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Offroad in den Alpen
Jeep Cherokee als Gipfelstürmer

Hochalpinen Dreikampf nennt es Jan Liska, was er alljährlich in den Alpen treibt: Offroaden, schlemmen, Geocaches suchen. Mit faszinierenden Bildern nimmt er uns mit auf die Reise.

Jeep Cherokee als Gipfelstürmer
Foto: Jan Liska

Es ist soweit – der Jeep steht beladen im Hof, das Navi ist gefüttert, obwohl man die Strecken im Kopf hat, seit zwölf Jahren nunmehr jeden September (und manchmal zusätzlich noch in anderen Monaten) das Gleiche: Ab in die Alpen, in wechselnder Besetzung, aber immer mit den Zielen Offroaden, Geocachen und gut Essen - „hochalpiner Dreikampf“ sozusagen.

Martin und Petra, mit ihrem Jeep Wrangler „Golden Spike“ sind bereits einige Tage vor mir gestartet – sie ergänzen den oben beschriebenen „hochalpinen Dreikampf“ noch um ́s Bergsteigen – und wir hatten uns in Briancon verabredet. Ich starte in der Nähe von Nürnberg, aus praktischen wie sentimentalen Gründen führt die Anreise mal wieder über den Reschensee und das Stilfser Joch – mit seinen 2757m Höhe eines der „ganz hohen“ Ziele in den östlichen Alpen, in den angepeilten Westalpen warten aber noch deutlich höhere Ziele auf uns.

Unsere Highlights

Start in Bardonecchia

Diesmal überlebt der Motor auch die norditalienische Tiefebene und so stehe ich in Bardonecchia, einem der zentralen Orte für die Offroader und Endurofahrer, die jeden Sommer und Herbst hier Entspannung, Nervenkitzel, Naturerlebnis und Abenteuer suchen. Diese Mischung, zusammen mit der grandiosen Landschaft, dem guten Essen und Trinken und den unzähligen Sehenswürdigkeiten ist es, die auch für mich seit eben 12 Jahren den Reiz dieser Gegend ausmacht. Leider kann sich auch hier nicht jeder Gast benehmen und so wurden in den letzten Jahren immer mehr Pisten gesperrt - jedoch gibt es hier und da auch erste Zeichen der Besserung. Seit 2011 ist zum Beispiel die lange gesperrte Steilauffahrt von Bardonecchia über eine Skipiste auf den Mont Jafferau wieder legal befahrbar - meine erste Befahrung als "Reiseleiter" der im Vorjahr etwas größeren Gruppe im geliehenen Wrangler mit besonders charmanter Begleitung bleibt unvergessen und so wundert es nicht, das das dieses Jahr mein erstes echtes "Offroad-Ziel" ist.

Auf den Mont Jafferau

Im lokalen Supermarkt werden die Vorräte ergänzt und dann führt der Weg, noch asphaltiert, in Richtung des Weilers Gleises, von hier aus weiter in ́s Skigebiet nordöstlich von Bardonecchia und da dann abwechselnd über die Skipiste oder Versorgungswege dem Gipfel entgegen. Eine Besonderheit am Mont Jafferau ist sicherlich die Tatsache, das sein gesamter Gipfel "unterkellert" ist - hier, wie an so vielen anderen Stellen in der Gegend wird man Zeuge der bewegten kriegerischen Vergangenheit der Region. Und doch - neben der Wintersportindustrie sind die zahlreichen Befestigungsbauten der Hauptgrund, warum es überhaupt Pisten gibt auf die unbewohnten und teilweise unzugänglichen Pässe und Gipfel.

Eine weitere Besonderheit dieses Gipfels ist seine exponierte Lage oberhalb des Susa-Tals und damit verbunden der wahnsinnige 360° Rundum-Blick auf die italienischen und französischen Gipfel. Ganz oben auf dem Grat, auf knapp 2800m, beziehe ich mein Nachtlager - das Hartschalendachzelt ist schnell aufgeklappt, die Küchenkiste gut mit lokalen Leckereien gefüllt und Lektüre auch vorhanden - diese bleibt jedoch ungenutzt, zu faszinierend sind die Lichtspiele, die die untergehende Sonne auf die Berge wirft. Die Nacht ist kühl, aber im Dachzelt und anständigem Schlafsack nicht unangenehm, der Sonnenaufgang hingegen ist spektakulär!

