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Carver One im Fahrbericht
Ein ganz schräger Typ

Wer lange genug sucht, findet das Auto, das zu ihm passt. Für alle, die partout nicht erwachsen werden wollen, ist die Suche schnell zu Ende: Für sie gibt es den Carver One.

Carver One, Kurvenfahrt
Foto: Beate Jeske

Den genauen Moment zu bestimmen ist schwer – doch im Leben eines Jahrmarktbesuchers kommt einmal der Zeitpunkt, an dem er sich als Ältester in die Achterbahn zwängt. Als Einziger trägt er ein Hemd, und nur mit Mühe passiert der Metallbügel die Knie. Er wirkt so angepasst wie ein Chamäleon vor einer Discokugel. Doch dann beginnt die Fahrt, und der Wind pustet jedwede Vernunft in die Vergessenheit, während die Krawatte unkontrolliert über die Schulter flattert. Wer will schon erwachsen sein? Was aber, wenn gerade kein Volksfest in der Nähe gastiert?

Carver One ist wie eine Achterbahn mit Looping

Für Hans Jürgen Hundhausen gibt es nur eine Antwort: Carver One. "Weil es einfach geil ist", sagt er und schaut, als erklärte er das Offensichtliche.

Der 61-jährige ehemalige Lufthansa-Kapitän kaufte 2008 seinen Carver One. Damals war er noch Titaniumsilbern. Inzwischen glänzen die Karosserie dunkelblau und die Felgen und Kotflügel orange – so grell, dass Zartfühlenden die Augen tränen. Es sind aber nicht nur Farbe und Form, die das Dreirad aus dem Verkehr stechen lassen. Das Besondere offenbart sich dem Fahrer erst, wenn er das Lenkrad bewegt. Mittels hydraulischer Neigetechnik schwenkt der Carver bis zu 45 Grad in die Kurve. Damit kommt er einer ebenerdigen Achterbahn schon ziemlich nahe.

Die Hinterräder werden von einem drehfreudigen 68-PS-Daihatsu-Motor angetrieben. In der schmalen zweisitzigen Kabine des Carver One funktioniert die Bedienung wie in einem herkömmlichen Auto – inklusive der H-Schaltung.

Carver One ist etwas für individuelle Kunden

Hundhausen war das jedoch nicht genug, weshalb er den oberen Teil des Lenkrads des Carver One entfernte, um das Ganze flugzeugähnlicher zu machen. "Außerdem war mir die Bremswirkung bei Regen zu schlecht, deswegen habe ich die hinteren Bremsscheiben selbst gelocht", erzählt er beiläufig. Neben ihm steht Harry Stüdemann, Geschäftsführer von Carver: "Unsere Kunden sind eben individuell." Bei einem weltweiten Bestand von 220 Fahrzeugen, 25 davon hier in Deutschland, geht es tatsächlich kaum exotischer.

Stüdemann fährt heute den Camouflagefolierten Carver One eines Kunden. Der möchte zwar nicht namentlich erwähnt werden, hat aber nichts dagegen, den in Leder gehüllten Innenraum vorzuführen. Unter der optionalen Sonnenblende verbirgt sich der Monitor der ebenso optionalen Rückfahrkamera. Optional, das ist das Zauberwort, denn theoretisch ist beim Carver alles möglich, was bei einer Trike-Zulassung mit der Straßenverkehrsordnung zu vereinbaren ist.

Mit weniger Extras, aber nicht weniger auffällig, schwenkt der rote Carver One von Yves Kettmann über die gewundene Landstraße. Der gebürtige Luxemburger arbeitet als Justizvollzugsbeamter und fährt täglich mit dem Dreirad zur Arbeit. Er lacht: "Ich komme oft in Polizeikontrollen und muss erklären, was das für ein Fahrzeug ist. Es stört mich aber nicht, denn nichts macht bei moderaten Geschwindigkeiten mehr Spaß."

Eigenwillig fühlt sich der Carver One jedenfalls an. Und er will gleichmäßig gefahren werden, was frühes Bremsen, aber auch frühes Beschleunigen bedeutet. Die Karosserie lehnt sich vehement in jede Kurve hinein. Es piept im Innenraum – das Signal für maximale Schräglage. Und schon ist es da, das vertraute Achterbahn-Gefühl, auch ohne das dort übliche metallische Rattern. "Meine Tochter ist acht Jahre alt. Sie hat einen Riesenspaß, auf dem Rücksitz mitzufahren", sagt Kettmann.

Den hat auch der Fahrer, denn hinter dem Steuer wird er zum Kind. Und dann kann es nicht grell, bunt und schräg genug sein. Das Dach ist offen, der Fahrtwind pustet jedwede Vernunft weg, der Gleichgewichtssinn hat kräftig zu arbeiten. Wer will schon erwachsen sein?

Die holländische Idee wird im Saarland in die Realität umgesetzt

Das ursprüngliche Carver-Konzept stammt aus den Niederlanden und war bis 2009 auf dem Markt. Wegen Preisen von fast 60.000 Euro und mangelnder Nachfrage kam es zur Insolvenz. Die zweite Serie des Carver One wird seit 2011 im saarländischen Überherrn gefertigt. Dabei befindet sich die Karosserie aus glasfaserverstärktem Kunststoff auf einer Spezialhebebühne, ähnlich einem Grillspieß. Die Verbindung zwischen neigbarer Front und statischem Heck erfolgt über einen Tunnel unter den Sitzen. Die v-förmig angeordneten Neigezylinder sowie Getriebe und Motor sitzen zwischen den Hinterrädern. Diese lenken bei Kurvenfahrten bis zu sechs Grad in die entgegengesetzte Richtung. Das verringert den Kurvenradius und erhöht die Fahrstabilität. (www.2drive.info)

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