Die kleinen Steyr-Puch parken unter den Bergriesen der Schweiz. Noch wissen sie nicht, was auf ihre 643 Kubikzentimeter und 27 PS zukommt: 1050 Kilometer bis zum Petersplatz im Vatikan – und retour. Ein Autoleben ohne Steyr-Puch, sagen die Besitzer, sei wie ein Himmel ohne Sterne. Stimmt.
Puch Haflinger: Ein Bonsai-Unimog
Der Haflinger erinnert an einen Bonsai-Unimog. 1959 in Graz lanciert, sollte es ein kleines, wuseliges Armeefahrzeug für die 500-Kilo-Transportklasse werden, Allradantrieb und Differenzialsperren inklusive. Knapp 17.000 wurden in gut 15 Jahren gebaut, in fast 50 Variationen. Per Zufall galoppiert ein südafrikanischer Haflinger über unseren Weg, rechts gelenkt und einst nicht etwa in Graz-Thondorf montiert – wie bis 1974 die meisten seiner Artgenossen –, sondern wie rund 900 Bausätze bei Autolec in Johannesburg. Die Brüderschaft der Schweizer wittert Morgenluft: Wir fahren nach Rom, fahr einfach mit! Kann man da Nein sagen? Die erste Etappe führt über den Ratenpass nach Gstaad: 219 Kilometer. Gefahren wird in festgelegter Reihenfolge: Der Navigator samt Frau vornweg. Dann folgen der See-Max, der so heißt, weil er aus Seebach stammt, im Holzgeschäft ein Großer ist und mit den Hafis Stämme rückt wie Rübezahl beim Frühsport.
In Aosta beginnt ein Haflinger zu lahmen
Ihm folgt der Pla-Max, bürgerlich Max Planzer, Gründer einer der größten Schweizer Speditionen. Hinter der roten Planzer-Plane reiht sich der Afrikaner ein, und am Schluss passen Jean-Philippe Rickenbach und Hans Burckhardt auf, dass niemand verloren geht. In Aosta beginnt der Hafi vom See-Max zu lahmen. Ausgerechnet, denn See-Max ist der Haflinger-Treiber, der zwischen zwei Ölstandskontrollen gern noch mal das Öl prüft. Jetzt ist ein Simmerring an der Kurbelwelle der Übeltäter. Die außerhalb von Aosta gelegene Sport-Garage nimmt sich der Panne erfolgreich an. Die Jungs haben ein Herz für Pilger und werden hiermit ausdrücklich empfohlen. Weitere große Gebrechen bleiben fern. Dass der Pla-Max seinen Puch hinter Aosta auf Schotter und Lehm in einem Graben versenkt, ist Künstlerpech.
Die Brandwachen der Alpenregion hatten uns vor dem Abstieg gewarnt: „Vermutlich kommt ihr wieder hoch.“ Kommen wir nicht, doch eine harte Lehmkante bricht unter dem Maloya-Profil weg wie Knäckebrot, und dann muss geborgen werden. Der Haflinger ist hinterher fast in besserem Zustand als zuvor, sieht man von zwei Dellen im Seitenprofil ab. Völlig überraschend vermittelt sich dagegen das Entdecken der Relativität von Geschwindigkeit. Wer möchte klaren Sinnes normalerweise eigentlich 14 Tage lang maximal Tempo 65 fahren? Aber 65 Sachen im Haflinger sind ganz andere 65 km/h als etwa in einem Maybach – der Fahrer sitzt nur knapp über dem Asphalt, hat weder Tür noch Sicherheitsgurt und kommt sich vor, als flöge er wie einst Münchhausen auf der Kanonenkugel durchs Unterholz. In jedes Loch fällt er hinein, was bei einem Radstand von nur 1,50 Meter kein Wunder ist. Jede noch so sanfte Bodenwelle katapultiert ihn wie einen Sektkorken in die Luft. Langsam fahren kann auch harte Arbeit sein. Die Technik des kleinen Geländewunders aus der Steiermark fasziniert jedoch auf jedem Meter. Schnitt!
Im Puch Haflinger durch Roms Verkehrschaos
Die Runde durch Rom fällt nach acht Tagen Anreise kühn aus: Wie ein Schwarm von winzigen Marathon-Ameisen werfen sich die Haflinger in den städtischen Verkehr. Fotos vor dem Denkmal des ersten italienischen Königs, am Colosseum und auf dem Petersplatz, dann noch das römische Leben genießen. Die Rückfahrt: Von Rom aus führt der Weg nach Assisi, dann nach Cesena und Verona. Der zwölfte Tag der Reise bringt das eigentlich nicht mehr erwartete Desaster: Im Haflinger des Afrikaners werden jenseits von 2000 Umdrehungen die Vibrationen dramatisch heftig, der Zeiger des Öldruckmessers hängt am oberen Anschlag. Das sieht nach einem defekten Kurbelwellenlager aus – Ende der Reise. Trotzdem kommt die Lust am Pilgern keineswegs unter die 12-Zoll-Räder. Ein Haflinger lehrt eben vom ersten Kilometer an Demut, denn das ist ja der höhere Sinn einer Pilgerfahrt.