Nach ausgiebigem Frühstück und einem Plausch mit den ersten Offroadern, die an diesem Tag den Jafferau auf dem "Normalweg" befahren, steht der Abfahrt, abermals über die Skipiste nach Bardonecchia dem geplanten Treffen mit meinen Mit-Reisenden in Briancon nichts mehr im Weg - lediglich der Col de Echelle oberhalb von Bardonecchia, den ich dem Col de Montgenevre trotz Umweg jederzeit vorziehe. Durch die Lärchenwälder in ́s malerische Val Claree hinab, ein beliebtes Naherholungsgebiet für die Einwohner von Briancon und von dort aus weiter in die Stadt, welche am Schnittpunkt fünfer Täler liegt und von zahlreichen Festungsbauten umgeben ist. Diese zeugen von der ehemaligen strategischen Bedeutung der Stadt, die meisten der Bauten gehen auf den Marquis de Vauban zurück, dessen ehemaliges Stadthaus, 1693 erbaut, wir bei unserer 2011er Alpentour bewohnen konnten.

Dank des Dachzelts hält sich mein Aufbau-Aufwand auf dem Campingplatz südlich von Briancon in Grenzen, da haben Martin und Petra mit ihrem stauraumgehandicapten Wrangler und Bodenzelt schon mehr zu tun - trotzdem ist das Camp zügig errichtet und man kann sich den kulinarischen Feinheiten der Region in fester wie flüssiger Form widmen.

Nur keine Angst vor Kratzern

Der erste gemeinsame Fahrtag sieht uns in Richtung Susa aufbrechen – diesmal über den Col den Montgenevre und von Susa aus weiter in Richtung Norden – zuerst gilt es einen Geocache zu finden – wir wählen die etwas spannendere Variante, die uns mit beiden Jeeps durch den ca. 400m langen, unbeleuchteten Tunnel führt – die Dose ist dann schnell gefunden und es geht weiter in Richtung Lac de Roterel – hier ist es weder angebracht, ein besonders breites Fahrzeug zu haben noch sich übermäßig Sorgen um dessen Lack zu machen – dazu wächst der Weg immer wieder zu sehr zu und das teilweise dornige Gebüsch macht zusammen mit den weidenden Rindern dem Offroader den Weg streitig. Dieses Jahr gibt’s noch eine weitere Überraschung – vom Steilhang linker Hand hat sich ein größerer, zum Glück flacher Stein gelöst, der nun mittig auf der Piste kurz hinter dem Lac de Roterel liegt und zwingend überfahren werden muss. Mit kurzem Einweisen zur Sicherheit ist das kein Problem und schon bald sitzen wir am Lac de Mt.Cenis, dem Stausee, dessen Hauptmerkmal neben seiner gewaltigen, befahrbaren, 1400m breiten Gewichtssteinmauer die Farbe seines Wasser ist – durch die Kalkanreicherungen des Schmelzwassers erscheint es fast türkis.

Nach einer Pause folgen wir der nicht asphaltierten Piste am Westufer des Sees und erreichen kurz vor dem Col de Mont Cenis wieder Asphalt. Die ganze Zeit haben wir bei bestem Wetter hervorragende Ausblicke auf die umliegenden Dreitausender, diverse Festungsanlagen und Pässe. Schon nach wenigen hundert Metern verlassen wir den Asphalt wieder, um die wahrscheinlich am spektakulärsten positionierte Befestigungsanlage zu besuchen – das Fort de la Turra, welches mehr als 550 Meter oberhalb des Sees an dessen Nordufer gelegen ist.

Oberhalb der gut erhaltenen Anlage folgen wir der Piste noch ein Stück in Richtung Col de Becchia, bald geht der schmale Pfad jedoch in einen Single Trail über – hier ist für unsere Fahrzeuge dann endgültig Schluß. Nach kurzem Fotostop geht’s retour zum Col de Mt. Cenis und an seinem asphaltierten Ostufer wieder in Richtung Italien. Am Besucherzentrum wartet noch ein schneller Geocache auf uns, dann lassen wir den Nachmittag mit einem Cappuchino ausklingen.

Große Namen stehen am nächsten Tag auf dem Programm – und viele Kilometer. Am bereits erwähnten Wohnhaus des Herrn Vauban im Ortsteil Fontchristianne vorbei geht es ostwärts aus Briancon hinaus, nach einem kurzen Fotostop am Col de Izoard (2360m) erreichen wir die Casse Deserte, eine unwirkliche Mondlandschaft aus grauem Geröll, in welcher man die Auswirkungen der Erosion deutlich vor Augen geführt bekommt.

Zur zweithöchsten Alpenstraße

Weiter geht’s auf Asphalt zum 2108m hohen Col de Vars, wo wir mit leckerem Gebäck das Frühstück nachholen – aber auch die Fahrzeuge bekommen langsam Hunger und so ist der nächste Stopp in Barcelonette. Nach dem Tanken ist noch ein Geocache fällig – dieser liegt an einer alten Dassault 312, einem Ausbildungsflugzeug der französischen Armee aus den Jahren 1948-1969. Was in Deutschland hinter einem Zaun stünde mit „Bitte nicht berühren!“-Schildern, ist hier frei zugänglich auf einem Kreisel in der Nähe des lokalen Flugplatzes positioniert, selbst in den Innenraum gelangt man problemlos.

Nicht fliegen, sondern fahren werden wir jetzt zur zweihöchsten asphaltierten Straße der Alpen – der Cime de la Bonette. Auf einer sinnfreien, aber spektakulären Schleife ohne Randsicherung oberhalb des Col de la Bonette erreicht man eine Höhe von 2802m – nichts für Menschen mit Höhenangst, geht es doch einige Hundert Meter steil abwärts. Aber schließlich sind wir mit Offroadern hier und haben heute schon genug Asphalt unter den Rädern gehabt – daher nehmen wir nicht den regulären Weg, sondern vielmehr einen geschotterten Seiteneinstieg, welcher über den Weiler Bayasse zur Ouvrage La Moutiere führt.

Dies ist eine der zahlreichen Befestigungsanlagen der Maginot-Linie, die hier um den Col de la Bonette und den Col de Restefond zu finden sind. Teilweise sind sie begehbar, aus Zeitgründen lassen wir dies jedoch ausfallen und machen uns auf den steilen Aufstieg zur Hauptstrecke, welche wir oberhalb der Befestigungen des Col de Restefond erreichen. Über den Col de la Bonette erreichen wir flugs den Gedenkstein an der Cime de la Bonette, parken unsere Jeeps und machen uns die letzten Meter zu Fuß auf den Weg zum 2860m hoch gelegenen Gipfel. Für Martin und Petra ist ́s das erste Mal, ich durfte das Jahr zuvor mehrere Stunden die 360° Aussicht genießen.

Langsam wird es Zeit für die Rückfahrt – ein hohes Ziel haben wir noch vor uns. Über den Col de Restefond geht es zurück nach Jausiers, bei La Condamine-Chatelard biegen wir auf die Piste zum Col de Parpaillon ab. An der Sainte-Anne Kapelle vorbei führt die schmaler und steiler werdende Piste bis auf 2632m Höhe – hier beginnt der Scheiteltunnel, dessen unbefestigte Wände und die tief zerfurchte Fahrbahn bis spät in den Sommer hinein mit Eis bedeckt ist. Speziell für Motorradfahrer ist ́s eine Herausforderung, für die Jeeps war ́s ein Spaziergang, aber es ist auf jeden Fall immer wieder ein Erlebnis. Auf der Nordseite gab ́s noch einen neuen Geocache zu heben und dann führte uns der Weg in endlosen Serpentinen wieder auf asphaltierte Wege zurück und weiter nach Briancon.

Fahrspaß auf der Skipiste

Am nächsten Tag gingen Martin und Petra klettern, ich brach in Richtung Westen auf. Der nördlich gelegene und von der Tour de France bekannte Col du Galibier war nicht das Ziel, vielmehr zog es mich über den Col de Lautaret in die Gegend des Wintersportortes Alpe d ́Huez. Wie schon erwähnt, ist der Wintersport neben der militärischen Vergangenheit der Region einer der Hauptgründe, warum es fahrerisch interessante Pisten für den Offroader gibt. Am Col de Sarenne wurde der Nieselregen zunehmend stärker und die Sichtweite auf Grund des Nebels immer geringer.

Der Einstieg zum eigentlichen Tagesziel war trotzdem schnell gefunden und so ging es über groben Schotter und steil aufwärts in Richtung des Herpie-Skilifts. Aus dem Regen ist inzwischen Schneefall geworden, die Sichtweite im Nebel dürfte sich bei 30-50m bewegt haben. Das war der Grund, weshalb ich auf ca. 2900m Höhe umkehrte, ohne Begleitfahrzeug wollte ich nichts riskieren, zumal es im unteren Bereich einige Schrägpassagen gab.

Der nächste Tag war als reine Transferetappe geplant. Tagesziel war das Val Tournenche-Tal, das sich nördlich des Aosta-Tals bis an die Südseite des Matterhorns erstreckt. Hier wartet ein besonderer Leckerbissen auf uns! Am Abend ergab ein kurzer Ausflug bis auf 2800m Höhe, das die Schneeverhältnisse exzellent sind – meint: kaum vorhanden. Beruhigt geben wir uns lokalen Spezialitäten auf dem Teller und im Glas hin, das Wetter verspricht, gut zu bleiben.

