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Ruf Turbo Ultimate und SCR 4.2
Klassische Porsche 911 mit moderner Technik

Viele wollen sie, nur wenige bekommen sie, da die meisten, die einen besitzen, ihn nicht hergeben: klassische Porsche 911. Also baut Ruf sie neu auf, frei interpretiert. Einmal mit Turbodampf im Carbon-Shirt, einmal mit GT3-Saugmotor und langem Radstand. Wir haben uns den Ruf Turbo Ultimate und SCR 4.2 genauer angesehen.

Ruf Turbo Ultimate und SCR 4.2, Impression, Ausfahrt
Foto: Achim Hartmann

Für die typische Föhnwetterlage bleibt die Sicht heute ein kleines bisschen zu diffus, sie kann es also nicht sein. Welches Phänomen schafft es dann, die bayerischen und Tiroler Alpen direkt auf dem schmalen, mit Alcantara bezogenes Armaturenbrett aufzuschichten, zum Greifen nahe, so, wie es sonst nur die vom Fallwind erwärmte Luft und dadurch kristallklare Sicht zu schaffen vermag? Ein mechanisches, ein sehr mechanisches sogar. Eines, dessen sechs Zylinder ein Verhältnis von Bohrung zu Hub 100 zu 76,4 Millimeter aufweisen. Eines, dem zwei Turbolader mit einem relativen Druck von 1,15 bar noch mal mehr Leistung abringen. Eines mit Luftkühlung. Eines, das im Heck sitzt. Im Heck eines Sportwagens, der mal als Porsche 911 der Generation 964 aus der Fertigung in Stuttgart-Zuffenhausen röchelte.

Ruf Turbo Ultimate und SCR 4.2, Impression, Ausfahrt
Achim Hartmann
Durch die Perforation am Heck findet die Abluft der Triebwerke einen Weg ins Freie.

Jetzt, als Ruf Turbo Ultimate, leistet er 590 PS, denen das Leergewicht von etwa 1,2 Tonnen nicht besonders lange die Stirn bietet. Ein leichtes Shirt aus Carbon haben sie ihm übergestülpt, ein komplettes Bauteil, das von den A-Säulen über die Dachhaut bis zu den hinteren Seitenteilen die klassische Elfer-Form in den modernen Werkstoff übersetzt. Aber irgendwas passt gerade nicht, irgendetwas mischt sich unter den dumpf schnaubenden, brodelnden Klang des von einem 993 stibitzten und modifizierten Triebwerks.

SCR 4.2 mit brutalem Klang

Eine Welle aus Gebrüll, Geschrei, hemmungslos artikulierter Wut, ja Zorn sogar, türmt sich auf, bricht – ein Gangwechsel –, schwillt sofort wieder an. Der knallorange SCR 4.2 zoomt sich nicht an die Alpen heran, er befiehlt sie herbei. Ruf schickt noch eine zweite Neuinterpretation des ewigen Elfer-Themas, diesmal auf 993-Basis. Ohne Carbon (na ja, fast: Türen und Hauben bestehen aus Kohlefaserverbundwerkstoff), ohne aufgeladenes Triebwerk. Dafür mit um zwei Zentimeter nach vorne versetzter Vorderachse, die Mehrlenkerachse hinten steckt dafür fünf Zentimeter weiter heckwärts.

Das Triebwerk? Stammt aus dem 997 GT3. Wasserkühlung also. Hatte mal 3,8 Liter Hubraum, jetzt 4,2, da mehr Bohrung und mehr Hub. 105,1 mal 80,4 statt 102,7 mal 76,4 Millimeter, so viel Zeit muss sein. Die Leistung? 525 PS. Viel wichtiger: bei 8.350 Umdrehungen. Weniger ein Phänomen wie der Turbo-Ballistiker Ultimate, sondern ein Tier. Eines, das gerne rohes Steak frühstückt und sich in einer Zeit zurechtfinden muss, in der die Lebensmittelindustrie vegane Fleischwaren als großen Wachstumsmarkt identifiziert hat. Eine Zeit, die andererseits eine Klientel destilliert, die sich nach Ehrlichkeit sehnt. Und nicht nur in der Lage ist, dafür zu bezahlen, sondern es auch will. Sie klopfen traditionell gerne bei Alois Ruf an, doch vor seiner Tür stehen weit weniger in Ehren ergraute Herrenfahrer als vermutet. „Dadurch, dass unser Yellowbird von 1987 virtuell in Rennsimulationen über den Bildschirm im Wohnzimmer rast, kennen uns inzwischen viele jüngere Autofans“, weiß Alois Ruf.

Mehr als 400.000 Euro Grundpreis

Nun gut, von der Playstation bis zu einem der beiden echten Elfer, die mal mehr (Turbo Ultimate) und mal viel mehr (SCR 4.2) als 400.000 Euro kosten, vergeht ja schon mal die eine oder andere Start-up-Pleite. Wie auch immer, Ruf erklärt überzeugt: „Die Nachfrage nach Sportwagen in klassischer Optik, aber mit moderner Technik ist groß.“ Daher ging er sowohl das Wagnis mit Carbon als auch das mit der Elektronik unterschiedlicher Generationen ein. Letzteres führt dazu, dass der SCR noch nicht jenen Grad der Perfektion erreicht, den sich der Firmenchef wünscht.

Ruf Turbo Ultimate und SCR 4.2, Impression, Ausfahrt
Achim Hartmann
Im Heck des SCR 4.2 findet der aus dem 997 GT3 entnommene Sauger mit Wasserkühlung Platz.

Das 993- und das 997-Steuergerät kommunizieren noch nicht ohne Missverständnisse. Vielleicht so wie Eltern mit ihren pubertierenden Kindern: „Ey Alder, yolo.“ „Klar, stehen im Kühlschrank. Gibt Erdbeere oder Pfirsich.“ Doch das sind Details, denn der SCR fährt. Schnell. Sehr schnell. Nachdem er dich in seinem mit schwindelerregendem Pascha-Muster bezogenen Schalensitz aufgesogen hat, dich unmissverständlich bittet, schnellstmöglich mit dem leicht nach rechts versetzten Lenkrad zu arrangieren. Dir darüber klar zu werden, dass zwar ein Airbag und ABS in ihm stecken, aber nichts, was helfen könnte, die Leistung zu kontrollieren. Das steckt alles in dir.

Langer Radstand sorgt für nötige Stabilität

Okay, Ruf lässt dich nicht ganz allein. Die Sache mit dem Radstand. Der Firmenchef erklärt: „So läuft das Auto vor allem bei hohem Tempo stabiler.“ Wie hoch das Tempo ausfallen könnte? Bis zu 322 km/h. Denn der SCR wiegt sogar ein paar Kilogramm weniger als der Ultimate. Wegen des Saugmotors. Der übrigens im Leerlauf jenes charakteristische, unrunde Röcheln abgelegt hat, mit dem der GT3 für gewöhnlich die Nachbarschaft aus dem Bett schubst. Liegt nicht nur an den Motormodifikationen, sondern auch an der geänderten Abgasanlage mit getrennten, längeren Rohren. Und während du gedanklich noch darin zwischen den wenigen Schalldämpfern herumwanderst, schnappt sich der Boxermotor deinen rechten Fuß, die Nadel des Drehzahlmesser schnellt nach oben, 4.000/min, Drama, erster Akt, heiseres Brüllen, 6.000, zweiter Akt, Schreien, 8.000, dritter Akt, Apokalypse. Gangwechsel. Leicht, schnell, präzise, beiläufig – modern eben.

Definition von „ultimativ“

Das 993-Getriebe im Ultimate lässt sich da schon etwas mehr bitten. Schön übrigens auch, dass Ruf ausgerechnet in der blauen Zwille auf den beruhigenden, langen Radstand verzichtet. Könntest du dir bei Tempo 339 gut vorstellen. Auch, wenn du versuchst, in 10,1 Sekunden von 0 auf 200 km/h zu beschleunigen. Dann kommt es eben auf die Cup-Reifen an. Und das Differenzial mit 25 Prozent Sperrwirkung, denn der Ultimate treibt nur die Hinterräder an. Allradantrieb erhöht das Gewicht, baut Ruf aber gegen Aufpreis ein.

