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Fahrbericht Byton M-Byte (2020)
Auf der Zielgeraden

CES 2020

Auch wenn Byton 2019 ins Schlingern geriet: Mitte 2020 soll die Serienproduktion des M-Byte starten. Wir durften im Rahmen der CES in Las Vegas schon ans Steuer.

Fahrbericht Byton M-Byte
Foto: Byton

Was man als Elektroauto-Startup von der Leichtathletik lernen kann? Der Schlussspurt ist immer besonders schmerzhaft. Fast alle ambitioniert gestarteten Elektroauto-Startups kriegen kurz vor der Zielgeraden Probleme. Ganz einfach, weil die guten Nachrichten genau zum Zeitpunkt des maximalen Finanzbedarfs ausgehen. Ein halb fertiges Auto und eine halb fertige Fabrik brauchen vor allem Zeit und viel Geld. Letzteres besorgst du dir als Startup über so genannte Finanzierungsrunden, in denen nicht nur die alten Investoren bei Laune gehalten werden, sondern auch frisches Geld aufgetrieben muss. Und frisches Geld braucht gute Nachrichten. Starke Botschaften. Das Dilemma: Die beste Nachricht wäre ein fertiges Serienprodukt das aus einer fertigen Fabrik zum Kunden rollt. Das wird aber ohne zusätzliche Millionen nicht klappen. Und schon beißt sich die Katze in den Schwanz.

Unsere Highlights

Carsten Breitfeld ging von Bord

Die Lösung: Durchhalten. Eisern sparen. Nachjustieren. Zugeständnisse machen. All das haben sie bei Byton hinter sich. Und auf diesem Weg den Firmen-Mitgründer Carsten Breitfeld verloren. Der versucht inzwischen, beim schwerst angeschlagenen Konkurrenten Faraday Future zu retten, was noch zu retten ist.

Fahrbericht Byton M-Byte
Byton
Wenn er muss, sprintet der M-Byte als Hecktriebler in 7,5 Sekunden auf 100 km/h.

Ein Fahrzeug aus dem eigenen Werk

Breitfeld-Nachfolger Daniel Kirchert setzt mit dem Rest der Byton-Truppe alles daran, den ersten Serien-Byton auf die Straße zu bekommen. Und genau deshalb sind sie mit dem M-Byte nach Las Vegas zur CES 2020 gekommen. Der soll hier mit Investoren und Interessenten erste Runden drehen. Auf einem wenig glamourösen abgesperrten Firmenparkplatz. Nicht irgend ein M-Byte. Sondern ein Vorserienfahrzeug aus dem eigenen Werk in Nanjing. Gebaut von den eigenen Mitarbeitern und nicht von einer Spezialfirma irgendwo auf der Welt. Das macht stolz. Und nervös.

Erste Fahrt Byton M-Byte
Jochen Knecht
Ja, auf dem Riesen-Bildschim kann man sogar daddeln. Aber eben nur, wenn das Auto parkt.

Noch fehlt der Feinschliff

Als ich auf dem Beifahrersitz Platz nehme, guckt ein Teil der Byton-Truppe, als hätten sie gemeinschaftlich eine Feuerqualle verschluckt. Was sie jetzt auf keinen Fall gebrauchen können, ist ein journalistischer Besserwisser, der ihnen wegen irgendeinem schlecht sitzenden Spritzguss-Plastikteil im Cockpit das Auto madig macht. Das kann ich ausschließen. Weil’s ums Fahren geht. Und so ein Vorserienmodell auch bei jedem anderen Autobauer noch nicht mit der finalen Sorgfalt und den entsprechend hochwertigen Serien-Teilen zusammengebaut wird.

Erste Fahrt Byton M-Byte
Jochen Knecht
Pause an der Ladesäule? Wie wäre es dann mit einer Telefonkonferenz? Im M-Byte sind gleich drei Modems verbaut, Bandbreite sollte also kein Problem sein.

