Cupra Leon VZ TCR: Tracktest

Cupra Leon VZ TCR
Vollgas im teuersten Cupra überhaupt

Veröffentlicht am 28.01.2025

Billig? Nein, eine billige Nummer wird das hier nicht. Ist Motorsport eh nie. Auch wenn hinter dem Lenkrad-Fragment des Cupra Leon VZ TCR die Serien-Schaltpaddel hervorlugen. Bereits danach wird’s speziell, denn sie schaffen nicht dem Doppelkupplungsgetriebe aus dem Serienauto, sondern einem echten Sechsgang-Renngetriebe (wahlweise von Hewland oder SADEV) Arbeit an. Wenngleich die Cupra-Racing-Verantwortlichen betonen, dass geringe Kosten bei der Entwicklung des Rennwagens eine große Rolle spielten und sie dafür ordentlich den Teilekatalog des Volkswagen-Konzerns fledderten. Dennoch ist eines klar: Jetzt, hier auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya soll der Cupra Leon VZ TCR nicht als das enden, was er ganz am Anfang einmal war: ein 1.105 kg schweres Puzzle aus rund 900 Komponenten. Anbremsen von Kehre 11, das Getriebe sortiert die Gänge hart und sauber vom fünften bis in den ersten hinunter, Geschwindigkeit und Bremspunkt bleiben auf der konservativen Seite, sodass der feuchte Fleck auf dem Asphalt, den der Schatten der neuen VIP-Hospitality vom Abtrocken abhielt, lediglich in ein kurzes Untersteuern mündet. Danach tobt der Cupra wieder trompetenprustend den Linksbogen bergauf (macht zu!), stürzt sich in die folgende Doppel-Rechts. Noch erscheint alles neu, die Strecke, das Auto, alles erfordert Gewöhnung für den Rennfahrer-Darsteller. Und natürlich das leidige Thema ABS – denn der Leon verzichtet darauf. Muss er, schließlich balgt sich der Kompakte in der TCR-Klasse, fährt dort unter anderem gegen Honda Civic Type R und Hyundai Elantra N. Die TCR-Boliden bekommen nur dann ein ABS zugestanden, wenn sie an Langstrecken-Rennen wie beispielsweise den 24 Stunden vom Nürburgring teilnehmen. Na, wenn du dir also nicht gleich die teuren Reifen in der ersten Kurve unter bemerkenswerter Rauchentwicklung eckig bremsen möchtest, gilt es den linken Fuß zu trainieren.

Keine Zeit

Vorneweg: Dafür bleibt an diesem Tag keine Zeit, sehr bedauerlich. Die Zeit reicht jedoch, um sich ein wenig auf das Fahrverhalten, den Charakter des Cupra einzuschießen. Zunächst macht er dir das recht leicht, bietet auch einem etwas aus dem Rennfahrer-Jockey-Schema gefallenen Piloten reichlich Platz sowie einen ergonomisch akkuraten Abstand zum Lenkrad-Fragment. Diese Steuer-Dinger zählen in Straßenfahrzeugen eher zu den Plagen, in einem Rennwagen schmutzen sie wegen des arg limitierten Lenkwinkels nicht, sparen ein paar Gramm Gewicht und geben in diesem Fall den Blick auf das Sieben-Zoll-Infodisplay frei. Wunderbar. Also brätst du aus Kehre 14 ("New Holland"), einer hängenden Rechts auf Start-Ziel, tobst die leicht gewölbte Gerade unter dem Radau-Brüllen des Vierzylinder-Turbotriebwerks herunter. Der Motor stammt aus der Serie, es handelt sich um den EA888 aus allerlei bekannten Sportmodellen, vom eben den Cupras über Golf GTI und R bis hin zu Skoda Octavia RS und Audi S3. Leistung? 340 PS, eingedampft von der sogenannten Balance of Performance, kurz BOP. Übrigens: Der Motorkühler stammt aus dem VW Passat, der Ladeluftkühler aus dem Audi Q3. Rund 60 Prozent aller Komponenten eines TCR stammen aus dem Konzernregal, der Rest sind Maßanfertigungen. Während Achsträger und Hilfsrahmen aus der Serie übernommen werden können, müssen die Dreiecksquerlenker wegen der breiteren Spur speziell angefertigt werden. Das Ziel: Das Motorsport-Vergnügen möglichst kostengünstig zu halten, auch wenn das in diesem Kontext schnell lächerlich wirkt. Alleine der Grundpreis: 149.000 Euro, netto, eh klar.

