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Bentley Flying Spur im Fahrbericht
2,5 Tonnen reinstes Luxusversprechen

Bentley gliedert den zwölfzylindrigen und viertürigen Flying Spur aus der Continental-Familie aus und konzentriert sich bei der umfangreichen Modellpflege auf das Wesentliche: mehr Leistung, mehr Komfort, mehr Luxus, mehr Radstand.

Bentley Flying Spur, Frontansicht
Foto: Hersteller

Im Dunst des westeuropäischen Kleingeistes bricht sich eine Frage Bahn, die dem Bentley Flying Spur wie ein lästiges Insekt in den mächtigen Kühlergrill klatscht: „Und wann kommt der Diesel?“ Was Wunder, liegt doch im Regal des VW-Konzerns ein herrlicher V8-Selbstzünder herum. Die Antwort, mit wohltemperierter Freundlichkeit serviert: „Voraussichtlich liefern wir 60 Prozent dieser Baureihe nach China.“ Und den Rest vorwiegend in die USA, den Mittleren Osten und nach Russland. Dort genießen effiziente Antriebe einen ähnlichen Stellenwert wie der Juchtenkäfer.

Also brandet die herrschaftliche Limousine Bentley Flying Spur durch den Stadtverkehr in Peking, schiebt eine Bugwelle aus Magotan und Sagitar (VW), Excelle (Buick), Elantra (Hyundai) und C-Triomphe (Citroën) vor sich her. Respekt wird ihm kaum zuteil, sofern sich die kleinste Lücke auftut, schwappt eine neue Welle anderer Verkehrsteilnehmer an ihn heran. Der Bentley Flying Spur nimmt es mit größtmöglicher Gelassenheit hin – und in 5,30 Meter Länge passt eine erstaunliche Menge Gelassenheit.

Bentley Flying Spur mit untadeligem Luxus-Interieur

Nach rund acht Jahren Bauzeit erschien den Briten die Zeit reif für eine Modellpflege des Bentley Flying Spur, wobei der um 32 Zentimeter verlängerte Radstand gegenüber dem Continental GT erhalten blieb. Das Wachstum kommt nahezu ausschließlich den Fondpassagieren zugute, die Karosserie selbst legte in der Länge um sieben Millimeter zu. Allein im Interieur des Bentley Flying Spur mussten rund 600 Komponenten ihren Platz zugunsten neuer Teile räumen, Sonnenblenden, Türgriffe, Armlehnen und ein paar Bedienelemente in der Mittelkonsole durften bleiben. Zehn Quadratmeter Edelholz-Zierleisten – mit einem Finish, das sämtliche Normen der Spiegel-Industrie locker unterschreitet – umspielt die bis zu fünf Insassen, weiches Leder fließt bis in die letzte Ecke.

Es böte sich an, im Fond des Bentley Flying Spur Platz zu nehmen und ganz unstandesgemäß dem Kühlfach eine Flasche besten Weißbieres zu entreißen, mit dem entnehmbaren, berührungsempfindlichen Monitor den Chauffeur ein bisschen zu ärgern und ihm einfach ein neues Ziel in die Navigation zu programmieren. Doch zu sehr lockt der Platz vorne links, dort wo berührungsempfindliche Pedale darauf warten, den aufgeladenen Zwölfzylinder-Benziner im Bentley Flying Spur zu befehligen, die Masse von rund 2,5 Tonnen zu beschleunigen und abzubremsen.

W12-Motor wurde noch stärker

Links vom Steuer des Bentley Flying Spur befindet sich das Zündschloss, ein Startknopf redundiert auf der Mittelkonsole. Nach einem heiseren Räuspern des Anlassers beschäftigt sich das 6,0-Liter-Triebwerk vor allem damit, nicht aufzufallen. Nur wer die bis zu 1.100 Watt starke Audioanlage ausschaltet, hört, wie die beiden Lader bei Gaswegnahme ganz weit vorne im Bug ihren Druck ablassen, wie die zwölf Zylinder summen. Es schwillt bestenfalls zu einem präsenten Knurren an, aber auch nur dann, wenn der Bentley Flying Spur-Fahrer unbedingt meint, den Motor mehr als 4.000/min drehen lassen zu müssen. Um 40 Prozent sei der Bentley Flying Spur innen leiser geworden, sagt Bentley, doch bereits vor der Modellpflege war er nur unwesentlich lauter als eine Sanduhr. Irgendwo knirscht verschämt etwas Leder, dezent klickend rasten die Regler der Klimautomatik, sanft ploppend öffnen die Lüftungsdüsen – jede offenbar aus zwei Pfund Aluminium gefräst.

