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Mille Miglia 2012 - Newcomer im DKW Monza
Drei Zylinder, zwei Takte, ein Ziel.

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Wer erstmals bei der Neu-Auflage der Mille Miglia teilnimmt und anschließend wieder nach Hause kommt, glaubt aus einem (Alp)-Traum erwacht zu sein. Man erinnert sich nur noch bruchstückhaft an einige Bilder: Rennwagen, Menschen, Städte und Landschaften, die im Tempo eines alten Charlie-Chaplin-Films am Auto-Fenster vorbeigeschossen sind.

Mille Miglia 2012, Impressionen DKW Monza-Team
Foto: Franz-Peter Hudek

Waren wir wirklich in Rom? Morgens um Zwei vor der Engelsburg? Die Fotos beweisen es: Wir haben nicht geträumt.

Die Rallye vor der Rallye

Das Audi-Team erwartet mich am Donnerstag gegen 11 Uhr in der riesigen Halle der Brixia Expo am Stadtrand mit einem blitzblank geputzten, Ferrari-roten DKW Monza. Das knuffige Kunststoff-Coupé bietet Innen viel Platz und sieht mit seinem angehobenen Heck richtig angriffslustig aus. Sein Dreizylinder-Zweitakt-Motor leistet 50 hell sirrende PS, die wir später permanent erbarmungslos peitschen müssen, um die eng kalkulierten Etappen-Zeiten schaffen zu können. Aber das war mir jetzt noch nicht so ganz klar, weil ich mich mehr auf eine Italienreise wie in einer alten Cinzano-Werbung eingestellt habe: Bummeln, Schauen, Verweilen. Schließlich steuern wir alle berühmten Städte zwischen Brescia und Rom an, da darf doch etwas Kultur und Dolce Vita nicht zu kurz kommen.

Unsere Highlights

Man darf auch bei roter Ampel über die Kreuzung; die Polizei will es doch so

Fahrer und Team-Chef Thomas Frank, er ist Leiter von Audi Tradition (Klassik-Abteilung von Audi mit Musuem), startet bereits zum fünften Mal bei der Mille Miglia und kennt deshalb die Abläufe. So auch die Fahrt vom Messe-Gelände in die Innenstadt von Brescia unter Begleitschutz der Polizei. Hierzu versammeln sich etwa 20 Rallye-Autos, die im Konvoi durch die Stadt geschleust werden. Motorrad-Polizisten sperren im fliegenden Wechsel die Querstraßen und Kreuzungen, bis die Oldtimer durch sind. Die Rallye-Teilnehmer lernen dabei gleich die erste und wichtigste Lektion der Mille: Man darf auch bei roter Ampel über die Kreuzung; die Polizei will es doch so.

Je mehr wir uns der historischen Altstadt von Brescia nähern, desto größer werden die Menschenmassen am Straßenrand. In den engen Gassen begrüßen uns die begeisterten Zuschauer, als hätten wir die Rallye schon hinter uns und jedes Auto wäre ein Siegerauto. Doch es ist der gleich Jubel, mit dem in Spanien die Kampstiere begrüßt werden, die später ihr Leben aushauchen werden. Das weiß ich jedoch erst seit meiner Ziel-Ankunft.

Souvenir-Rallye und Capuccino-Time

Noch herrscht das Dolce-Vita vor: Wir sammeln auf dem Piazza della Loggia direkt in der Loggia und in modernen Markt-Buden die Teilnehmer-Geschenke der Sponsoren ein: Die berühmte, begehrte Chopard-Uhr mit eingeprägter Startnummer, deren Wert bei knapp 5000 Euro liegt und damit die Startgebühren zur Mille Miglia in Höhe von 7260 Euro pro Team (mit Übernachtung und Verpflegung) dramatisch relativiert. Dann der schicke Renn-Blouson von Stefano Ricci, ein Servier-Set vom Käse-Spezialisten Grana Padano, Schuheinlagen von Ergymax (kein Witz) und einiges mehr. Schwer bepackt wie Madonna nach einer Shopping-Tour durch Mailand kehren wir in das Fahrerlager der Volkswagen-Gruppe zurück, das auf der Piazza Paolo VI gegenüber dem alten und neuen Dom seine Rennboliden von Bentley, Audi/DKW, Porsche und Volkswagen aufgereiht hat. Und übrigens: Die Sponsoren-Geschenke der Mille-Miglia-Teams von Volkswagen (Werksangehörige, Journalisten und sonstige Gäste) werden im Lauf des Jahres für einen wohltätigen Zweck versteigert.

Bei Capuccino und Dolce studieren wir ein bisschen das telefonbuchdicke, schwarze Roadbook. Ach, es wird schon nicht so schlimm werden, die Sonne strahlt, die Menschen strömen durch die Gassen, erholen sich in den überfüllten Cafés und dazwischen glänzen die bunten Karosserien der 382 geparkten Rallye-Autos. Wir sind Startnummer 333 und damit immer knapp zwei Stunden nach Startnummer eins dran. Somit wird aus unserer Mille vor allem „Italien bei Nacht“. Ohne Cinzano on the rocks versteht sich.

