USA-Reise im Ford Explorer: Auf den Spuren der Mohikaner im Nordosten

USA-Reise im Ford Explorer
Auf den Spuren der Mohikaner im Nordosten

Veröffentlicht am 26.04.2010

Der Pfad führt aus dem Wald auf eine Lichtung. Im Schutz der Bäume sitzen hunderte Krieger und warten auf den Treck der Rotröcke. Nach der Übergabe von Fort William Henry an die Franzosen wurde den britischen Truppen am Lake George freier Abzug gewährt. Aber die Huronen und Abenaki wollen Skalps. Als die Vorhut sie passiert hat, stürzen sie aus dem Unterholz und eröffnen das Feuer. Der Ford Explorer rollt aus dem Wald auf eine Wiese, der perfekte Ort für einen Hinterhalt. Doch heute bleibt alles ruhig, kein Kriegsgeschrei, kein Pulverdampf. Das Massaker von Fort William Henry, das der Schriftsteller James Fenimore Cooper in seinem Roman "Der letzte Mohikaner" verewigte, hat tatsächlich stattgefunden, ist aber schon ein Vierteljahrtausend vorbei. 

Unterwegs im Land der sechs Irokesen-Nationen

Von den edlen oder bösen Wilden, die in den Wäldern des Nordostens lebten, ist kaum mehr als ein Nachhall geblieben. Der Tankwart versteht die Frage nicht und wird ein bisschen pampig: "Was suchen Sie? Das Reservat? Da ist nicht viel. Eine Straße, ein paar Häuser, Tipis werden Sie keine sehen“, sagt der Mann der Sunoco-Station in Nedrow verächtlich. Er hat nicht zu wenig versprochen. Die wenigen Nachfahren des stolzen Stammes der Onondaga wohnen heute auf einem kaum 15 Kilometer langen Streifen in angegammelten Behausungen. Die Onondaga gehören zu den sechs Irokesen-Nationen und sind seit jeher die Hüter des Ratsfeuers, der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie existierten schon rund 200 Jahre vor der Unabhängigkeitserklärung der britischen Kolonien. Im Krieg der Engländer und Franzosen in der Mitte des 18. Jahrhunderts kämpften Teile von ihnen auf britischer Seite. Die Haudenosaunee, das "Volk des Langhauses", wie sie sich selbst nennen, waren der mächtigste Stammesverbund des Nordostens. Die Onondaga leben immer noch in Langhäusern. Trailerhomes, die überlangen Wohnwagen, sind billiger als richtige Häuser. Es gibt ein Six-Nations-Hospital, eine Grundschule. Vom Sitz des großen Rates ist nichts zu sehen. Der einzige Onondaga-Krieger auf dem Weg ist ein etwa siebenjähriger Junge, der die durchreisenden Bleichgesichter grimmig von seinem Drahtesel aus mustert.

Seen, Flüsse, Straßen und Supermärkte sind nach den Ureinwohnern benannt, sonst ist nicht mehr viel da. Die Finger Lakes südlich des Ontario-Sees mit klangvollen Stammes-Namen wie Cayuga oder Seneca sind heute ein Weinbaugebiet, die besten Grundstücke in Privatbesitz von Weißen. Die Landschaft ist alles andere als wild, sondern eher das, was Reiseprospekte gern als lieblich bezeichnen. Doch das schleichende Verschwinden trifft nicht nur die Indianer. Auch der Mann, der ihnen zu großer Berühmtheit verhalf, sitzt unbeachtet in Bronze erstarrt in einem kleinen Park in Cooperstown. Eines Tages hatte er sich so über ein gelesenes Buch derart aufgeregt, dass er sich sagte: "Das kann sogar ich besser.“ Mit den Lederstrumpf- Erzählungen trat er den Beweis an.

Cooperstown - Home of Baseball

Auf dem Schild am Ortseingang des rund 2.000 Einwohner zählenden Cooperstown steht heute nicht etwa „Heimat von James Fenimore Cooper“, sondern "Home of Baseball“. Gemäß einer Legende wurde der amerikanische Nationalsport hier erfunden. Jährlich pilgern Hunderttausende hierher, um in der Hall of Fame die in Wachs gegossenen Helden des Hickory-Holzes zu bewunden. Von Chingachgook oder Uncas, den Helden der Kriegskeule, ist wenig zu sehen. Die Tage, als England und Frankreich zwischen den Großen Seen und dem Ohio-Tal mit verbündeten Indianern um die Vorherrschaft in Nordamerika kämpften, waren schon 70 Jahre vorbei, als Cooper zur Feder griff. Seine Anregungen holte sich der Schriftsteller der als Marineangehöriger selbst ein Krieger war und 1806 von der Yale- Universität verwiesen wurde, nachdem er die Tür eines Mitschülers in die Luft gesprengt hatte, in der Wildnis der Adirondack Mountains südlich des Lake Champlain. Die Landschaft ist mit unzähligen Flüssen und Seen durchzogen. Die Indianer reisten zu Fuß oder per Kanu, heute gibt es eine Handvoll Straßen und unzählige Schotterwege.

