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Günstige US-Cars
Gibt's für 10.000 Euro einen guten Ami?

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Wer den Traum vom amerikanischen Oldtimer ohne USA-Trip realisieren möchte, ist auf das Angebot in Deutschland angewiesen. Reichen 10.000 Euro als Eintrittspreis in die V8-Liga? Motor Klassik sucht den Billig-Star.

Gibt's für 10.000 Euro einen guten Ami?
Foto: Hardy Mutschler

Mit einem hellen, singenden Jaulen löst sich das Dach vom Windschutzscheibenrahmen, reckt sich hoch in den Himmel und versucht, sich über der Rückbank zusammenzufalten. Das Jaulen des Elektromotors klingt jetzt tiefer, immer tiefer - "iiieeeaaauuuoooh" - und scheint gleich zu verstummen. Die Männer helfen nach, pressen das widerspenstige Plastikzelt in den dafür vorgesehenen Frachtraum. Fertig, geht doch!

Erster Kandidat: 1973er Oldsmobile Delta 88 Convertible für 9.999 Euro

Das weiße Oldsmobile Delta 88 Convertible von 1973 macht optisch nicht viel her. Der Erstlack ist stumpf und blättert zum Teil von der Karosserie etwas ab. Ein 76er Cadillac Eldorado musste Starthilfe geben. Jetzt nuschelt das mächtige Cabrio aufgeregt vor sich hin. Es scheint wie in einem kitschigen Walt Disney-Film mit uns zu sprechen: "Bitte kauf mich, nimm mich mit, hol mich hier raus. Ich werde auch immer ein prima Kumpel sein." Man bekommt wirklich Mitleid mit dem großen Oldsmobile, denn dort, wo sonst das Zündschloss sitzt, steckt jetzt ein Schraubenzieher mittleren Kalibers.

Unsere Highlights

Ist der 275 PS starke Oldie wirklich seine 9.999 Euro wert, die er bei Zimmermann Classic Cars and Bikes in Friedrichshafen (www.zimmermann-friedrichshafen.de) kosten soll? Gut, auf der Habenseite registrieren wir das Cabrio, die luxuriöse Royale-Version, den 455-Cui (7,4 Liter)-Bigblock und ein intaktes Interieur. Außerdem agieren alle Seitenscheiben und die elektrisch verstellbare Sitzbank spontan auf Tastendruck.

Andererseits eine Karosserie, dessen Lack nach Hilfe ruft. Dazu ein kleines Manko bei der Probefahrt: Der Automat will nicht hochschalten, so dass wir uns mit der Fahrstufe I begnügen müssen. Zimmermann-Mitarbeiter Andreas Voss: "Das bringen wir natürlich in Ordnung, genauso das fehlende Zündschloss."

Keine Frage, das große Oldsmobile Convertible ist trotz zugesichertem TÜV und H-Zulassung kein Auto, mit dem man sofort eine Alpentour macht oder bei der Silvretta-Classic an den Start geht. Vielleicht taugt es als unverbastelte Basis für eine Restaurierung, die bestenfalls noch einmal die Kaufsumme verschlingt? Doch für gerade mal 2.000 Euro mehr gibt es bei Zimmermann ein Cadillac Eldorado-Cabrio mit 8,2-Liter-V8, das einen besseren Eindruck hinterlässt. Oder für 13.900 Euro ein toller Chevy Impala von 1963 mit himmelblauem Interieur und ziemlich behämmerter Yellow-Cab-Lackierung. Sind also 10.000 Euro für einen ordentlichen Buy-and-drive-Ami doch etwas zu wenig?

1952er Chevy 3100 Pick-Up für 9.900 Euro

Der nächste Kandidat macht optisch mehr her, lässt aber mit seinem kontrastreichen Zweit- oder Drittlack und den weißen Breitreifenfelgen in Sachen Originalität nichts Gutes erwarten. Marco Apicella (Tel. 01 71/8 20 17 70), Besitzer einer Autowerkstatt in Korntal bei Stuttgart, verkauft seinen rotschwarzen Chevrolet 3100 Pickup von 1952. "Ehrlicher Originalzustand" steht in der Verkaufsanzeige von mobile.de, wir sind gespannt. Immerhin finden wir im Motorraum den damals verbauten, 90 PS starken und 3,5 Liter großen Reihensechszylinder, der dank seiner moderaten Höchstdrehzahl von 3.300/min als unzerstörbar gilt. Auch das Interieur mitsamt Lenkrad und Rundinstrumenten, deren Zahlen herrlich eckig gezeichnet sind, ist unverbastelt.
Unterwegs macht der zünftige Pickup eine gute Figur. Man sitzt auf einer straff gepolsterten Bank und blickt von oben herab über die rundliche rote Nase hinweg auf die Straße. Das Dreigangschaltgetriebe arbeitet kratz- und spielfrei, es geht dank nur 1,2 Tonnen Eigengewicht flott und geräuscharm voran.

Der Grund, weshalb sich Apicella von seinem persönlich gewarteten Chevy trennen will, zeigt er uns in einer Doppelgarage: Dort parken ein silbernes Corvette-Coupé Jahrgang 1971 und ein schwarzes Ford de Luxe-Coupé von 1940 im eleganten Custom-Look. "Für drei Autos fehlt mit die Zeit", sagt der Ami- Fan. Sein sympathischer Chevy-Pickup ist deshalb für 9.900 Euro zu haben.