Apropos: Aus diesem Leichtmetall bestehen nun auch die Motorhaube sowie die vorderen Kotflügel, der Heckdeckel wird aus einem Verbundwerkstoff gefertigt. Das soll die Bentley Flying Spur-Karosserie um 50 Kilogramm erleichtern und vier Prozent versteifen, das Gesamtgewicht stieg dennoch um 35 Kilogramm. Welch unfassbares Glück, dass auch die Leistung des W12 von 560 auf 625 PS anschwoll, das maximale Drehmoment beträgt nun 800 Newtonmeter bei 2.000 Umdrehungen (zuvor: 650 Nm bei 1.600/min).

Der Dunst Pekings liegt längst hinter dem Bentley Flying Spur, gut ausgebaute Landstraßen nördlich des 22-Millionen-Einwohner-Wahnsinns fordern die Limousine heraus. Sie dümpelt gerade noch in der achten Fahrstufe ihrer ZF-Automatik bei 1.300/min herum, braucht einen Moment, bis der passende Gang gefunden ist und der Ladedruck steht. „Ein eher sanftes Ansprechen des Getriebes in der Stufe D ist durchaus gewünscht, die Reaktion der Lader ließe sich erst mittels einer variablen Turbinengeometrie verbessern“, referiert Bentley-Entwicklungschef Rolf Frech. Dafür war das Budget allerdings zu knapp bemessen, ebenso für eine Direkteinspritzung sowie die neueste Technologie bei Fahrerassistenz- und Sicherheitssystemen. Nicht schlimm? Wenn der Bentley Flying Spur dem Mercedes S 600 und dem BMW 760 Li Kunden klauen möchte, zumindest nicht unerheblich.

Am Motor des Bentley Flying Spur sollte es jedenfalls nicht scheitern, denn seine Kraft jenseits von 2.000/min ist schlicht erschütternd. Er schultert den britischen Brocken völlig ungerührt, schiebt ihn laut Werk in 4,6 Sekunden von null auf 100 km/h. Im Falle der manuellen Gangwahl bleibt das Triebwerk stets hellwach, leistet sich keine Verschnaufpause.

Komfort bleibt die Stärke des Bentley Flying Spur

Wie das Fahrwerk mitspielt? Ziemlich souverän, obwohl der längere Radstand eine weichere Auslegung von Federn, Stabilisatoren und Lagerbuchsen erlaubt. Die breitere Spur (vorne plus 20, hinten plus 35 Millimeter) sowie der Allradantrieb mit Torsen-Differenzial und einer hecklastigen Kraftverteilung von 40 zu 60 Prozent gestatten dem Bentley Flying Spur ein angemessen agiles Handling mit mild untersteuerndem Kurvenverhalten. Ungeachtet seiner Masse lässt er seinen Piloten durch die sensibel abgestimmte Lenkung nie im Unklaren, bekennt sich so zum Image des Selbstfahrer-Autos.

Die Stärke der in vier Stufen einstellbaren Luftfederung im Bentley Flying Spur bleibt allerdings der Komfort. Selbst im softesten Modus stören keine ausufernden Vertikalbewegungen der Karosserie, und wer behauptet, große Räder störten grundsätzlich jedwede Harmonie, lernt nun dazu: Vom 21-Zoll-Schuhwerk (optional) ist jedenfalls nichts zu hören oder spüren, was den Frieden an Bord stört.

Inzwischen schiebt der Bentley Flying Spur wieder eine Bugwelle vorwiegend in fröhlichem Schwarz und Silber lackierter Stufenheck-Limousinen durch die wabernde Großstadt, erhaben, ungerührt. Und so bricht sich am Ende erneut eine vielleicht nicht ganz so kleingeistige Frage Bahn: „Was spricht nun eigentlich noch für den 100.000 Euro teureren Mulsanne?“ Eine befriedigende Antwort darauf steht noch aus.

Fazit

Leistung, Federungs- und Geräuschkomfort? Splendid. Da sich allerdings die Realität diesseits unendlicher Individualisierungsmöglichkeiten und edelster Materialien abspielt, verhindert das mäßige Angebot an Fahrerassistenz- und Sicherheitstechnologien eine bessere Bewertung.

Technische Daten
Bentley Flying Spur W12
Grundpreis197.302 €
Außenmaße5299 x 1924 x 1488 mm
Kofferraumvolumen475 l
Hubraum / Motor5998 cm³ / 12-Zylinder
Leistung460 kW / 625 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit320 km/h
Verbrauch14,7 l/100 km
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Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten