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Chevrolet Corvette Grand Sport in Hockenheim
Mit Saugmotor-Power über den Hockenheimring

Wenn sich die Dramatik eines Winter-Spätnachmittags in schlichter Gestalt zweier Schlüssel materialisiert: Der eine sperrt den Hockenheimring auf, der andere startet den 6,2-Liter-V8 der Corvette Grand Sport.

Chevrolet Corvette Grand Sport, Seitenansicht
Foto: Hans-Dieter Seufert

Ein bisschen erzählen wir Ihnen mit den folgenden Zeilen die Geschichte einer bewegten und nie völlig erloschenen Beziehung. Der Hockenheimring und auto motor und sport – die geniale Allianz zweier Institutionen zum Aufdecken von Stärken und Schwächen automobiler Neuheiten. Leider kommen wir heute immer seltener drauf. Die Strecke ist oft ausgebucht durch Trainings und Events. Trotzdem: An der Flexibilität des Managements scheiterte es nie. Wenn wirklich nötig, findet sich immer eine Lücke.

Chevrolet Corvette Grand Sport, Motor
Hans-Dieter Seufert
Der 6,2-Liter-V8 dreht gerne mal über 6.000/min.

Jetzt, im Winter, treten diese Lücken in beachtlicher Quantität und Qualität auf, weil trockene Bedingungen inzwischen zwar wahrscheinlich, jedoch nur mäßig planbar sind. Die Corvette Grand Sport, beschließt die Redaktion, müsse ausgeführt werden. Und fotografiert ebenfalls, bevorzugt in Dämmerung und Dunkelheit. „Klar, gerne“, antwortet Hockenheim, „wir sind zwar heute ausnahmsweise etwas früher weg, überlassen euch aber den Schlüssel. Sperrt ab, wenn ihr fertig seid.“ Ernsthaft?! Lieber nicht laut fragen – machen.

Private Abendrunde auf dem Hockenheimring

Also rollt die in Admiralblau getauchte und mit Grand-Sport-Heritage- und Racing-Sticker-Paket (darin stecken die schmalen roten und dicken weißen Streifen) aufgerüschte Vette über A 81 und A 6 in Richtung der badischen Kreisstadt. Die 97 Hektar des Hockenheimrings nehmen gerade mal 2,8 Prozent der gesamten Gemarkung ein, potenzieren deren Attraktivität aber um ein Vielfaches.

Es sei denn, mehr als Autos lieben Sie den Spargel, der einst den Tabak verdrängte, dem wiederum der Hopfen weichen musste. Was das für die Zukunft des Motorsports hier bedeutet? Keine Ahnung. An der Pforte liegt ein Umschlag mit dem Generalschlüssel für uns bereit. Jetzt, da sich die 4.574 Meter lange Strecke im Glutrot der untergehenden Wintersonne aalt, wollen wir ihr und unserer abgekühlten Beziehung noch ein bisschen einheizen.

Heiliger Gral der Traktion

Das neueste Corvette-Derivat hilft gerne dabei, kombiniert es doch den sympathischen Baumschubser unter den Antriebssträngen (also den 6,2-Liter-V8-Sauger aus der LT1-Familie) mit jenem Fahrwerk, das sonst die Attacken der kompressorgeladenen Z06 wegstecken muss. Klingt nach dem heiligen Gral der Traktion, zumal der Testwagen noch die nächsthöhere Aero-Eskalation und Cup-Reifen auffährt (mit Carbon- Keramik-Bremsen im Z07-Paket für 14.500 Euro zusammengefasst). In Zahlen: 466 statt 659 PS, 630 statt 881 Nm. Zugegeben, kurz kam der Gedanke auf, ob in diesen aufladungsverseuchten Zeiten die Leistungsdaten des Saugers nicht etwas kümmerlich wirken. Was für ein Quatsch. Schon auf der Autobahn, als Mister LT1 immer mal wieder knapp über 6.000 Umdrehungen – geht erschütternd schnell, aber mehr mag er dann nicht – hämmert, durchschneidet der Carbon-Splitter der Grand Sport die Atmosphäre schneller als jeder Trennschleifer.

