Wenn ein Team sein Einsatzgefährt bereits auf der Anreise etwa 200 Kilometer vor dem eigentlichen Start wegen heftigen Schneefalls in den nächstbesten Graben wirft, so lässt sich das für die dann folgende Winterrallye schon mal als gutes Omen werten.
Unterwegs im 2.000 Euro-Rallye-Auto
Wegen möglichst viel Schnee und Eis sind die Teilnehmer schließlich dabei, und bei kleineren Ausrutschern in die winterliche Botanik findet sich in der Regel immer jemand, der einem wieder aus dem Graben hilft. Bei Oliver Nusser und Klaus Thiele fuhr dieser Jemand praktischerweise einen allradgetriebenen VW Bus, mit dem er den schneeweißen Porsche 944 der beiden Hamburger Havaristen zurück auf die Straße zog. "Wir hatten uns aus familiären Gründen in Heilbronn getroffen, wollten in den Löwensteiner Bergen noch ein wenig trainieren und sind bei der Rückfahrt in einen zugedeckten Graben gerutscht", erzählt Klaus Thiele: "Da war es bereits früher Nachmittag - wir hatten Bedenken, ob wir es noch rechtzeitig zur Fahrzeugabnahme in Hanau schaffen."
Zum Glück hielten sich die Nordlichter auf dem Weg in die Gebrüder-Grimm-Stadt östlich von Frankfurt aus allen Gräben raus und passierten problemlos die Abnahme auf dem Hanauer Marktplatz. Mit Rallyeschildern, sauber aufgeklebter Startnummer 41 sowie zwei paar Schneeketten und fertig angemischtem Wischwasser in Griffweite stand ihr 944 dann inmitten der übrigen knapp 50 Klassiker, die sich alle in den kommenden vier Tagen auf den Weg nach Monte Carlo machen wollten. Ein guter Teil davon Youngtimer, auch wenn Histo-Monte-Organisatorin Gabriele Triefenbach diesmal bezüglich der Baujahrgrenze nicht an der üblichen 20-Jahre-Regelung festhalten wollte: "1990 klingt doch sehr jung." Zudem findet sich auch bis Baujahr 1989 manch feines rallyetaugliche Fahrzeug für wenig Geld: Lediglich 2.000 Euro, 1.000 weniger als das Nenngeld, hat der BMW 318i von Hermann Josef Leuschen gekostet - rostfrei und ungeschweißt aus zweiter Hand mit munteren 113 PS und in leuchtendem Zinnoberrot.
"Wir haben das Auto extra für die Veranstaltung gekauft", erzählt Leuschen: "Im vergangenen Jahr sind wir der Rallye als Zuschauer bis in die Vogesen gefolgt, danach waren wir wie im Fieber." Dass der Einbau einiger Kleinigkeiten wie Käfig, Domstrebe, Differenzialsperre, Wegstreckenzähler sowie M3-Sitzen ein Mehrfaches des Kaufpreises verschlungen hat, erwähnt der 53-Jährige nur nebenbei - wobei für eine gute Platzierung lediglich der Wegstreckenzähler wichtig ist.
28 Prüfungen warten auf die Teilnehmer der 16. AvD-Histo Monte
Georg Taffet hat dagegen bei seinem Alfa Romeo Alfetta GTV vor allem Wert auf Rostschutz gelegt. "Wir haben alles gemacht, was möglich ist", meint der 47-Jährige. Schließlich soll der Alfa nicht dem Klischee folgen und seine Farbe zwischen Hanau und Monaco von Blau nach Braun wechseln. Für Taffet und seinen Schweizer Beifahrer Philipp Kujumdshiev ist dies ebenfalls die erste AvD-Histo-Monte - sie sollen nicht enttäuscht werden: Gabriele Triefenbach und ihr Team haben in den vergangenen Monaten für die 16. Auflage der Winterrallye eine in weiten Teilen neue, 1.740 Kilometer lange Strecke durch Odenwald, Pfälzer Wald, die Vogesen, den französischen Jura und die Seealpen ausgeguckt, die sich sehen lassen kann und selbst langjährigen Teilnehmern immer wieder neue Ausblicke bietet.
"Das macht einfach Spaß", meint etwa Volvo-Fahrer Steffen Streich anerkennend. Wesentlich für den Spaß zuständig ist zudem der Winter, der Europa seit Wochen fest im Griff hat und alle Strecken ebenso zuverlässig wie regelmäßig mit so viel neuem Schnee belegt, dass die Räumdienste den Tränen nahe sind. So müssen schon vor dem Start zwei Wertungsprüfungen wegen Unpassierbarkeit abgesagt werden, was die Teams mit Freudengeheul und Schneekettenrasseln kommentieren.
