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BMW M235i auf der Speedwaybahn
Bis zum Anschlag quer

Ja, spinnen die denn? Der eine im BMW M235i, der andere auf einer Speedwaymaschine. Beide so quer, wie es eben geht – auf der Sandbahn.

Speedwaybahn, BMW M235i, Impression
Foto: Hans-Dieter Seufert

Es knattert direkt am linken Ohr. Die Schallwellen klopfen praktisch schon an. Kurz nach links schielen – tatsächlich: Der driftet mit seiner Speedwaymaschine bis an die Fahrertür des BMW M235i. Ja ist der Maier Karl jetzt völlig verrückt geworden? Nein, nicht erst jetzt: Der Bazi war es wohl schon immer, sonst hätte er sein Motorrad früher nie mit anderen Rad an Rad über eine rutschige Sandbahn geprügelt, um parallel in dieselbe Kurve reinzuhalten. Quer bis zum Lenkanschlag, das Hinterrad des Gegners als rotierendes Sägeblatt nur eine Handbreit entfernt.

Im Moment rotiert unser linkes Hinterrad kaum einen Meter neben seinem rechten Fuß und schmeißt mit Dreck. Der BMW M235i steht anschlagquer in der Kurve und Maiers Maschine direkt daneben: steht quer, schmeißt mit Dreck. Der nackte Wahnsinn und der Kerl ist voll in seinem Element, dreht jetzt so richtig auf, saugt sich bis an den BMW-Spiegel heran, balanciert kurz am Vorderrad und geht dann innen vorbei.

Hier erfüllt sich gerade nicht nur ein Kleine-Jungen-Traum, nein, die Realität setzt sogar noch einen drauf, bringt eine Rennmaschine samt Ex-Weltmeister mit. Die Idee hatte der Autor im Schulsport. 1.000-Meter-Lauf? Ermüdend! Nein, man müsste mal ein Auto über die Aschenbahn treiben. Bis zum Anschlag quer, so wie ein Rallye-Profi. Verrückt? Ja. Herrlich, nicht?

Schindluder im Sand treiben

Manchmal lassen sich abstruse Ideen realisieren, wenn man die richtigen Leute trifft. Bekloppte im positiven Sinne, die Gefallen am Abseitigen haben und Fahrspaß auch als Gaudi verstehen. Die Münchner etwa, die Gralshüter der Fahrdynamik, die natürlich gerne einen Quertreiber in Form des BMW M235i samt Performance-Paket beisteuern. Und dann wäre da noch Karl Maier, vierfacher Sandbahn-Weltmeister, seit 1995 im fahrerischen Unruhestand – aber für alle Schandtaten zu haben. Zitat Maier, Bayer: „Schindluder wollt’s treiben? Da bin ich dabei. Wann?“

Einige Monate später stehen alle Beteiligten auf dem geteerten Infield der Sandbahn im bayerischen Landshut. Dort gibt es ein richtiges Stadion mit Tribünen und Bande ringsum, was der Szenerie ebenso zusätzliche Dramatik verleiht wie die aufgeplusterten Wolken am Himmel: weiß-blau und schwarz meliert. Doch die Ansage des Platzwarts beruhigt: Ein Platzregen lasse die Geschichte erst dann platzen, wenn das Wasser nicht mehr schnell genug auf dem Beton-Untergrund ablaufe. Die Aschenbahn werde vor dem Fahren ohnehin gewässert, damit es nicht so staube. Und die Schichten aus gemahlenem Schiefer, Granit und Ziegel würden mit einer Egge geglättet.

Zehn Meter muss die Speedwaybahn mindestens breit sein. Das klingt nach reichlich Platz, doch im Wettkampf stürzen sich ja diverse Fahrer gleichzeitig in die Kurve. Und wenn man mit etwa 80 km/h im BMW M235i auf die lange Links zubremst, um ihn anzustellen, dann wirkt das Ganze doch bedrohlich eng. Maiers Bitte „Lass mir innen Platz, damit ich an dir vorbeidriften kann“ macht die Sache nicht einfacher.

„Lange Standzeiten ohne Fahrtwind mag der Jawa-Motor nicht“, erklärt Maier und drängt darauf, zu starten. Sobald sein 70-PS-Einzylinder per Anschieben zum Leben erweckt wird – einen Anlasser gibt es nicht – wollen Mensch und Maschine eskalieren. Dass sich die Wildheit mit dem Alter legt, in diesem Falle nur eine Mär.

Maiers spindeldürre Rennmaschine ist aufs Wesentliche reduziert und wirkt völlig aus der Zeit gefallen – ein Gegenpol zu den Technikmonstern des GP-Zirkus: Motor, Rahmen, zwei Räder. Weil die Rennfahrer selbst wesentlich zum Leistungsgewicht beitragen, haben sie häufig eine Jockey- Figur. Und in der Tat wirkt Maier heute, also mit 57, immer noch ähnlich asketisch wie sein Motorrad.