Da scheppert nix

Und dann lass es mal scheppern. Beispielsweise gleich in Kurve 1, ein Rechts-Links-Haken. Hier merkst du beim Umsetzen, wie das Auto um die Hochachse giert. Sehr schön. Mit ein bisschen mehr Fahrpraxis ließe sich der Cupra mit einem gekonnten Lastwechsel bestimmt noch akkurater positionieren, um früher ans Gas gehen zu können. Apropos: So als Fronttriebler – einfach am Kurvenausgang rauf auf den Stempel und ab dafür? Hm, jein. Ist der Radius zu eng und/oder die Curbs zu feucht, lässt die aggressive Differenzialsperre den Leon einen kräftigen Ausfallschritt zum Außenrand vollführen. Ein bisschen Gefühl schadet nicht, so wie in vielen Bereichen des täglichen Lebens. Die Strecke schraubt sich in einem weiten Rechtsbogen bergauf, gefolgt von einer kurzen Gerade, du zuppelst an den Serien-Schaltpaddeln hoch bis in den fünften, dann runter in den zweiten. Einlenken, die Vorderreifen beißen. Sicher, der TCR folgt auf Fingerschnipp, unmittelbar, direkt. Dennoch lässt dir die vom Seat/Cupra-Entwicklungszentrum überarbeitete Standard-Lenkung ein kleines bisschen Luft, sodass eigentlich keine Gefahr besteht, das Auto zu überlenken. Die Hinterachse wirkt ebenfalls stabil, die Bremsbalance liegt bei 60 zu 40 Prozent. Sicherlich wählte die Cupra-Truppe eine eher zivile Fahrwerkseinstellung, soll ja nichts mit Ansage schief gehen an so einem Tracktest-Tag. Weiter, das Auto rotieren lassen, links bergab. Das Zweiliter-Aggregat hat sich längst mit deinem rechten Fuß verdrahtet, spricht fein an, dreht gerne, wenngleich ohne großen Übereifer (Turbo, Langhuber, wenngleich auf 240 Nm Drehmoment reduziert, ist halt so), produziert einen emotionalen Vierzylinder-Klang.

Immer mit dabei

Alleine in 2024 nahmen Leons in 36 internationalen Meisterschaften teil, fuhren 68 Rennsiege ein und holten 11 Titel. Erfahrung zahlt sich offenbar aus, denn die 40 Mann starke Cupra-Truppe baute auch den Audi RS3 TCR und den VW Golf GTI TCR. Die anderen beiden Konzernmarken verabschiedeten sich aus dem Kundensportprogramm, also bleibt der Marke nun der Markt alleine. Vom Vorgänger konnten innerhalb von drei Jahren 60 Exemplare abgesetzt werden, durch das Konzern-Monopol waren es vom neuen schon 2024 bereits 25 Stück. Und ab diesem Jahr darf der Leon auch in den USA und in China antreten. Im dritten Gang raus aus Kurven neun, die lange Gerade hinunter zur Kurve mit dem feuchten Fleck. Hochschalten bis in den fünften Gang. Beim Getriebe sorgt ein eigener Lüfter für eine im Vergleich zum Vorgänger effizientere Kühlung, schließlich würde ein Getriebetausch das Budget mit rund 15.000 Euro belasten. Nein, billig ist Motorsport nun wirklich nicht.