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Geschichte des Autodesigns
Form-All - 125 Jahre Automobil-Design

Inhalt von

Automobil-Design entwickelte sich von den Technikzeichnungen der Ingenieure hin zu einer Kunst der Formgebung, die heute eigene Wissenschaft ist. Hans A. Muth blickt auf einige Stationen der frühen Jahre. Teil 1.

Karl Benz Dreirad
Foto: Archiv

Design ist ein integrierter und verantwortungsvoller Prozess innerhalb einer Produktentwicklung und bestimmt den emotionalen Faktor. Design bedeutet Kreativität in Ansatz und Durchführung. Es repräsentiert den Anspruch und die Qualitäten eines Herstellers. Styling bedeutet hingegen eine künstliche Abänderung von gegebenen Oberflächen, um einem Produkt einen gewissen Marketing-Kick zu geben.

Karl Benz war seinem Konkurrenten Gottlieb Daimler in der Gesamtauslegung seines pferdelos angetriebenen Dreirades der Kreativere. Sein mit Fahrradrohren gebogener Rahmen zur logischen Integrierung des Motors folgte nach wie vor den drei Regeln des Kutschenbaus: Anmutig, leicht und komfortabel. Er war zugleich in seiner hufeisenförmigen Auslegung intuitiv eine Reminiszenz zum verabschiedeten Pferd.

Unsere Highlights

Geburtsstunde des Automobil-Designs: Pferdelosen Kutschen

Daimler, ein durch und durch besessener Techniker, sah sein Ziel eher in der vielfachen Nutzung von Verbrennungsmotoren, nahm eine herkömmliche Kutsche, entfernte die Deichseln, ersetzte diese durch einen Lenkmechanismus und installierte seinen Motor im Bereich der hinteren Sitzbank. Derart begründete er den Begriff "horseless carriage", die pferdelose Kutsche. Das Aussehen des neuen Fahrzeugtyps zu dieser Zeit war von geringerer Bedeutung, denn die sich schnell verbreitende Schar von Entwicklern sah vornehmlich ihre Aufgabe in der Optimierung der technischen Aspekte von Motor, Getriebe und Fahrgestell.

Der interessierte Kunde ging zu einem etablierten Kutschenbauer, um seine individuelle Vorstellung mit ihm zu besprechen und auszuhandeln. Viele dieser Kutschenbauer machten sich in der Folge berühmte Namen als Karrossiers. Der ästhetische Anspruch war noch gering, obwohl das Interesse am neuen Automobil speziell in gehobenen Kreisen zunahm. Generell wurde es aber belächelnd in Frage gestellt. Im Ladenburger Benz-Museum hängt eine zeitgenössische Darstellung von Bertha Benz, die in ihrem Modell Velo geräuschvoll zwei Hausfrauen passiert. Der Kommentar der einen lautet: "Des is die Frau Benz, die habbe ä Firma und kenne sich awwa kä Pferde leischte". Die Antwort der zweiten: "Sche bläd".
 
Das erste als Automobil erkennbare Fahrzeug war der auf den Namen Mercedes benannte Typ 35-h.p, eine Weiterentwicklung des Daimler Phönix von 1899, der zugleich in seiner konsequenten Gestaltung ein beliebtes Objekt zur Nachahmung darstellte. Man saß hoch und ungeschützt vor Staub und Wetterwidrigkeiten, Geräumigkeit war wichtiger als niedriger Luftwiderstand. Cabriolets wurden im Bau bevorzugt, das Verdeck blieb offen - der nach vorn und seitlich uneingeschränkten Umsicht und der Eleganz wegen.

Austesten der automobilistischen Anforderungen

Die Fahrzeug-Bekleidungsindustrie boomte, und das Angebot umfasste eine abenteuerliche Auswahl für die männlichen und weiblichen Motoristen, um den Anforderungen der aufkommenden diversen Rennaktivitäten nachzukommen: Neben den Rennen Paris - Bordeaux und Paris - Berlin war das Gordon-Bennett Rennen das wohl herausforderndste. Hier zeigte sich sehr eindringlich, dass die Teilnahme nicht jedem gestattet war: Die deutsche Firma Daimler zum Beispiel wollte mit fünf neuen 90-h.p.-Fahrzeugen mit Werkspiloten anmelden. Der Deutsche Automobil Club war entsetzt: "Diese Männer sind ja keine 'Hochwohlgeborenen'. Die Fahrzeuge des deutschen Teams müssen von Gentlemen pilotiert werden."

Man muss diese Phase als Beginn im Austesten der automobilistischen Anforderungen und Bedürfnisse von Mensch und Maschine betrachten. Während sich die Upper Class mit PS auf staubigen Parcouren duellierte, erkannte der Amerikaner Henry Ford die gewaltige Potenz in automobilen Möglichkeiten. Ford war nicht nur ein begabter Techniker, sondern ein vorausdenkender Geschäftsmann. Er war wohlhabend und nach dem Bau eines sehr leichten Fahrzeuges, 1896, selbst keine Ambitionen zum Rennpilot hegend, entschloss er sich zusammen mit dem Motorradrennfahrer Tom Cooper zum Bau eines Rennwagens. Es wurden zwei Typen erstellt, "The Arrow" und der "999". Als Fahrer wurde der noch junge Motorrad- Rennfahrer Barney Oldfield verpflichtet. Obwohl dieser noch nie in einem Cockpit saß, gewann er sein erstes Rennen.

Mobilität für alle - Ford Model T

Das Modell "T" war nicht das, was man sich unter dem Begriff Automobil vorstellte, es war bei Weitem mehr: Sein unglaublicher niedriger Preis erlaubte jedermann den Erwerb und mobilisierte Amerika als universeller Landtransporter. Vergleichend war das Fordsche T-Modell das damalige Facebook - mit dem Unterschied, dass man in lebendige Gesichter blickte. Henry Ford hat wie kein anderer das Automobil popularisiert, indem er die Praktikabilität und den Wert einer ökonomischen Form für individuellen und persönlichen Transport nachvollziehbar darstellte. Der niedrige Preis erlaubte keine großen Modellvarianten. Das Motto war geniale Vereinfachung.

In Europa entfaltete sich langsam die junge Knospe Automobil zur Tulpe, eine Karosserieform, die sich aus dem Bootsbau entlehnte. Wurde im Kutschenbau die Eleganz und die Schönheit eines Pferdes zur Inspiration für den Designer, ließ man sich nun durch Lokomotiven, Schiffe und später durch Flugzeuge beeinflussen. Der Austro-Daimler von 1910, der mit dem Entwickler Ferdinand Porsche am Steuer an der Prinz- Heinrich-Fahrt erfolgreich teilnahm und gewann, hatte eine Karosse in Tulpenform, welche in ihrer Chassis-Anbindung schmal war und sich nach oben zum Schulterbereich sich elegant und funktionell öffnete.

Die Aerodynamik kommt ins Spiel

Ganz anders der Alfa-Romeo von 1914 mit einer aerodynamischen Karosserie von der Firma Castagna nach einem Entwurf von Graf Ricotti in konsequenter Tropfenform und mit Panoramafrontscheibe. Jedoch erwies er sich als langsamer als normale Alfa-Romeo Typen - bedingt durch seine Größe und Gewicht.

Das Automobil-Design begann im Grunde erst Mitte der Zwanziger. Die französische Marke Hispano Suiza war die Messlatte. Die Fahrzeuge strahlten Kraft, Charakter und hohe Qualität aus. Das war es wohl, was Harley Earl, späterer Design- Chef von General Motors, bei seinem Erkundungsbesuch auf dem Pariser Autosalon zu seinem Auftrag für einen Baby Cadillac, den La Salle, inspirierte. Er kopierte diesen fast original.

Europäische Hersteller und ihre Karossier-Partner setzten auf nationale Identität, die Terminologien entsprachen der Modebranche: Frankreich übernahm die Rolle der Createurs, immer etwas gewagt erotisch; Deutschland eher den funktionalen, doch hoch modischen Sport- und Wander-Ausstatter; England das Maßgeschneiderte mit korrekt scharfen Bügelfalten; Italien den Schneider der himmlischen Bleche; die USA das "pres a porter", und Russland bot amerikanisches "second hand" in Form des Packard mit spiegelverkehrtem Label: Aus PACKARD wurde DRAKCAP. Die Klientel: Industrielle, Künstler, Schriftsteller und Berühmtheiten aus der Filmbranche.

Die Namen der Karossiers waren nicht minder klangvoll, Saoutchik, Letourneur & Marchand, Binder, Fernandez & Darrin, Henry Chapron und Kellner für Frankreich; Deutschland mit Erdmann & Rossi, Spohn, Glaser und Sindelfingen; England mit Barker, Hooper, Mulliner, Gurney Nutting, James Young und Freestone & Webb. Carrozzeria Touring, Pinin Farina, Ghia, Figoni & Falaschi und Zagato stellten die italienischen Couturiers. Die USA waren mit Murphy, La Grande und Fleetwood verteten.

Höhepunkte der Gestaltung

Bei all der Vielfalt an Interpretationen zu den internationalen Automobilmarken ragen doch einige Autos der zwanziger und dreißiger Jahre besonders heraus. Zum Beispiel der Bugatti Typ 35 C mit seinen Vettern Typ 37 und 51. Mit denen fuhr man in Strassenausführung zum Rennen, entledigte sich dieser, fuhr das Rennen, gewann - und reiste wie gekommen nach Hause. Das Gleiche galt für den Mercedes SSKL. Die proportionale Verteilung von langer Motorhaube, beginnend mit dem Kühler hinter der Vorderachse und dem sehr kompakten Teil des zweisitzigen Cockpits, stammt intuitiv noch aus der Zeit der Lokomotiven und Pferdekutschen: Die Länge des Kessels und die des Pferdegespanns symbolisieren den Motorraumbedarf.