Es gibt keine Bremsen an der Speedway

Getreu dem Kalauer „Wer bremst, verliert“ gibt es keine Bremsen – Maier verzögert, indem er vom Gas geht. „Bei der hohen Verdichtung hat der 500er genug Motorbremse, das reicht.“ Auf die letzten Meter zum Stillstand stemmt er zusätzlich seinen linken Schuh mit der Metallkufe in den Sand. Getriebe? Ebenfalls unnötig. Der Antrieb ist direkt übersetzt und die Kupplung dient ausschließlich dem Anfahren; die Höchstgeschwindigkeit richtet sich nach dem montierten Ritzel am Hinterrad.

Zeit, aufzubrechen und das ungewohnte Terrain zu erkunden. Es ist eine Abenteuerreise in fremdes Gebiet, auf abwegigem Untergrund. Wie wird sich die Aschenbahn beim Driften verhalten? Etwa wie Sand? Oder Schnee? Oder Eis? Die ersten Meter beginnen vorsichtig, tastend. Auf der Geraden ist der Vortrieb erstaunlich gut, fast wie auf einem Waldweg. Jetzt nicht übermütig werden, die Kurve naht.

Unser BMW M235i hat Hinterradantrieb, optimal für sämige Drifts – Allrad ginge auch, doch da pfuscht meistens eine Elektronik ins Handwerk. Dank Performance-Paket hilft uns ein Sperrdifferenzial: Bei abgeschaltetem ESP verteilt es das Antriebsmoment perfekt zwischen den beiden Hinterrädern – und im Falle des M235i gilt es immerhin 450 Nm hin und her zu schieben.

BMW-Triebwerk ist „Engine of the Year“

Jene 450 Nm sind überaus nützlich dabei, einen Drift zu halten. Vor allem, wenn sie wie beim Dreiliter-Sechszylinder dank Turbolader über ein gewaltiges Plateau wuchern. Das BMW-Triebwerk wurde nicht ohne Grund zum „Engine of the Year“ gewählt. Zwischen 2.000 und 6.000/min ist immer mehr Leistung vorhanden, als die Hinterräder in den Sand setzen können.

Vor uns taucht die lang gezogene Linkskurve auf. Wir schalten vom Dritten zurück in den Zweiten, bremsen sachte, lenken dabei kurz nach rechts, dann schnell nach links. Anstellen nennt man das in der Sprache der Rallye-Fahrer. Der BMW M235i macht mit. Nicht einmal unwillig. Es funktioniert: Das eingewirkte Wasser macht den Sand so sulzig, dass die Vorderräder tatsächlich genügend Seitenführungskraft aufbauen. Und die ist zum Driften absolut unerlässlich. Denn damit die hintere Achse weggehen kann, muss die vordere greifen. So viel zur fahrphysikalischen Voraussetzung.

Wir verkleinern den Radius – und das Popometer meldet „Hinten wird’s leicht“ – perfekt! Jetzt sachte, aber bestimmt ans Gas. Der Reihensechszylinder trompetet, und das Heck beginnt zu wandern. Nicht abrupt, sondern im weichen Fluss. Es ist eine sämige Bewegung, die der BMW M325i dennoch mit Vehemenz ausführt.

Achtung Kurvenausgang

Wir lassen ihn kommen, bis der Lenkwinkel am Anschlag ist. Der BMW M235i steht komplett quer in der Ecke. Den Driftwinkel regelt jetzt nur noch der Schlupf an der Hinterachse. Mehr Gas heißt mehr quer und umgekehrt. Kurzer Schulterblick: Was macht eigentlich der Maier? Wahnsinn! Der hält voll rein. Obwohl da gerade vor ihm ein Auto als Hindernis rutscht, zoomt er sich mit deutlichem Überschusstempo heran.

Achtung Kurvenausgang: die Bande kommt dem BMW-Heck brenzlig nahe. Jetzt nur keinen Fehler machen, sauber austarieren, den Slide langsam auslaufen lassen. Und dann knattert es am linken Ohr. Er wird doch nicht ... Oh, doch. Genau das: Der Maier driftet direkt am linken Außenspiegel, zieht durch und fräst mit seinem Hinterrad den Boden um. Ein Wahnsinnstyp.

Viermaliger Weltmeister Karl Maier

Der Maier Karl (heute 57) ist Bayer durch und durch. Aufgewachsen in und um Erding, pflügte er schon als Jugendlicher mit selbstgebauten Motorrädern die Äcker der Gegend um. Sein erstes Rennen fuhr Maier am 10. Oktober 1975 beim Grasbahnrennen in Eichenried; hier gewann er auf Anhieb. Seine letzte Rennveranstaltung war ebenfalls ein Grasbahnrennen: 1998 in Nandlstadt. Dazwischen liegen vier Langbahn-WM- und acht Deutsche-Meister-Titel. Heute betreibt Maier eine Vertragsniederlassung für BMW-Motorräder.

Technische Daten
BMW M235i Coupé
Grundpreis44.900 €
Außenmaße4454 x 1774 x 1408 mm
Kofferraumvolumen390 l
Hubraum / Motor2979 cm³ / 6-Zylinder
Leistung240 kW / 326 PS bei 5800 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Verbrauch8,1 l/100 km
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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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