Green Mountains und Whiteface Mountains

Das dünn besiedelte Land um die Green Mountains und die Whiteface Mountains erwachte in der Moderne ein einziges Mal aus seinem Dornröschenschlaf, als der Erholungsort Lake Placid 1980 die Olympischen Winterspiele ausrichtete. In Onchiota findet sich eine Spur der Irokesen, aber das Six Nations Museum entpuppt sich als unscheinbares Holzhaus und ist obendrein geschlossen. "Mein Vater schließt euch auf", ruft von der anderen Straßenseite ein junger Mann, dessen Herkunft allenfalls durch den langen Zopf erkennbar ist. David Kanietakeron Fadden, dessen indianischer Name Schneeflecken bedeutet und dessen Visitenkarte ihn als Maler und Geschichtenerzähler ausweist, hat nebenbei auch schottische Vorfahren. Doch eigentlich gehört er zu den Mohawk, dem einst gefürchtetsten Stamm unter den Irokesen. Das Museum hat sein Großvater klein, aber liebevoll gestaltet und vollgestopft mit Zeugnissen der alten Kultur von Schneeschuhen bis Pfeifentomahawks, von denen einige noch aus den Tagen des Krieges von 1756 stammen. Einer trägt am Stil 16 Kerben. Im Garten steht ein halb fertiges Langhaus. "Wir sind noch da", sagt Kanietakerons Vater John trotzig. Dass so wenig von den einstigen Herren der Wälder zu sehen ist, bedauert er sehr: "Wir sollten wirklich zumindest irgendwo ein großes Museum bei den Onondaga haben, aber dafür ist kein Geld da." Die Haudenosaunee könnten es machen wie ihre einst verfeindeten Nachbarn, die Mohikaner, die vor der Ankunft der Weißen östlich des Hudson River im heutigen Vermont lebten. Ausgestorben wie in Coopers Roman sind die Söhne Chingachgooks keineswegs. Kleine Populationen leben heute in Wisconsin und in Connecticut, wo die abgespaltenen Stämme der Pequot und Mohegan gigantische Casinos aus dem Boden gestampft haben und heute den Bleichgesichtern, die ihnen vor Jahrhunderten ihr Land nahmen, das Geld aus der Tasche ziehen. Das weit verbreitete Glücksspielverbot gilt in den Indianer-Territorien nicht. Bei den Peqout lassen täglich 5.000 Zocker ihr Geld in einem der größten Casinos der Welt.

Glücksspiel im Indianer-Land: eines der größten Casinos der Welt

Das Casino der Mohegan wirbt mit 6.000 einarmigen Banditen, 300 Spieltischen und einem Hotel mit 1.200 Zimmern und 165 Suiten. Während das Mohegan-Casino gerade seine eigene Autobahn-Ausfahrt bekommt, führt lediglich eine kleine Straße ohne Hinweisschild im Reservat zum Stammesfriedhof, auf dem in der hintersten Ecke ein steinernes Tipi an Häuptling Uncas erinnert, der bei Cooper dem Sohn des Chingachgook seinen Namen lieh. Der echte Uncas lebte über 100 Jahre früher, agierte allerdings nicht immer ganz so edel, weil er den weißen Kolonisten Indianerland zuschanzte und sie anstachelte, gegen seine eigenen roten Feinde, die Narrangansett, zu ziehen. Auf dem Friedhof stehen auch neue Grabsteine. Die Mohikaner zählen heute etwa 1.500 Menschen, von denen manche durch die Casinos so wohlhabend geworden sind, dass sie in den Wäldern südlich von Hartford in Hollywoodähnlichen Villen hinter hohen Mauern leben. Denjenigen, die für die Vereinigten Staaten in den Krieg zogen, ist ein Denkmal gewidmet. Vielleicht hatte der Tankwart mit seiner Verachtung recht.

Was erwartet der Reisende eigentlich beim Besuch eines Reservats?


Wer eine Ahnung bekommen will, wie Amerika aussah bevor der weiße Mann kam, muss über die Bergkette der Appalachen, die lange Zeit weiße und rote Männer voneinander trennte. Weit im Nordosten, jenseits des schönen Moosehead Lake in Maine, ist im Baxter State Park seit anderthalb Jahrhunderten alles noch so, wie es die Natur geschaffen hat. Zugegeben, die Trampelpfade der Indianer, die sich hier zum Jagen oder zum Bekriegen in den dichten Wäldern trafen, sind zu gut befahrbaren Schotterwegen ausgebaut. Der heute nur mit Kamera bewaffnete Jäger hat gute Chancen, wilde Elche zu sehen. Wer nicht über die Pfade schleichen will, zieht einfach eines der frei zugänglichen Kanus vom Ufer und paddelt auf die andere Seite des Daicey Pond. Am Ufer verfärben sich langsam die Bäume. Der Indianer- Sommer hat begonnen. In ein paar Wochen sind all die roten Blätter gefallen, aber im Frühling kommen sie in frischem Grün wieder. Die Pequot haben mit ihrem Wohlstand ein Museum gebaut, durch das sie Spieler und Touristen schleusen. Weiter als von den Parkhäusern der Spielpaläste kann die gerade von den Deutschen so ersehnte Indianerromantik kaum entfernt sein. Viele Stämme gehen den Weg des Geldes, um der weit verbreiteten Umklammerung von Sozialhilfe, Arbeitslosigkeit und Alkohol zu entkommen. Einige wenige halten nichts vom "American Way of Life". Die Onondaga bauen kein Casino. Der alte Mohawk John Kahiones Fadden schnaubt durch die Nase: "Bevor sie das tun, würden sie eher noch einmal einen Krieg anfangen."