Von Geschwindigkeitszuwachs zu sprechen, wäre nicht nur untertrieben, sondern gar beleidigend, Nullhundert in vierkommavier, Nullzweihundert in vierzehnacht, da müssen schon viele passen. Schließlich tobt hier ein mit 11,5 : 1 verdichtender Saugmotor, dessen Kraft der Fahrer zusammen mit einem Siebengang-Handschaltgetriebe portionieren muss. Dass das ein bisschen bockig geriet, leuchtet aufgrund der schieren Motorleistung ein, doch mit entsprechendem Kraftaufwand findet sich stets die passende Gasse.

Chevrolet Corvette Grand Sport, Heck
Hans-Dieter Seufert
Das Bollern des Achtzylinders kann man einfach nur lieben.

Jetzt, als die Corvette mit leichtem Übersteuern aus der Spitzkehre in Richtung Mercedes-Tribüne flüchtet, rutscht flugs der dritte Gang rein, nach dem Rechtsknick fix der vierte. Dann: anbremsen, wieder runter in den zweiten, die Elektronik befiehlt Zwischengas – wenn es ihr der Fahrer selbst zuvor mit einem Zug am Lenkradpaddel befahl. Die ebenfalls im Z07-Paket enthaltenen Semi-Slicks liegen seit dem Ermitteln der Messwerte in der Redaktionsgarage. Zu kalt, später vielleicht noch feucht, das will mit diesen Gummis niemand erleben. Selbst mit den montierten Winterreifen sollte sich jetzt in der engen Linkskurve die Haftung verabschieden, doch wieder schmiert die per elektronisch gesteuertem Differenzial gesperrte Hinterachse nur leicht weg. Haft und Kraft. Wow. Das Vertrauen wächst immer mehr, ein Vertrauen, das dir die dank der Competition-Sitze passende Ergonomie schon im Stand vermitteln wollte.

Freie Fahrt für das V8-Hubraum-Monster

Einem Sportwagen wie der Corvette Grand Sport vertraust du aber nicht einfach so. Auch nicht, wenn du merkst, dass die spezifische Fahrwerksabstimmung das Lenkgefühl positiv beeinflusst. Allmählich kriecht die Dunkelheit vom Ort herüber, komm schon, noch einmal dem roten Himmel entgegen, in den der Turm von St. Georg hineinragt.

Ganz selten vermischt sich die Stille des ausgehenden Tages mit der Brisanz eines mechanischen Feuerwerks ausgerechnet dort, wo Profis nicht nur Hundertstelsekunden von ihrer Rundenzeit, sondern auch etwas Wandstärke von den Fahrzeugen der Konkurrenten abhobeln. Heute: kein Wettbewerb. Nur die Vette und die Strecke. Für uns. Kein Testbetrieb, keine Wartungsarbeiten auf der Strecke. Dennoch fällt es schwer, einfach so und ungehemmt, material- mordend gar, den Sportwagen über den Kurs zu prügeln. Bis die 335er- Gummis an der Hinterachse in Fetzen auf der Karkasse hängen, zuvor die Tribüne an der Sachskurve einnebelten. Bis der tiefe, erst wabernde, dann donnernde, später zornig brüllende Klang sich tief ins Gehirn frisst, ein Spektrum, dass wohl nur ein V8-Hubraum-Tier wie dieses draufhat.

Grand Sport = Großer Genuss

Gerade so schön ruhig hier. Das Erhabene eines stillen Moments sticht durchaus wildes Mit-den-Flügeln-Schlagen. Aber man muss es ja auch nicht gleich übertreiben, das mit der Stille. Vielmehr gilt es, beides gekonnt abzumischen. Einen Moment hängst du dem Gedanken nach, als der Sportwagen in der Boxengasse leise vor sich knistert. Kurze Pause. In der rechten Hosentasche: der Schlüssel der Corvette. In der linken: der für die Strecke. Meine Güte, wo gibt’s denn so was. Dennoch: Hunger. Schnell zum Mongolen im Industriegebiet? Nein, heute nicht. Jeden Moment nutzen, mit der Corvette hier allein zu sein. Nur ein paar kalte Ravioli aus der Dose, werde sonst grantig. Stille und Lärm. Geht das wirklich zusammen?