Freie Sicht auf den Mont Blanc

Und dieses Versprechen hielt es auch! Der nächste Morgen begrüßte uns mit stahlblauem Himmel, kaum einer Wolke und auf Grund des Regens der vorherigen Tage mit einer dunst- und staubfreien Luft. Die Fernsicht sollte über 100km weit reichen, Monte Viso und Mont Blanc waren glasklar zu sehen.

Über einen wenig bekannten Seiteneinstieg machten wir uns auf den Weg in die endlos scheinende Schotterwüste des Skizirkus von Breuil-Cervinia – dem italienischen Gegenstück zu Zermatt auf der Schweizer Seite des „Hörnli“. Im Gegensatz zu seinem Pendant ist Breuil-Cervinia jedoch im Sommer mit französischen Retortenstädten wie Alpe d ́Huez, Val d ́Isere, Tignes oder Sestriere vergleichbar. Und auch das Preisniveau ist glücklicherweise meilenweit entfernt von Zermatt!

Die zahllosen Skilifte, die im Laufe der Jahrzehnte dort gebaut wurden, sind nicht mehr alle im Betrieb – die nicht mehr benötigten Gebäude werden jedoch nicht abgerissen, sondern einfach dem Verfall preisgegeben. Was macht der geneigte Geocacher, Jeeper und Urban Explorer? Genau, er legt Geocaches in diese Gebäude – und da Martin einer dieser Cache-Besitzer ist, nahmen wir unseren Aufenthalt auch zur Gelegenheit, dieses Caches zu warten. Außer uns waren kaum Offroader unterwegs, jedoch zahlreiche schwere Baumaschinen, die die Pisten für die kommende Skisaison präparierten. Ebenfalls schwer zu Gange war ein Helikopter aus Cervinia, der im 5 Minuten Takt Baumaterial zur Theodulshütte flog – das der Pilot hierbei Spaß hatte, sah man an den Flugmanövern, speziell beim unbeladenen Rückweg ins Tals.

Am höchsten Punkt der Alpen

Oberhalb der Plan Maison vereinigen sich alle Piste zu einer einzigen – diese führt über glatte Steinplatten und durch einige atemberaubend ausgesetzte, unbefestigte Steilkurven zum letzten Steilhang unterhalb der Theodulshütte – mit leicht erhöhtem Standgas ist auch diese Hürde genommen und schon bald stehen wir wenige Meter oberhalb der Hütte an der Bergstation des Bontadini-Skilifts – mit 3332m Höhe der höchste Punkt der Alpen, der mit einem Offroader angefahren werden kann.

Zur Fernsicht kann man außer „atemberaubend“ nicht viel sagen, das Matterhorn direkt vor uns, Monte Rosa Gletscher, Breithorn, kleines Matterhorn auf der Schweizer Seite, Testa Grigia in Richtung Süden und am Horizont Riesen wie Mont Blanc und Monte Viso. Mein Geocache GC1GFD7 liegt nur wenige Meter oberhalb des Skilifts und nach dessen Kontrolle folgt das obligatorische Fotoshooting mit den Fahrzeugen am Skilift. Nach Kaffee und Kuchen in der Theodulshütte und nettem Plausch mit dem neuen Pächter machen wir uns auf den Rückweg in Richtung Cervinia.

Während Martin und Petra die Nacht in Cervinia verbringen, treibt mich die Unruhe und die Freude am nächtlichen Fahren noch auf die Autobahn – über einen kurzen mitternächtlichen Stop in Mailand erreiche ich am nächsten Morgen gegen 5 Uhr abermals den Ort, an dem seit Oktober 2011 mein Herz hängt: die Terrasse der Tibet-Hütte oberhalb des Stilfser Jochs. Statt Nebel und Nieselregen wie bei der Anreise erwartet mich diesmal jedoch ein sternklarer Himmel. Ich verbringe die nächsten 3 Stunden damit, die wechselnden Stimmungen und Lichtverhältnisse zu fotografieren, bevor ich den Heimweg über den Reschensee und die Festung Nauders antrete.

Fazit: Seit 12 Jahren fahre ich in die Gegend zwischen Genfer See und Nizza – und noch immer habe ich nur einen Bruchteil dessen gesehen, was diese Region zu bieten hat. Nächstes Jahr komme ich wieder, Ideen für neue Touren habe ich schon genug!

Text und Bilder: Jan Liska

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