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Bentley Mulsanne Speed im Fahrbericht
Vollgas-Lümmeln für 300.000 Euro

Eigentlich sind Miamis Strände nur eine 20-minütige Taxifahrt vom Flughafen entfernt. Steht aber ein Bentley Mulsanne Speed für den Kurztrip zur Verfügung, kann die Strecke gar nicht lang genug sein.

Bentley Mulsanne Speed, Impression, Miami
Foto: Bentley / Daniel Hohmeyer

Irgendetwas klopft an der Hinterachse – dumpf und regelmäßig. Der Fahrer hält das Lenkrad leicht nach links eingeschlagen und fährt dennoch geradeaus. Auf dem Armaturenbrett glüht die Motorwarnleuchte. Lautstark pustet die Klimaanlage die Kälte eines winterlich zugigen Kellers durch den Innenraum.

Nein, es ist nicht der Bentley Mulsanne Speed, der vom Miami International Airport nach South Beach poltert, sondern ein Ford-Crown-Vicoria-Taxi. Für gewöhnliche Menschen die bequemste Art, um zum 12,5 Meilen entfernten Sandstrand zu gelangen. Für alle, die dort dauerhaft in Luxushochhäusern mit Meerblick residieren aber sicherlich nicht die erste Wahl. Auf der Flaniermeile des Ocean Drive dreht niemand den Kopf für einen Crown Victoria.

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Am Ocean Drive landet man standesgemäß mit dem Helikopter

Dort schreien Lamborghinis bei Ampelstarts in den Begrenzer, während Porsche 930 Turbos bei Gaslupfern knallen wie eine Werkzeugkiste, die explodierend eine Steintreppe hinunterfällt. Wer hier lebt und vom Flughafen nach Hause fährt, tut das nicht im Taxi. Schon gar nicht, wenn er zuvor mit dem Privatjet gelandet ist und die 30-Meter-Yacht hinter dem Haus ankert. Da nimmt man schon eher auf der Rückbank eines Bentley Mulsanne Speed Platz.

Oder doch lieber auf dem Fahrersitz? Laut Bentley zielt der Speed, im Gegensatz zum normalen Mulsanne, auf den Kunden ab, der gerne selbst fährt. Wer allerdings erwartet, dass der Fond deshalb zu einer desolaten Einöde verkommen ist, in die der Werks-Hausmeister zwei Gartenstühle geworfen hat, wird überrascht sein.

Das Leder von 14 Bullen überzieht den Innenraum. Die Rücksitze massieren, kühlen und heizen – sogar gleichzeitig, wenn gewünscht. Hinter der Mittelarmlehne steckt ein Kühlschrank, über die Kontrolleinheit in der Mittelkonsole kann der Beifahrersitz für mehr Beinfreiheit verschoben werden und per Knopfdruck klappen Tische mit integrierter I-Pad-Halterung aus den Rücklehnen der Vordersitze. Der Wechsel vom Crown Victoria in den Mulsanne überwältigt wie der Wechsel vom Trailerpark in den Buckingham Palace.

Sanft und lang federt das Luftfahrwerk. Selbst breite Querfugen dringen nicht in den Innenraum des 2,7 Tonnen schweren und 323.918 Euro teuren Bentley.

Vom 6,75-Liter-V8 hört man nur ein Flüstern

Die Hand des Chauffeurs ruht auf dem Ganghebel der ZF-Achtgangautomatik. Miami sei teuer geworden, sagt er beiläufig. Wenn man Immobilien kaufen wolle, wäre jetzt die letzte Gelegenheit – in den nächsten Jahren würden die Preise mit Sicherheit weiter steigen. Sorgen wie diese wirken fremd in einem Mulsanne und verdunsten in der angenehm temperierten Luft bevor sie sich überhaupt in das Bewusstsein des Passagiers drängen können.

Langsam gleitet ein Rolls Royce Phantom Drophead Coupé vorbei. Mit langem Hals mustert der Fahrer die Karosserie des Bentley und nickt zustimmend. Hier, zwischen Nordmiami und Palm Beach, umgeben von 102.000 Millionärshaushalten, bewegt sich der Mulsanne Speed unter seinesgleichen. Dabei schreit der 6,75-Liter V8-Biturbo nicht nach Aufmerksamkeit, sondern flüstert bei 1.500/min. Unter wenig Last schalten sich sogar vier seiner Zylinder ab, damit der Pegel im 96-Liter-Tank langsamer sinkt.  

Erst auf dem Highway dringt das stürmische Grollen der 537 PS an die Ohren des Fahrers – der Chauffeur wird jetzt nicht mehr gebraucht. 25 PS und 80 Newtonmeter leistet der Speed mehr als der normale Mulsanne. Insgesamt pressen 1.100 Newtonmeter das Dunlop-Profil gegen die Asphaltmaserung – und das bereits bei 1.750/min. Im Sportmodus bleibt die Drehzahl immer über 2.000/min und ein Gasstoß wirft nicht nur den Kopf des Fahrers zurück, sondern lässt  auch die Karosserie überrascht vom vehementen Vortrieb nach oben nicken.

Im Bentley Mulsanne Speed duftet es nach Bremse

Nach 4,9 Sekunden stehen 100 km/h auf dem Tacho. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist somit schnell erreicht und überschritten, weshalb der Mulsanne beim kräftigen Tritt auf die Bremse erneut nickt – diesmal nach unten. Die Stahlbremsanlage leistet Schwerstarbeit. Nach mehrmaligem Zupacken verbreitet sie ihren Geruch im Innenraum. Die Ausfahrt nach South Beach fliegt vorbei. Ach, macht nichts. Wie wäre es stattdessen mit den Florida Keys? Sind doch nur 100 Meilen.  

Für eine gefühlte Ewigkeit geht es geradeaus. Lange Brücken spannen sich von einer schmalen Insel zur nächsten. Angler liegen abseits der Straße in Klappstühlen und Jetskis umkurven Brückenpfeiler. Die Aufmerksamkeit schwindet in der einlullenden Stille des Innenraums. Ein kurzer Knopfdruck und das 2.200 Watt starke Naim-Audiosystem wirbelt Pink Floyds „Comfortably Numb“ aus 14 Lautsprechern.

Gemächlich schwimmt der 5,58 Meter lange Mulsanne durch den dichter werdenden Verkehr – neben ihm ein Ford-Crown-Victoria-Taxi. Seite an Seite rollen sie vorwärts. In einem tost die Klimaanlage, im anderen David Gilmours Gitarrensolo. Ja, vom Flughafen zum Meer fahren, das geht in beiden. Im Ford möchte man allerdings nur sein Ziel erreichen, im Bentley ist man bereits beim Einsteigen angekommen. Dann dürfen es auch gerne mal 100 Meilen mehr sein.

Technische Daten
Bentley Mulsanne Speed Speed
Grundpreis323.918 €
Außenmaße5575 x 1926 x 1521 mm
Kofferraumvolumen443 l
Hubraum / Motor6752 cm³ / 8-Zylinder
Leistung395 kW / 537 PS bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit305 km/h
Verbrauch14,6 l/100 km
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Erscheinungsdatum 03.07.2024

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