Doch der Ultimate soll ja ultimativ sein, was sich schließlich mit überragend, maßgebend, richtungsweisend übersetzen lässt. Wo sich heute vom Waschmittel bis zur Urlaubsreise fast alles damit etikettiert, der Ruf löst das Versprechen seines Namens ein. Innen gibt er sich weniger psychedelisch, dafür symmetrisch kariert, packt genauso bestimmend zu. Das schlanke, airbaglose Dreispeichenlenkrad macht den Vorsatz weniger offensichtlich, die in einer Ebene aufgereihten, stehenden Pedale wiederum die Absicht: Tritt mich. Wenn du willst mit Zwischengas, Hacke, Spitze, wenn du kannst.

Wenn meine Turbo-Gewalt nicht deine Feinmotorik platt walzt. Und ja, das kann passieren. Gerade dann nämlich, wenn du dich darüber freust, endlich die Choreografie zwischen Kupplung und Gas optimiert zu haben. Ist bei beiden nicht ganz einfach und hat auch nichts mit der degenerierenden Wirkung von Automatikgetrieben zu tun. Beim SCR kommt die Kupplung früh und wüst, beim Ultimate spät. Und wüst. Bei 4.500 Umdrehungen kommt dann übrigens noch etwas: das maximale Drehmoment von 720 Newtonmetern. Erstmals packt dich die Welle bei etwas über 3.000/min, reißt dich noch ein Stück mit nach oben. Darunter? Flaute. Alte Schule.

Ruf Turbo Ultimate und SCR 4.2, Impression, Ausfahrt
Achim Hartmann
Kein Airbag, dafür reichlich Carbon. Das Interieur des Turbo Ultimate ist wunderschön eingerichtet.

Viel Carbon im Ultimate

Neue Schule dagegen: penibel verarbeitetes Alcantara. Mit Ziernähten in Wagenfarbe. Es wechselt sich mit Sichtkarbon ab. Und eben das versteckte Carbon. Nur elf Kilogramm wiegt die Dachhaut, das Serienteil 65 kg. Dazu addieren sich wiederum acht Kilogramm für den integrierten Überrollkäfig. Zahlenspiele, die der Gesamtkomposition nur bedingt gerecht werden. Obwohl der Ultimate wutschnaubend mit Leistung um sich wirft, fährt er sich jene Nuance weniger eckig, die ausreicht, um ihn als modernes Auto einzustufen. Sneaker-Socken in 80er-Jahre-Lederslippern sozusagen. Ein Sportwagen für Freunde der Geschwindigkeit. Geschwindigkeit, die du schon innerhalb der erlaubten Grenzen erlebst.

Das Erlebnis außerhalb dieser Grenzen liegt irgendwo auf einer anderen Umlaufbahn. Gleiches gilt natürlich auch für den SCR 4.2, der dabei aber ausschweifender wirkt, weniger verdichtet, allein wegen des Theaters, das der Saugmotor noch dann vollführt, wenn der Biturbo unbedingt schon den nächsten Gang will – bei 7000/min.

Angenehm radikal

Scheuchst du die beiden durch Kurven, wunderst du dich über die Seitenneigung, bis dir einfällt: Hey, es sind ja auch noch alle Bandscheiben da, wo sie sein sollen, und kullern nicht durch die leer geräumten Cockpits. Die für diese Leistungsklasse softe Fahrwerksauslegung erdet auch die tatsächliche Geschwindigkeit, von der Alltagstauglichkeit abgesehen. Ach, nach der Traktion fragen Sie? Eine Frage der Selbstbeherrschung. Oder des Selbstbewusstseins.

Doch du musst die zwei nicht reizen, um sie zu erleben. Vielmehr erlebst du ihre Reize. Beim Einsteigen, beim Drehen des Zündschlüssels, beim Fahren erst recht, denn mit weniger als 1,70 Meter Breite benötigen sie wenig Platz auf Landstraßen. Na, dann kannst du dich ja ein wenig umsehen hier im schönen Voralpenland. Aber Vorsicht mit dem rechten Fuß. Sonst liegt das Gebirge wieder auf deinem Schoß. Auch ohne Föhn.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten