Alpine A290: Diesem Franzosen fehlt es an Biss

Alpine A290
Dem A290 fehlt es an Biss

Veröffentlicht am 07.11.2024

Ende 2017 war es, als die Renault-Marke Alpine mit dem Start des Leichtbau-Coupés A110 wiederbelebt wurde. Als zweite Baureihe folgt nun sieben Jahre später der Kleinwagen A290. Wie A110-Tests belegen, versteht die Alpine-Truppe Fahrspaß der allerhöchsten Güte. Für den A290 sind die Voraussetzungen jedoch auf links gekrempelt, denn während sie den Mittelmotor-Zweisitzer vollständig selbst entwickelt haben, galt es nun, einen frontangetriebenen Renault 5 zum Sportfließheck umzubauen. Gut also, dass zum Team Ingenieure gehören, die an den teils glorreichen Modellen Clio R.S. und Mégane R.S. beteiligt waren.

Hardware-Unterschiede: Renault 5 gegen A290

Der strikte Leichtbaufokus beim A110 blieb dem A290 verwehrt, auch um die Verkaufspreise (38.700 bis 46.200 Euro) nicht durch die Decke zu jagen. Zwar sind im Vergleich mit dem R5 Achsschenkel und Motorhilfsrahmen aus Aluminium statt Stahl gefertigt, trotzdem wiegt der A290 ohne Fahrer 1479 kg und somit 30 kg mehr als der Renault 5. Das Mehrgewicht verursachen der Motor aus dem Scénic E-Tech sowie größere Räder und Bremsen. Vorne drücken Brembo-Vierkolbensättel die Bremsbeläge gegen 320-mm-Scheiben, hinten sind die Bremszangen des R5 installiert. Hier wie dort gleich: der flüssigkeitsgekühlte 52-kWh-Akku am Unterboden, der rund 300 kg wiegt.

Alpine A290 GTS blue - Photos
Yannick Brossard

Fahrwerksseitig übernimmt der A290 die Stoßdämpfer des R5, allerdings sind sie anders abgestimmt und anschlaggepuffert. Tiefer legt Alpine die Karosserie nicht, federt sie aber etwas straffer und stützt sie mit dickeren Stabilisatoren. Und die Reifen? Die 177-PS-Modelle stehen auf rollwiderstandsoptimierten Michelin Pilot Sport EV, die 218-PS-Varianten GT Performance und GTS stellt Alpine auf Pilot Sport S 5. Zur Einordnung: Das ist Michelins sportlichstes Modell unterhalb der Rennstrecken-fokussierten Cup-Gummis.

Landstraße im A290 GTS

Auf dem GTS-Testwagen sind S 5 montiert, deren "A29"-Schriftzug eine spezielle Abstimmung für den A290 anzeigt. So gripstark wie gewohnt wirken sie auf dem Alpine allerdings nicht, jedenfalls schlittert er in mittelspitzen Kurven gerne mal unerwartet früh leicht ins Untersteuern. Das mag aber auch an der Fahrwerksabstimmung liegen, die für ein frontangetriebenes Sportmodell zu weich und wenig aggressiv ausfällt. Der Federungskomfort ist deshalb zwar gut, aber kurveneingangs setzt der Zweihundertneunzig Lenkbewegungen nur mit halbsportlicher Direktheit und zu wenig Biss um.

Alpine A290 GTS blue - Photos
Yannick Brossard

Also liefert die Multilink-Hinterachse die Würze im Fahrverhalten? Nicht so recht, denn in spitzen Kurven scheint der Franzose hinten nie mal ein kurveninneres Rad zu heben, um das Heck ein wenig einzudrehen. Und auch, wenn du beim zackigen Einlenken das Fahrpedal lupfst, sackt oft nur die Front stärker in die Federn, aber ein richtiger Rotationsimpuls bleibt selbst mit abgeschaltetem ESP meist aus – obwohl die Lift-off-Oversteer-Technik im Coaching-Bereich des Infotainments sogar detailliert erklärt wird.