Volle Power aus dem Stand

Als Adwin Timmermans auf den Fahrersitz Platz nimmt, entspannt sich die Lage deutlich. Der Mann ist als Entwicklungsingenieur für Tests und die Absicherung der Serienproduktion zuständig. Gelernt hat er seinen Job in Europa, unter anderem bei BMW. Plastikteile sind ihm aktuell wurscht. Er kennt den M-Byte in- und auswendig und macht sich ganz offensichtlich überhaupt keine Sorgen, dass das hier in einem Desaster enden könnte. Ein paar Sekunden später drückt mich das Drehmoment des 200 kW starken Elektromotors an der Hinterachse tief ins Sitzpolster. E-Auto heißt: volle Power aus dem Stand. Sie kennen das.

Untersteuern ist Pflicht

Der M-Byte schießt los und wedelt durch eine Gasse aus bunten Hütchen. Wenn er muss, zoomt der M-Byte in 7,5 Sekunden auf 100 km/h. Und obwohl er auch in der Serie ohne aktives Luftfahrwerk oder Wankstabilisierung auskommen muss, bleibt das über 2.300 Kilo schwere SUV trotz betont komfortabler Abstimmung erstaunlich stabil. Auffällig ist lediglich ein ausgeprägter Hang zum Untersteuern. Timmermanns nickt zufrieden. Genau so soll es sein. Byton definiert den M-Byte nicht als Fahrmaschine. Sondern als komfortables Alltagsauto für Menschen, die in erste Linie entspannt und digital maximal vernetzt unterwegs sein wollen. Puristische Sportfahrer sollen bitteschön woanders einkaufen.

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Acht Jahre Garantie auf die Batterie

In Sachen Beschleunigung und Antritt aus dem Stand wäre noch deutlich mehr drin. Byton hat aber das Basismodell mitgebracht. Heißt: Heckantrieb, statt elektrischem Allrad. Nur 72 kWh Kapazität im Akku, statt 95 kWh. Stahldeckel statt Panorama-Glasdach. Aber immerhin eine hocheffiziente Wärmepumpen-Heizung, Over-the-Air-Update für alle Fahrzeugfunktionen und Entertainment-Schnittstellen für Garmin-Wearables, Viacom-CBS-Content und Amazon Music. Auf den Akku von Investor CATL gibt’s acht Jahre Garantie (oder 120.000 Kilometer). Preispunkt in Europa: um die 53.500 Euro.

Gestensteuerung ist bereits fertig

Basis hin oder her: Den 48 Zoll großen Riesen-Bildschirm auf dem Armaturenträger bekommt jeder M-Byte mit auf den Weg. Der präsentiert sich aktuell noch etwas unaufgeräumt. Ein Teil der Anzeige nutzt chinesische Schriftzeichen, viele Anwendungen verwenden unterschiedliche Schriftarten. Kleinigkeiten, betont Timmermanns. Viel wichtiger sei es, dass die Basis-Funktionen verfügbar seien. Die Gestensteuerung, zum Beispiel. Und schon dreht er mit seinem ausgestreckten Zeigerfinger der rechten Hand an einem nicht vorhandenen Lautstärke-Regler. Daumen nach rechts: nächster Musiktitel. Passt.

Touch mit Tasten

Entertainment, Sitze, Klima: Das funktioniert alles auch per Touch-Bedienung. Entweder über ein Display auf der Mittelkonsole (für den Beifahrer), oder das entsprechende Pendant auf dem Volant. Und weil sich bei dem nur der Lenkradkranz dreht, bleibt das Display immer ordentlich gerade. Damit liegen die wichtigsten Bedienfelder (Navigation und Entertainment) mit den beiden Daumen erreichbar. Das soll die Sicherheit erhöhen. Genauso wie die klassischen Tasten und Laut-Leise-Wippen neben dem Fahrer-Display. Noch weniger Ablenkung vom Fahren. Gut so.

Erste Fahrt Byton M-Byte
Jochen Knecht
XXL-Display hin oder her: Viel wichtiger ist, dass das Gesamtpaket im M-Byte funktioniert.

Selbst fahren? Klar!

„Wäre es nicht besser, wenn Sie ein bisschen selbst fahren würden?“, fragt mich Timmermanns bei der ersten kurzen Pause, in der mir sein chinesischer Kollege gerade die unterschiedlichen Bereiche des Riesen-Displays erklärt. Das ist sie wieder, die Feuerqualle in den Gesichtern der restlichen Byton-Truppe. Das war so offensichtlich nicht geplant. Ist mir aber natürlich egal. Selbst fahren? Logisch! Und schon sitze ich hinterm Lenkrad.

Der Bildschirm verengt den Blick auf die Straße

Die Sitzposition unterscheidet sich nicht dramatisch von einem SUV von der Stange. Der Ausblick aber eben schon. Weil da dieser XXL-Bildschirm auf dem Armaturenträger sitzt. Der wurde im Vergleich zu den Prototypen nochmal höher platziert. Ebenfalls aus Sicherheitsgründen, sagen sie bei Byton. Weil der Fahrer sonst zu oft nach unten aufs Display und nicht auf die Straße guckt. Kehrseite der Medaille. Du siehst jetzt vergleichsweise wenig von der Fahrbahn. Kann man sich daran gewöhnen? Klar. Muss man das mögen? Nein!

Komfortabel aber nicht schaukelig

Anfahrt auf die Wedelgasse: Links, rechts, links, rechts, links. Der M-Byte folgt brav den Lenkbefehlen, wankt kaum, quittiert im Zweifel zu viel Kurvengeschwindigkeit mit gelangweiltem Untersteuern. Auf die Bremse vor der ersten Kehre. Das Pedalgefühl ist okay. Der M-Byte verzögert brav, ohne dabei das Gefühl zu vermitteln, dass deutlich über zwei Tonnen Gewicht ein Problem darstellen. Alles gut. Rückmeldung von der Fahrbahn gibt’s aber kaum. Weder von der Lenkung, noch vom Fahrwerk. Da ist sie wieder, die maximalkomfortable Fahrzeugauslegung. Wichtig: Die klare Trennung zwischen komfortabel und schaukelig haben sie bei Byton ganz gut hinbekommen.

Großes Interesse in Norwegen

Eine Abstimmung vor allem für China und die USA. Vielleicht. Allerdings hat Byton vor ein paar Monaten die Produktionsplanung umgestellt. Wenn Mitte 2020 die ersten Autos in Nanjing vom Band rollen, wird natürlich zunächst der heimische Markt bedient. Dann Europa. Und erst dann die USA. Warum? Weil Byton 21.000 Reservierungen aus Europa eingesammelt hat, der Löwenanteil davon aus Norwegen. „Die wünschen sich Alternativen zu den ganzen Teslas“, scherzt PR-Mann Oliver Strohbach und liegt damit wahrscheinlich relativ nah an der Wahrheit. Kleiner Haken: Reservierungen funktionieren bei Byton ohne Anzahlung. Die wird erst fällig, wenn der Kunde die Reservierung ein paar Monate vor der Produktion seines Fahrzeugs in eine Bestellung umwandeln muss. Ob und wie viele das von den 21.000 Reservierern tun werden? Achselzucken.

Viel wichtiger: Der Journalist hat das Auto ganz gelassen. Das wird nämlich noch gebraucht. Gleich kommt die Abordnung eines schwedischen Auto-Großhändlers. Die würden den M-Byte gerne vertreiben. Wollen aber vorher natürlich fahren, was sie verkaufen sollen. Kein Problem. Ich bin raus. Und drücke den Bytons die Daumen. Für die nächste Finanzierungsrunde. Genug zu erzählen haben sie ja jetzt.

Fazit

Sie haben ein Werk. Sie haben ein Auto. Und sie haben neue Investoren. Dennoch ist die Zukunft des Byton M-Byte noch nicht ganz in trockenen Tüchern. Die letzten Meter bis zur Serienproduktion kosten richtig Geld. Wenn es die Byton-Truppe um Mit-Gründer Daniel Kirchert schafft, sich in den nächsten Monate voll auf den Feinschliff am Auto zu konzentrieren, dann könnte der M-Byte tatsächlich zu einer exotischen Alternative im immer größer werdenden E-Angebot werden. Weil das Gesamtpaket stimmt. Und nicht nur, weil die Chinesen ein aberwitzig großes Display ins Auto bauen.

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