Chevrolet Corvette Grand Sport, Frontansicht
Hans-Dieter Seufert
Manchmal neigt die Corvette etwas zum Übersteuern, wird aber schnell durch die Elektronik korrigiert.

Stingray-Charakter

Ja, geht. Schluss mit Dosenfutter. Wieder raus. Warm laufen. Dann tapfer aus der Senke auf die Start-Ziel-Gerade zuhalten zum Beispiel, das Gefühl genießen, praktisch mit den Pobacken die Hinterachse in die richtige Richtung drücken zu können, zu spüren, dass der 466 PS starke Zweiventiler verlässlich jeden Leistungswunsch aufspürt, verzögerungsfrei reagiert, dabei aber in seinem Zorn besonnen bleibt, nie explodiert.

Ja, und dann einfach mal trödeln. Die lange Gerade herunter, durch die Südkurve schluffen, den Abzweig zur Querspange rechts liegen lassen, erst nach der Ecclestone-Rechts den Kumpel LT1 wieder zum Armdrücken herausfordern, die Parabolika entlang beschleunigen. Der Sprung von Gang vier auf fünf erscheint ein wenig lang, das fiel vorhin schon bei der Anreise auf, doch es soll der einzige Schönheitsfehler bleiben. Dass die geduckte Grand Sport mit den ausufernden Spoilern und Schwellern vorhin die Sensorik der Waschanlage verwirrte und so die Bürsten stilllegte, dafür kann sie nichts. Wofür sie sehr wohl etwas kann: Dass sich in ihr der Sportwagen-Charakter der Stingray nochmals stärker verdichtet – und das hat nichts mit der Kriegsbemalung zu tun. Sondern vielmehr damit, dass die Corvette nun unverzüglicher einlenkt, unter Last noch stabiler bleibt, ohne den Federungskomfort völlig zum Teufel zu jagen.

Ja, auch als Grand Sport zählt sie zu jenen Kalibern, mit denen du nicht nur bei einem Trackday den anderen Buben um die Ohren fährst, sondern danach noch entspannt nach Hause kommst – auf eigener Achse. Dabei schmiert dir das Triebwerk eine dicke Schicht Drehmoment aufs Brot, auf eine große Scheibe, von der du oft abbeißen kannst, bis mal wieder ein Gangwechsel fällig ist.

Warmfahren ist Pflicht

Die adaptiven Dämpfer arrangieren sich unterdessen mit den meisten Erscheinungsformen von Bodenunebenheiten: straff, selbstverständlich, aber nie unerbittlich. Selbst das Bassen der acht Zylinder proletisiert sich nie ins Dröhnende. Nein, die Corvette packt dich, ohne dass Druckstellen zurückbleiben. Sie drückt dich, ohne dass dir die Luft wegbleibt, und selbst wenn du mutig genug bist, die Regelelektronik auszuschalten, scheuert sie dir erst dann eine, wenn du es verdienst. Dann nämlich, wenn sie nicht vernünftig warm gefahren wird, du dennoch stumpf in die erste Ecke reinhältst – in dem Glauben, maximal spät bremsen zu können. Denn die Carbon-Keramik-Scheiben brauchen Temperatur, ebenso wie die Reifen natürlich. Oder wenn irre schnell nicht reicht und der Gegenlenkreflex noch im Bällebad tobt.

Also doch lieber die gewissenhaft applizierte mehrstufige Traktionskontrolle aktiviert lassen. Selbst dann fährt sie heiß genug, um den Asphalt in Hockenheim zu wärmen – und Feuer in die Beziehung zu unserer Lieblings-Nachbar-Rennstrecke zu bringen. Wir schließen ab, wie versprochen. Können wir den Schlüssel behalten, bitte?

Technische Daten
Chevrolet Corvette Grand Sport Coupé 6.2 V8 Grand Sport 3LT
Grundpreis95.900 €
Außenmaße4514 x 1965 x 1239 mm
Kofferraumvolumen287 l
Hubraum / Motor6162 cm³ / 8-Zylinder
Leistung343 kW / 466 PS bei 6000 U/min
Höchstgeschwindigkeit290 km/h
Verbrauch12,3 l/100 km
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten