MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"11630743","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}

Abarth 124 Spider und Fiat Abarth 124 Sport Spider
Neuer Roadster trifft seinen Ahnen

Inhalt von

Im Herzen ist der Abarth 124 Italiener, seine technischen Wurzeln jedoch liegen in Japan. Eine multikulturelle Erfolgsgeschichte im Abgleich mit der Urfassung, aus der sie zitiert.

Abart 142 Spider, Fiat Abart Sport Spider, Impression
Foto: Lena Willgalis

Bevor wir uns gleich alle in den Armen liegen vor lauter Glückseligkeit über den gelungenen Zusammenschluss fernöstlicher Leichtbautechnologie und tradizione sportivo, muss noch einmal mahnend erinnert werden, dass diese Liaison bei Weitem kein Selbstläufer ist.

Ausgangspunkt des Abarth 124 Spider ist der Mazda MX-5

Anfang der Achtziger hatten sich Japan und Italien nämlich schon einmal miteinander eingelassen. Die Protagonisten damals: Nissan und Alfa. An sich war die Idee hinter dem Joint Venture richtig gut. Die einen suchten einen Weg an den damaligen Einfuhrrestriktionen vorbei, die anderen Unterstützung in Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs.

Dumm nur, dass man die Rollen äußerst ungeschickt verteilte. Statt die grundsolide Nippon-Technik einfach südländisch einzukleiden, wie es ja auf der Hand gelegen hätte, machte man es genau andersrum. Die Folge war eine der schlimmsten Missbildungen, die die Automobilgeschichte je hervorbringen sollte – ein labil motorisierter Kompaktwagen, gezeichnet von und mit himmelschreiender Inspirationslosigkeit: der Alfa Romeo Arna. Möge er in der Hölle schmoren.

Angesichts solch finsterer Kapitel ist es umso erfreulicher, dass es diesmal so prima hingehauen hat mit der Kollaboration dieser zwei doch sehr entlegenen Automobilkulturen. Ausgangspunkt des Abarth 124 Spider ist der Mazda MX-5: zweisitzig, stoffverdeckt, hinterradgetrieben, leicht – für einen guten Roadster also schon mal die halbe Miete. Fiat verändert auch nur zwei Dinge. Statt Saugmotoren pflanzen sie hauseigene Turbos ein, außerdem wird ein eigenes Blechkleid über das Technikgerippe gestülpt, das sichtbar weiter überhängt als das radbündig geschnittene Original und recht kokett mit der Historie flirtet.

Retro trifft Rennsport

Die Nummer mit der Retro-Romantik zieht. Das wissen Sie im Centro Stile seit der Wiedergeburt des 500 nur zu gut. Doch weil sich jedes Bonbon ja irgendwann mal auslutscht, egal wie süß es ist, installiert man jetzt eben noch einen zweiten Geschmacksträger. Wie der Cinque soll auch der 124er ein Gegenpol zur Biederware sein, einer den man nicht kauft, obwohl er ein Fiat ist, sondern deswegen – im Prinzip also wieder genau das, was er schon in seinem ersten Leben gewesen ist.

Die Spider-Geschichte, also die erste Episode, beginnt 1966, entstammt der Feder Pininfarinas und ist fast 20 Jahre lang. Dazwischen liegen diverse Modellpflegen, 198.107 gebaute Exemplare und zwei sportliche Höhepunkte: die späten Volumex-Modelle mit Kompressor und 135 PS und der Abarth, der wie damals üblich nicht aus Jux und Tollerei entstand, sondern aufgrund konkreter Absichten.

Wir sind in den Siebzigern. Fiat hatte langsam Wind bekommen, was Privatfahrer bei Rallye-Einsätzen aus den Fetzendach-Roadstern herausholten, und beauftragte Abarth mit der Entwicklung einer Gruppe-4-Version. Ergebnis: eine im Wettbewerbstrimm auf bis zu 210 PS leistungsgesteigerte Extremstufe des 2+2. Mit Hardtop, Weber-Doppelvergasern, Leichtbaumodifikationen und einzeln aufgehängten Rädern rundum anstatt der starren Serienhinterachse. 1.000 Stück davon mussten gebaut werden, so wollte es das Reglement. Das heißt, eigentlich hätten 1.000 Stück gebaut werden müssen, wobei keiner mehr so sicher weiß, ob sie damals bei der Abnahme nicht dieselben Autos mehrfach an den zugedrückten Augen der Funktionäre vorbeigefahren haben.

Im Abarth 124 Sport Spider riecht es derbe nach Sprit

Jener hier ist jedenfalls einer von diesen wer weiß wie vielen. Und sein Besitzer Werner Hagen hat es ihm richtig heimelig gemacht: Olivenbäumchen, Terrakotta, die ausrangierte Leuchttafel einer Fiat-Werkstatt, reichlich Memorabilia, und – etwas abseits – ein Fiat Freemont, der einen ganz unterschwellig daran erinnert, dass Markentreue zu Italienern immer auch mit Tapferkeit zu tun hat.

Die Kulisse wirkt jedenfalls so stilecht wie der Abarth Spider selbst. Dabei ist er nicht mehr ganz das, was er ursprünglich gewesen ist – nicht nur ein Homologationsmodell, sondern eher einer, der denen nacheiferte, die er homologierte. Das höhergelegte Fahrwerk zeugt von vergangenen Rallye-Einsätzen in San Remo und bei der Akropolis, die patinierte Karosserie davon, dass das kein Zuckerschlecken gewesen sein kann. Und wenn man sich anschaut, dass er selbst in seinem Alter noch Semi-Slicks aufträgt, wird klar, dass auch sein Ruhestand kein wirklich ruhiger ist.

Mit Alltäglichem hat er seine liebe Mühe. Beim Rangieren verkantet sich die Hinterachssperrmechanik aufs Übelste, das schrägverzahnte Colotti-Getriebe braucht es handfest, drinnen riecht's derbe nach Sprit, und dann krawallschachtelt der Achtzehnhunderter derart durch den blankblechernen Innenraum, dass Gedankenaustausch mit Handzeichen unterstützt werden muss. „Der Motor hat sicher mehr als die originalen 128 PS der Straßenversion“, brüllt Werner Hagen zu mir rüber, als wir mit knapp 50 durch ein mittelfränkisches Örtchen donnern. Wie viel genau, wisse er nicht. Und auch das Drehzahllimit liege höher, als er zu drehen wage. 8000 sollten locker drin sein.„ “Wie bitte?„ “ACHTTAUSEND!„

Vierzylinder gegen 900 Kilogramm

Der Vierzylinder presst die rund 900 Kilo ordentlich voran, wobei es weniger der Motor ist, der den Vortrieb belebt, sondern vielmehr die Tatsache, dass wenig da ist, was ihn hemmt. Dennoch: Das Tempo wächst langsamer an als die Dramatik. Auf Bodenwellen gerät alles ein bisschen ins Hoppeln, das Einlenken hat tatsächlich Züge von diesem Gokart-Feeling, das einem so oft so falsch versprochen wird. Und wenn man es hinkriegt, den 124er mit richtig Zug an der Kette um eine Ecke zu zerren, fehlt nicht viel und er höbe das entlastete Vorderrad – genau wie seine Ahnen, damals vor 40 Jahren in den Kehren des Turini.

Für den Jungspund ist es natürlich kompliziert, sich in Szene zu setzen. Schon mal grundsätzlich, weil früher ja immer mehr Lametta war, und diesmal ganz besonders. Als Stangenware fehlt ihm natürlich der rohe Charme seines wettbewerbsgegerbten Ahnen, sodass er schon ein bisschen bussi-bussiert dasteht im ersten Augenblick. Navi, Klima, Tempomat, für Stilbrüchige wird sogar eine Automatik angeboten. Schaurig, allein der Gedanke daran …

Dabei ist der neue 124er richtig nah dran an seinem historischen Anknüpfungspunkt. Nicht nur dass Abarth mit einer R-GT-Version demnächst sogar an die Verbindung in den Rallye-Sport anknüpft, auch der Straßenversion haben sie durchaus ihren Stempel aufgedrückt. Und nein, damit ist nicht die Plakette auf der Mittelkonsole gemeint.

Montage in Japan, Finish in Italien

Schon bei der Produktion trennt sich die Spreu vom Weizen. Die Fiat werden nach ihrer Endmontage in Japan sofort ausgeliefert, die Abarth hingegen machen noch einen Abstecher nach Italien, wo man ihnen Dinge wie die Abgasanlage oder den klassischen Bicolore-Look verpasst. Den MX-5 kriegt man damit zwar auch nicht ausgetrieben, dafür steckt er einfach zu tief drin, jedoch wirkt alles hier ein wenig pointierter. Der Abarth 124 Spider klingt frecher, brabbelt, blubbert und gurgelt, und natürlich geht er mit seinem 170-PS-Turbo schmissiger voran.

Aufgrund motorischer Unterschiede wiegt er zwar 50 Kilo mehr als der 160-PS-Mazda, macht im Gegenzug aber 50 Nm mehr mobil, die obendrein 1.900/min früher anliegen. Die Folgen sind ein verbessertes Sprintvermögen in der Theorie und mehr Spielraum in der Praxis. Oder konkret: Im Mazda musst du alles auf den Schwung ausrichten. Der darf nicht verloren gehen, einfach weil seine Wiederaufnahme so mühselig ist. Den Abarth indes fährst du nicht um seinen Motor herum, sondern aus ihm heraus, was auch etwas mehr Lebhaftigkeit für die gesperrte Hinterachse bedeutet – spürbar schon beim Abbiegen oder in Kreisverkehren, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Ob der Abarth 124 Spider deswegen gleich der bessere MX-5 ist? Nein! Aber er ist anders, energischer, fokussierter vielleicht. Viel wichtiger jedoch, auch er macht glücklich: mit seinem Verdeck, das du mit einer Armbewegung öffnest oder schließt; mit seinem Handling, das einen schönen Mittelweg findet zwischen reiner Fahrspaßblödelei und ernst gemeinter Fahrdynamik; und natürlich mit seiner Gewichtssituation, die schon damals den Reiz eines Roadsters ausmachte und heute oftmals dafür verantwortlich ist, dass Roadstern dieser Reiz abhandenkommt.

Laut Werner Hagen bleibt nur ein kleiner Schönheitsfehler: „Ich hätte mir statt des Eins-Vierers einen 1,8-Liter-Motor gewünscht, so wie früher“, sagt er. Ein schöner Schlussgedanke, finde ich, zumal ein entsprechendes Triebwerk ja herumläge im FCA-Konzern: 245 PS stark, bekannt aus dem 4C.

Die aktuelle Ausgabe
Sport Auto 03 / 2022

Erscheinungsdatum 04.02.2022

132 Seiten