Endlich: Es geht los!

Nein, noch nicht. Zuerst trifft sich die Rallye-Meute auf dem Kiesplatz des Mille Miglia-Museums, das einst ein riesiges Landgut gewesen sein muss. In den ehemaligen Stallungen mit schönen Gewölbedecken gibt es das letzte Abendmahl vor dem dreitägigen Martyrium, das einem zunächst noch harmlos vorkommt: Die insgesamt acht Rallye-Etappen sind mit einem Durchschnitt von etwas mehr als 45 km/h zu bewältigen, das packt man doch eigentlich mit links. Und insgesamt 1498,32 Kilometer in drei Tagen können einem nicht wirklich erschrecken. Allerdings ist der erste Tag eigentlich schon vorbei, der Start findet erst um 18 Uhr 45 statt.

Auf der Viale Venezia parken jetzt die Rallye-Autos, um sich im 20 Sekunden-Takt von der Rampe hinab in die Dämmerung zu stürzen. Die Fahrzeuge der späten Fünfziger, zu denen auch unser DKW Monza gehört, bilden ein herrlich absurd buntes Feld: Rote Flundern vom Schlage eines Ferrari 750 Monza (gehört also auch zur Familie), dann die kleinen bissigen Abarth-Zagato-Coupés, aber auch große und kleine Limousinen wie VW Käfer, Fiat 1100, Renault 4CV und sogar eine mächtige, aber immer etwas verschlafen wirkende DS. Ein BMW 507 lässt nach den bisherigen Strapazen oder wegen zu großer Nervosität seinem Wasser freien Lauf.

Jetzt stehen wir auf der Rampe vor der schwarzen Wand mit den vielen Sponsoren-Stickern. Wir werden namentlich über Lautsprecher vorgestellt. Dann legt mein Pilot den ersten Gang ein, stürzt sich mit Vollgas von der Rampe und ist ab jetzt ein anderer Mensch. Mit dem Einlegen des ersten Gangs (Lenkradschaltung, obere Ebene nach unten) verwandelt sich der stets freundlich und besonnen auftretende Thomas Frank in eine Reinkarnation von Tazio Novulari mit nur einem Ziel vor Augen: Das Letzte aus seinem Auto rauszuholen und den roten Zweitakter fast ständig am Limit zu fahren. Nur der DKW-typische Freilauf wird später der Ingolstädter Kawa-Maschine zumindest bergab einige Atempausen gönnen. Eigentlich hätte ich durch die fingerlosen Fahrer-Handschuhe, die Thomas kurz vor dem Start über seine Finger streifte, gewarnt sein müssen.

Die Jagd durch Menschengassen

Die Fahrt aus Brescia hinaus in die italienische Nacht beginnt mit der Hatz durch eine schmale Gasse zwischen Menschenmassen. Das Ganze erinnerte mich an die Rallye Portugal Anfang der Neunziger. Jubelschreie und winkende Arme senden eindeutige Signale: Auf geht’s, Tempo, Avanti. Wer trödelt, der wird durch das offene Auto-Fenster abgewatscht. Oder es war die freundliche Berührung eines Göttlichen, eines Mille Miglia-Teilnehmers, die für den Mille-Fan mehr wert ist als der päpstliche Segen vor dem Petersdom. Nach unzähligen Kreisverkehren dengeln wir im Affentempo durch Sirmione, das sich in einziges Straßencafé verwandelt hat. Deutsche Touristen begrüßen uns beim Vorbeifahren mit ihren gefüllten Weißbier-Gläsern. Die Nachtetappe des ersten Tages endet schließlich nach 261 Kilometer gegen zwei Uhr früh in Ferrara.

Wieder unterwegs, zweiter Rallye-Tag. Nach den ersten Wertungsprüfungen und Altstadt-Durchfahrten wird mir klar: Die kosten uns so viel Zeit, dass wir auf den Verbindungsetappen wirklich das Letzte aus unserem Monza herausholen müssen, um die vorgegebenen Zeiten für die Etappenziele zu erreichen. Der scheinbar lässige 45 km/h-Schnitt ist also nicht zu schaffen, wenn man sich im normalen Straßenverkehr wie normale Menschen benimmt. Also: Gas geben, und ständig überholen wo einigermaßen Platz ist. Die Italiener, die in ihren Alltags-Autos unterwegs sind, wissen, dass die Mille kommt und Vorfahrt hat. Sogar dicke Trucks auf Landstraßen tun ihr Bestes, um Ferrari, Maserati und Co vorbei zu lassen. Trotzdem muss man natürlich auf alles achten, was ohne Auto unterwegs ist.

In den großen Städten ist die halbe Bevölkerung zur Mille Miglia geeilt. In Siena öffnet sich wieder nur eine schmale Menschen-Gasse für die Rallye-Autos, die über den muschelförmigen Piazza del Campo hoppeln. Und nach der Ankunft in Rom nahe der Engelsburg stehen noch am Morgen um zwei Uhr Tausende von Mille Miglia-Besucher am Streckenrand und beehren uns mit ihrem Blitzlicht-Gewitter. Vielleicht wirkt hier der Mille-Miglia-Zauber am stärksten, wenn die Rallye-Autos mit Blick auf den Petersdom zusammen parken und die Fahrer sich untereinander oder mit dem Publikum unterhalten. Ja. es wird einem warm ums Herz.

Letzter Tag im Wachkoma

Die Anforderungen der Mille Miglia an die Rallye-Teams steigern sich von Tag zu Tag. Zuletzt stehen gleich vier Etappen mit insgesamt 675 Kilometer auf dem Plan. Nur Landstraße mit vielen Stadt-Durchfahrten. Die reine Fahrt-Sollzeit liegt bei 15 Stunden und 35 Minuten. Eigentlich bleiben nach der Rückkehr in mein Büro in Stuttgart nur noch Fragen übrig, so irreal erscheint mir dieser Sabato 19 Maggio 2012: Gab es wirklich diese Deppen-Horde von marodierenden, monströsen Mercedes SLR-McLaren, die das Feld von hinten aufrollten und sich mit den Rallye-Autos durch die Altstädte schummelten? Haben wir wirklich eine fast vier Kilometer lange Zeitprüfung auf Schotter absolviert, nach der alle Autos wie Rallye-Dakar-Offroader aussahen? Sind wir wirklich bei einsetzender Dämmerung durch das Ferrari-Werksgelände in Maranello gebrettert und haben noch auf der Teststrecke eine Zeitprüfung absolviert? Waren wir auch auf dem Maserati-Gelände in Modena? War das Erdbeben im Hotel oder davor? Gab es wirklich ein Koch-Duell: Lafer im Jaguar gegen Lichter im Ferrari? Sind wir überhaupt am Sonntagmorgen gegen zwei Uhr in Brescia durchs Ziel gefahren? Scheinbar doch: Die Ergebnisliste im Internet sagt uns, dass wir auf Platz 202 gelandet sind. Wir haben also tatsächlich nicht nur geträumt.

P.S. Alle Infos zur Mille 2012 inklusive aller 382 gestarteten Autos im Bild auf der Website www.1000miglia.eu

Mille Miglia 1927 bis 1957: Die Gesamtsieger
JahrFahrerAutoSchnitt
1927Ferdinando Minoia/Giuseppe MorandiO.M. Superba 665S77,238 km/h
1928Giuseppe Campari/Giulio RamponiAlfa Romeo 6C 1750 GS Spider Zagato84,128 km/h
1929Giuseppe Campari/Giulio RamponiAlfa Romeo 6C 1750 GS Spider Zagato89,688 km/h
1930Tazio Nuvolari/GIovanni Battista GuidottiAlfa Romeo 6C 1750 GS Spider Zagato100,450 km/h
1931Rudolf Caracciola/Wilhelm SebastianMercedes-Benz SSKL101,147 km/h
1932Baconin Borzacchini/Amedeo Bignami Alfa Romeo 8C 2300 Spider Touring 109,884 km/h 1933 Tazio Nuvolari/Decimo Compagnoni AlfaAlfa Romeo 8C 2300 Spider Touring109,884 km/h
1933Tazio Nuvolari/Decimo CompagnoniAlfa Romeo 8C 2300 Spider Zagato108,572 km/h
1934Achille Varzi/Amedeo BignamiAlfa Romeo 8C 2600 „Monza” Spider Brianza114,307 km/h
1935Carlo Pintacuda/Alessandro Della StufaAlfa Romeo 2900 Tipo B114,753 km/h
1936Antonio Brivio/Carlo OngaroAlfa Romeo 8C 2900 A Spider121,622 km/h
1937Carlo Pintacuda/Paride MambelliAlfa Romeo 8C 2900 A114,747 km/h
1938Clemente Biondetti/Aldo StefaniAlfa Romeo 8C 2900B Spider Touring135,391 km/h
1940Huschke von Hanstein/Walter BäumerBMW 328 Coupé Touring166,723 km/h
1947Clemente Biondetti/Emilio RomanoAlfa Romeo 8C 2900B Coupé Touring112,240 km/h
1948Clemente Biondetti/Giuseppe NavoniFerrari 166S Coupé Allemano121,227 km/h
1949Clemente Biondetti/Ettore SalaniFerrari 166 MM Spider Touring131,456 km/h
1950Giannino Marzotto/Marco CrosaraFerrari 195S Coupé Touring123,209 km/h
1951Luigi Villoresi/Pasquale CassaniFerrari 340 America Coupé Vignale121,822 km/h
1952Giovanni Bracco/Alfonso RolfoFerrari 250S Coupé Vignale128,591 km/h
1953Giannino Marzotto/Marco CrosaraFerrari 340 America Spider Vignale142,347 km/h
1954Alberto AscariLancia D24 Carrera Pininfarina139,645 km/h
1955Stirling Moss/Denis JenkinsonMercedes-Benz 300 SLR157,650 km/h
1956Eugenio CastelottiFerrari 290 MM Spider Scaglietti137,442 km/h
1957Piero TaruffiFerrari 315S Spider Scaglietti152,632 km/h
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