DS Divine sowieso fast nichts zu tun. Übervorsichtig trägt man den Prototypen um Kurven, zwischen geparkten Autos hindurch. Das strengt an. Ebenfalls anstrengend: die Hitze im Fahrzeug. In Paris scheint die Sonne, aber in der "Göttin" kühlt keine Klimaanlage. Ziemlich schnell lässt sie Shirt klebrig und Hände nass werden. Währenddessen versucht Beifahrer Pascal, halb auf Englisch, halb auf Französisch und wild gestikulierend irgendetwas mit "Brake" zu erklären. Keine Ahnung.

Das vorneweg fahrende Fahrzeug bremst an einem Zebrastreifen - eine Seltenheit in Paris, normalerweise hat der Fußgänger einfach zu warten. So sind die Regeln, auch wenn das Gesetz anderes verlangt. Der Fuß des Fahrers wandert auf das große Bremspedal und tritt drauf. Der Turbolader bläst die Luft lautstark durchs Überdruckventil. Nanu? Das Auto bremst nicht, sondern die DS Divine Concept rollt einfach weiter. Fester aufs Pedal latschen. Noch fester. Jetzt packen die Bremsen zu. Glück gehabt! Die Göttin hat keinen Bremskraftverstärker. Das wollte Pascal also vorhin erklären.

Wie man in Paris noch so richtig auffallen kann

Dafür hat DS Divine selbst in Paris den Aufmerksamkeits-Wert einer Tarantel auf einer Quiche Loraine. Während das 270 PS starke Schmuckstück hölzern und unbeholfen durch die Straßen rumpelt und wahrscheinlich keine 30 PS nutzt, zücken überall Menschen Kamera oder Smartphone. Selfies werden mit der Göttin im Hintergrund geschossen, auch wenn auf dem Parkplatz gegenüber ein Lamborghini Aventador neben einem Ferrari California parkt. Die Extravaganz des Einzelstücks fasziniert mehr als der Motorsound der Sportwagen.

Der Fahrer erlebt dabei ständig Glücksmomente und Schrecksekunden. Wobei es nicht nur das Fahrzeug ist, sondern vor allem der Pariser Straßenverkehr, der die Schockwellen auslöst. Wildgewordene Rollerfahrer zwängen sich an dem unbezahlbaren Prototypen vorbei, offensichtliche gottlose Taxifahrer beachten DS Divine überhaupt nicht. Pascal rät, sich nur nach vorne zu orientieren. Die schmalen Rückspiegel sind sowieso nicht verstellbar und zeigen eigentlich nur die Seitenlinie des eigenen Autos.

Wer in Paris mit dem Auto stehen bleibt, hat verloren. Tipp: Einfach weiterfahren. Egal, was kommt. So kriegt man selbst einen exorbitant teuren Prototypen heil um den Arc de Triomphe.

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