Der Jüngste und Billigste: 1988er Pontiac Firebird Formula für 6.550 Euro

Vom ältesten zum jüngsten Kaufobjekt, ein Pontiac Firebird Formula aus dem Jahr 1988. Der sportliche Youngtimer zählt zur dritten, kompakten Generation des Sportwagenklassikers. Sein immerhin 190 PS starker Fünfliter-V8 erlaubt ansprechende Fahrleistungen: Null auf 100 km/h in acht Sekunden, Spitze 210 km/h. Ebenfalls Spitze: die Komfortausstattung mit zwei herausnehmbaren Dachhälften.

Weitere Pluspunkte sammelt das V8- Coupé durch seinen Originalzustand: Vom gepflegten Interieur über die formschönen Alufelgen bis zur Motorhauben-Kraftbeule und Zweifarbenlackierung mit orangen Streifen ist alles genau so, wie es sich die Pontiac-Designer ausgedacht hatten. Ganz wichtig, wenn der Youngtimer zu einem Oldtimer heranreifen soll. Dass es sich um ein offizielles Importauto mit Kilometertacho, gelben Blinkleuchten und Euro 1-Einstufung handelt, steigert die Kauflaune.

Einziges Problem: Der Firebird Formula mit 88.000 Kilometer auf dem Tacho rastet in Rastatt bei Good Cars - und das schon ziemlich lange. Der stellenweise ausgebleichte Lack verrät sogar den Sonnenstand, und ein Testlauf der Maschine war nicht möglich. Trotzdem könnte es sich lohnen, den für 6.550 Euro angebotenen Ami zu inspizieren und im Fahrbetrieb zu testen (Tel. 0 72 22/5 33 88).

Muscle-Car: 1972er Plymouth Fury Coupé für 9.500 Euro

Nach dem blutjungen Formula sitzen wir jetzt wieder in einem Fullsize-Ami aus den frühen Siebzigern, ein Plymouth Fury III Coupé im originalen Olivgrün. Das intakte Interieur mit straff gepolsterten, fast wie neu wirkenden Sitzbänken erstrahlt im hoffnungsvollen Grün und bietet Platz für Fünf. Karosserieprofi Michael Sauter (Tel. 01 60/96 28 77 51), der seinem Fury III mit 177 PS starkem 5,9-Liter-V8 den Zweitlack verpasste, trennt sich nur schwer von seinem 5,5- Meter-Schiff, aber neugeborene Zwillinge und das Verlangen nach einem praktischen und im Unterhalt günstigen Alltagsauto sind stärker als die Liebe zum gepflegten US-Oldtimer.
Für die überzeugende Neulackierung wurden alle Scheiben und Chromteile entfernt, die Innenseiten der Karosserie zeigen jedoch den Erstlack. So könne man sofort sehen, dass da keine Rostfallen lauern.

Fury III bedeutet übrigens nicht, dass das 1972 gebaute Coupé der dritten Generation angehört, sondern nach Fury I und II das Modell mit der elegantesten Ausstattung darstellt. Dazu zählen unter anderem die (falschen) Walnusseinlagen an den Türen und am Armaturenbrett. Alles in allem ein sympathisches Auto, das seine 9.500 Euro wohl wert ist. Zwei Dinge, die vom Besitzer angesprochen wurden, trüben jedoch etwas den positiven Gesamteindruck: das Fehlen der seitlichen Chromzierleisten und Radlaufblenden.

7,5-Liter-V8 im 1970er Lincoln Continental für 6.500 Euro

Doch das Beste kommt zum Schluss: ein Lincoln Continental Mark III von 1970 mit 7,5-Liter-V8 und 370 SAE-PS, eine schwarze, luxuriöse Trutzburg von einem Auto mit einer Echtleder- und Echtholz-Innenausstattung, die natürlich über alle damals erhältlichen Komfort- Features verfügt und von einer Cartier-Uhr gekrönt wird. Das Ganze für schlanke 6.500 Euro. "Das Fahrzeug ist in einem guten Zustand", heißt es in der Anzeige bei mobile.de.

Wir entdecken die Ikone des amerikanischen Autotraums eingekeilt zwischen Allerwelts-Gebrauchtwagen - vornehmlich Mercedes und Japaner - bei Auto Quaqish in Mannheim (Tel. 01 78/ 2 17 82 37). Lack und Vinyldach sind neu und sehen ganz ordentlich aus. Fahren könne man derzeit mit dem Wagen jedoch nicht. Ein Blick unter die zentnerschwere Motorhaube macht deutlich, weshalb: Der Motorraum ist rostrot von explosionsartig ausgetretenem Kühlwasser eingefärbt. Der Wagen würde aber trotzdem einige Kilometer fahren, doch dann gehe plötzlich nichts mehr. Kommentarlos überlassen wir den schwarzen Riesen seinem unverdienten, denkbar harten Schicksal.

Bekommt man für 10.000 Euro einen guten Ami?

Bleibt als Fazit der Kauf-Tournée festzuhalten: 10.000 Euro oder weniger als Einstiegsinvestition in einen ordentlichen Ami reichen nicht immer aus. Wer bereit ist, etwa 4.000 Euro draufzulegen, fährt besser. Zweitens begegnen einem in diesem Preissegment viele Gemischtwagenhändler, denen die Amis nicht besonders am Herzen liegen. Lieber mehr investieren und zum Fachhändler für USCars gehen - am besten mit Werkstatt - , wo man die Modelle miteinander vergleichen kann und bei Problemen nicht allein im Tornado steht.

Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 08 / 2024

Erscheinungsdatum 04.07.2024

164 Seiten