Am Steuer eines Renn- oder Rallyeautos habe er stets ein simples Erfolgsrezept gehabt, sagt Eugen Böhringer: "Viel Gas geben, wenig bremsen!" Mit dieser Devise kam der am 22. Januar 1922 in Stuttgart geborene Mercedes-Werksfahrer ziemlich weit: 1960 fährt er bei der Rallye Monte-Carlo im 220 SE (Heckflosse) mit Beifahrer Hermann Socher auf Rang zwei hinter den Teamkollegen Schock/Moll. Im Jahr darauf gewinnt der Sohn eines ehemaligen Daimler-Mitarbeiters und Hoteliers die Polen-Rallye, feiert etliche Klassensiege und wird Zweiter in der Rallye-Europameisterschaft.
Rallye-Europameister 1962
1962 gewinnt Böhringer die Rallye-Akropolis und die Polen-Rallye, wird Zweiter bei der Rallye Monte-Carlo sowie der Deutschland-Rallye und Fünfter bei der Rallye Mitternachtssonne und ist am Jahresende Rallye-Europameister. 1962 steht er auch bei der mörderischen Rallye Lüttich-Sofia-Lüttich in einem 220 SE ganz oben auf dem Treppchen. Die Rallye führt über 5500 Kilometer quer durch halb Europa, Pausen gibt es keine, und nicht selten fallen Fahrer oder Beifahrer bei Zeitkontrollen bewusstlos aus dem Auto. Für solche Strapazen hat Böhringer stets seinen Zaubertrank an Bord: Milch mit reichlich Traubenzucker hinein gerührt und einem guten Schuss Rum. 1963 gelingt ihm als Erstem ein zweiter Sieg bei der Lüttich-Sofia-Lüttich in Folge, diesmal mit einem 230 SL Pagode. Von 120 gestarteten Autos kamen damals nur 20
ins Ziel.Auch auf der Rundstrecke erfolgreich
Auch auf der Rundstrecke war der schnelle Schwabe mit dem grantigen Humor schwer zu halten: 1964 gewinnt er den Großen Preis der Tourenwagen auf dem Nürburgring, und aus den 24 Stunden von Spa geht er zusammen mit Dieter Glemser als moralischer Sieger hervor. Durch längere Boxenstopps hatte Böhringer im 300 SE viel Zeit verloren, die er vor allem in der Nacht durch sensationelle Rundenzeiten aufholte. Eine Dreiviertelstunde vor Rennschluss führt er mit drei Runden Vorsprung, als die linke vordere Radnabe bricht und er an die Box muss. Ersatz muss von außerhalb der Box beschafft werden, was nicht regelkonform ist - Böhringer wird disqualifiziert. Er ist den Tränen nahe, dem zufällig anwesenden Juan Manuel Fangio gelingt es nur mühsam, Böhringer zu trösten. Fangio war auch gerne Gast in der "Höhengaststätte Böhringer" in Rotenberg, ebenso wie der legendäre Rennleiter Alfred Neubauer und die gesamte damalige Fahrerriege.
Geburtstagsfeier im Mercedes-Benz-Museum
Seine ehemaligen Rennkollegen ließen es sich denn auch nicht nehmen, zahlreich zum 90. Geburtstag am 22. Januar 2012 im Mercedes-Benz Museum zu erscheinen. Zu den Gratulanten gehörten Böhringers ehemalige Beifahrer Klaus Kaiser und Rolf Knoll, außerdem die Teamgefährten Dieter Glemser, Eberhard Mahle, Rolf Moll und Walter Schock. Die Schwedin Ewy von Korff-Rosqvist, die 1962 den Großen Straßenpreis in Argentinien gewann (Böhringer siegte im Jahr darauf), kam extra aus Stockholm eingeflogen. Außerdem unter den Gratulanten: der ehemalige Silberpfeil-Pilot Hans Hermann und Herbert Linge, der zwar die meisten Pokale auf Porsche geholt hat, zwischendurch aber auch zwei Mal Mercedes fuhr. Geschenke gab es natürlich reichlich, das vielleicht passendste von Mercedes-Benz Classic-Chef Michael Bock: Einen Korb mit den Zutaten zu Böhringers Zaubertrank. Böhringer dankte und weiß auch noch mit 90 Jahren, was sich gehört: Sein größtes Dankeschön ging an „die Mechaniker und Ingenieure, die die Siege vor beinahe einem halben Jahrhundert erst möglich machten."
Böhringer mag heute meist im Rollstuhl sitzen, doch seinen bärbeißigen Charme hat der Geschichtenerzähler nicht verloren. Auch nicht die Freude am schnellen Fahren: Wer im Raum Stuttgart einen heftig am Limit bewegten Smart erblickt, kann fast sicher sein, dass ein breit grinsender Eugen Böhringer hinter dem Steuer sitzt – hoffentlich noch lange.