Der Computer regelt die Antriebs-Action weg

Die Liste der abzuprüfenden Hot-Hatch-Tugenden wird kürzer, aber noch bleibt ja der Antrieb. Geschaltet wird nicht, nur die Rekuperation kann in vier Stufen (keine Einpedaloption) per Drehschalter am Lenkrad gesetzt werden. Motorseitig landet der A290 mit 218 PS und 300 Nm im Bereich der Bilderbuch-Frontkratzer Ford Fiesta ST und Hyundai i20 N. Eine Differenzialsperre fehlt dem Franzosen, in Kurven reinzerren kann er sich also nicht – schade, aber kein Drama.

Richtig bitter hingegen: die Abstimmung der "Alpine Torque Pre-Control". Das System arbeitet im Prinzip wie eine sehr schnelle Traktionskontrolle, die im Regelfall ohne zusätzliche Bremseinsätze auskommt. Nur lässt das System auch im Sportmodus kaum Schlupf zu. Selbst mit abgeschaltetem ESP kannst du am Kurvenscheitel einfach Vollstrom geben – dann zirpt kurz ein Reifen, anschließend regelt die Elektronik das Drehmoment, bis das Lenkrad fast wieder seine Nullposition erreicht. Anders formuliert: durchdrehende Räder lässt das System nicht zu. Langsamer bist du deshalb kaum, nur geht die ganze Antriebs-Action typischer Sport-Frontkratzer deshalb komplett flöten. Und gleichzeitig eben auch das Erfolgserlebnis, wenn du das Strompedal präzise dosierst und das richtige Maß an Schlupf triffst.

Alpine A290 GTS blue - Photos
Yannick Brossard

Abgesehen vom generierten Motorklang entreißt Alpine dem ölgekühlten Motor damit auch so gut wie alles, was ihm an Inszenierung bleibt. Denn der hat zwar reichlich Kraft und zupft hier und da auch mal mit seinen Newtonmetern an der Lenkung. Nur fühlen sich 218 PS ohne Schaltvorgänge oder eine echte Leistungsentfaltung ziemlich unspektakulär an. Für den Nullhundertsprint genügen ihm 6,4 Sekunden, Schluss ist allerdings schon bei 170 km/h (177-PS-Modell: 7,4 s, 160 km/h). Über das Wohlbefinden der Antriebskomponenten informiert das Infotainment: Das zeigt Temperaturen für Akku und Motor an, außerdem auch berechnete Celsiuswerte für die Bremsanlage.

Ballermann für Kompaktsportler: Circuit Mallorca

Auf dem kleinen Rundkurs "Circuit Mallorca" wirkt das Fahrverhalten insgesamt stimmiger, denn hier hast du mehr Platz und lenkst Kurven mit entsprechend weniger Lenkwinkel an. Auch reicht hier das Tempo, um der Hinterachse sowohl auf der Bremse als auch via Fahrpedallupfer etwas Agilität zu entlocken. Und das Torque-Pre-Control-System? Das spürst du auf der Rennstrecke seltener, in den spitzen Kurven aber schon. Und auch auf den Curbs: Obwohl das Fahrwerk mit denen gut zurechtkommt, führen die Unebenheiten zu kurzen Drehmomentdrosselungen, die du über den eingespielten Motorklang auch hörst. Trotzdem erreicht der A290 auf der Piste ein recht ordentliches Fahrspaßniveau.

364 Kilometer im WLTP-Zyklus

Das hat aber nur wenig Relevanz, da der in Frankreich gebaute Akku mit 52 kWh und klassengemäßer Ladeleistung ohnehin nicht besonders gut für Track-Days geeignet ist. Laut Datenblatt beträgt der Spitzenwert beim Laden 100 kW und für eine 15-auf-80-Prozent-Ladung sollen 30 Minuten vergehen (AC: 11 kW). Da bietet sich eher an, einige Touristenrunden auf der Nordschleife zu drehen – da kneifen die Ladepausen weniger. Davon abgesehen verbucht der GTS (218 PS) im WLTP-Zyklus eine Reichweite von 364 Kilometern und einen Verbrauch von 16,5 kWh/100 km.