Der Reigen der 28 Prüfungen beginnt 52,62 Kilometer nach dem Start bei der Ruine Rodenstein, bei der eine Art Rundkurs zwei Mal befahren wird. Dabei sollten die Teams direkt nach der ersten Zeitmessung scharf links abbiegen, was die meisten Fahrer im Eifer des Gefechts natürlich übersehen, geradeaus jagen und schließlich umkehren und Zeit aufholen müssen - was auf Eis und Schnee nicht immer ganz einfach ist. Zumindest wird auf dieser Prüfung immer nur im Ziel gemessen; bei anderen Gelegenheiten erfolgt die Messung geheim, weshalb der Beifahrer seinen Piloten anhand von Schnittcomputer oder Schnitt-Tabelle und Uhr auf beispielsweise 46 km/h einstellen muss.
Jede Sekunde Abweichung gibt einen Strafpunkt, am ersten Abend im Etappenziel Freiburg wird das Opel Commodore-Werksteam Klaus Peter Thaler und Udo Volckmann mit 4,75 Sekunden Gesamtabweichung ganz oben in der Ergebnisliste geführt.
Die 2,8 Kilometer kurze Piste steht knietief unter Wasser
Während die beiden ins traditionelle Gelbe Trikot gehüllt werden, stecken die Hamburger Porsche-Fahrer schon seit Stunden auf der Suche nach dem verlorenen Zündfunken bis zur Hüfte im Motorraum des 944, selbst ein neues Steuergerät bringt keinen Erfolg. Pünktlich um sieben Uhr am nächsten Morgen helfen Nusser und Thiele daher dem Werkstattmeister des nächst gelegenen Porsche-Zentrums beim Aufsperren und verlangen zwei neue Bezugsmarkengeber, die sich schließlich als Übeltäter entpuppt haben. "Die waren allerdings nicht mehr auf Lager, weshalb der Meister die Geber aus seinem privaten 944 ausgebaut und uns überlassen hat", erzählt Klaus Thiele. Mit den neuen Gebern geht der Porsche endlich, und Nummer 41 ist wieder im Geschäft.
Wäre auch schade, den nächsten Abschnitt zu verpassen, der mit einem Ausflug auf die Rennstrecke L‘Anneau du Rhin beginnt. Die 2,8 Kilometer kurze Piste steht knietief unter Wasser, weshalb die meisten Teams zwar gerade noch die erste Vorgabezeit schaffen, aber an den folgenden - schnelleren - zwei Umläufen scheitern. "Das war nicht zu machen", meint selbst der mehrfache deutsche Rallyemeister Matthias Kahle, der im Skoda 110 R den dritten Sieg in Folge einfahren möchte. Bis ins Ziel im Hafen von Monte Carlo sind es indes noch mehrere Etappen und etliche Sonderprüfungen, die meisten mit reichlich Schnee und Eis gesegnet. Manche bieten fast verwunschene Ausblicke wie Prüfung 13 namens Mont de Laval im Jura, die zu Beginn durch ein schmales Tal entlang eines Flüsschens mit moosbewachsenen Bäumen führt.
Das österreichische Vater-Tochter-Team gewinnt die 16. AvD-Histo Monte
"Durch den Schnee ist es diesmal deutlich anspruchsvoller als sonst", sagt der langjährige Teilnehmer Klaus Schepper, dessen weißer Opel Kadett GT/E des Öfteren nach Schneeketten an der Antriebsachse schreit. Absolut keine Probleme mit der Traktion hat dagegen bauartbedingt der VW Käfer von Reinhard und Doris Huemer. Das österreichische Vater-Tochter-Team hat sich bereits am Ende der zweiten Etappe in Aixles-Bains an die Spitze gearbeitet und erreicht schließlich den Hafen des Fürstentums mit insgesamt 25,42 Sekunden Abweichung von der Idealzeit vor Norbert Drexel und Franz-Josef Bielefeld im Opel Manta B GT/E mit 27,57 Sekunden und Horst und Jörg Friedrichs im Ascona A mit 43,03 Sekunden.
Chapeau! Auch der 944 schafft es bis ins Ziel, verlangt allerdings zwischendurch gröbere Ausbeularbeiten am linken Kotflügel (Einschlag) sowie einen Satz Antriebswellen (Ausschlag). Nichtsdestotrotz hätten es die Hamburger beinahe aufs Treppchen geschafft, sie wurden jedoch wegen Benutzung eines modernen Begleitwagens am ersten Tag (als am Nachmittag die Zündung streikte) zurückgestuft. Keine leichte Entscheidung für Histo-Monte-Chefin Gabriele Triefenbach, die dafür verfügt: "Nächstes Jahr fahren die beiden umsonst mit." Prima, da können Nusser und Thiele ja noch ein paar Porsche-Teile mehr einpacken. Sicherheitshalber.