Das allgemeine Volk rief nach Teilnahme an der neuen Mobilität - Rüsselsheim antwortete 1935 mit dem Opel Olympia, einem Modell mit selbsttragender Karosserie, sowie Turin Fiat mit dem Topolino. In den USA entlehnte der Designer Gordon Buehrig den Stromlinienlokomotiven von Kuhler und Bel Geddes die Frontgestaltung für den frontgetrieben Cord.

Meilensteine: BMW 328, Jaguar XK, Alfa Romeo Monza 8C

Frankreich stattete unbewusst die Gangsterwelt mit einem adäquaten Fluchtauto aus, dem Citroën 11 B "Traction Avant". 1938 folgte die bäuerliche Ausgabe, der Dö Schewo genannte 2 CV. Als eine der Auflagen des Konzepts war die Federung so auszulegen, dass die auf dem Rücksitz platzierte Tranche frischer Eier unbeschädigt quer über den Acker den Markt erreicht: Vive l´air pneumatique français!

BMW verpackte seinen exzellenten Sechsylinder in einen sportiven Handschuh, das Sportwagen-Symbol, den Typ 328. Carrozzeria Touring schuf dafür geschmeidige Rennsport-Varianten, welche in der Konzeption unter anderem den Jaguar XK 120, Alfa Romeo Monza 8C sowie den Cisitalia 202 von Pinin Farina beeinflussten. Die klare, akzentuierte Gestaltung mit nach vorn abfallender Motorhaube, sich aus den Türen entwickelnden Kotflügeln, dem funktionalen Kussmäulchen-Grill sowie der Entfall der Stoßstangen war Ausgangspunkt für das Design der nachfolgenden Jahre.

Zum 50-jährigen Bestehen von Pininfarina zeigte dieser mehrere Autos, die beispielhaft für sein Schaffen waren. Die Gelegenheit war für Signore Coccoti, den Chef des Windkanals, günstig, um einige dieser Fahrzeuge aerodynamisch zu vermessen. Es handelte sich um ein Lancia Astura Coupé und den Cisitalia 202, welcher einen Luftwiderstandswert von cw 0,32 erreichte. Ein Auto, entworfen allein aus südländischer Begeisterung und mit kundigen Geigenbauer-Händen eins zu eins ins Aluminium geklopft. Ohne Market-Research, Windkanaltests, CAD-Ausarbeitungen, Controlling checks, abgesehen von der Kürze der Zeit. Kreativität, Improvisation, handwerkliches Können und die Entscheidungsfreudigkeit bringen so etwas zustande. Zum Vergleich: Der Porsche 928 mit seinen zeitgemäßen Entwicklungsprozessen brachte es auf cw 0,38, der Typ 924 auf 0,36.

Automobil-Design in den USA: niedrig, lang und breit

In den USA beschäftigte man sich mit ganz anderen Dingen. Harley Earl, inzwischen Trendsetter in der Richtungsfindung für das amerikanische Automobil, versuchte dies durch Konzeptstudien mit dem Y-Job, 1937, und dem Le Sabre von 1949. Beide Studien folgten Earls Formel von "niedrig, lang und breit". Beides waren zweisitzige Cabriolets, die nach den Präsentationen ausschließlich als Earls private Renommierfahrzeuge liefen. Der Le Sabre kam nach Kriegsende nach Europa und diente General Eisenhower als Stabswagen.

Die Inspiration zum Fahrzeug kam aus Earls Begeisterung für Flugzeuge. Speziell die neue Lockheed P 38 - bekannt auch als Lightning, in der Doppelrumpf-Konfiguration und den Leitwerksflossen - hatte es ihm angetan. Im GM Styling-Department wurde eigens eine "Bomb & Fins Squadron"eingerichtet, in der sich ausgewählte Designer damit beschäftigen, entsprechende Entwürfe mit dieser Thematik für Stoßstangen und Heckflossen auszuarbeiten. Eine serienmäßige Kostprobe gab es mit dem Cadillac Typ 62 Sedanet von 1948.

Preston Tucker, ein Quereinsteiger, hatte sich mit dem Verbessern der bis dato mangelnden Sicherheit in amerikanischen Autos beschäftigt. Sehr zum Ungemach der großen Drei, GM, Ford und Chrysler, präsentierte er ein fast revolutionäres Fahrzeug - den Tucker 48 mit Heckantrieb und mitlenkendem Cyclopenauge als Mittelscheinwerfer. Doch der Tucker überlebte nicht, im Gegensatz zum Willys Jeep, phonetisch für GP, General purpose. Der Jeep wurde zu einem Synonym für die amerikanischen Streitkräfte, ebenso wie der VW Käfer zum Symbol der Deutschen Nachkriegsmobilität: Und sie laufen und laufen und laufen.

Im zweiten Teil zur Geschichte des Automobildesigns widmet sich Hans A. Muth den Nachkriegsjahren. Traditionelle Formen konkurrierten mit futuristischen Entwürfen. Hohe Ansprüche an die Raumökonomie führten zu neuen Konzepten.

Motor Klassik-Autor Hans A. Muth

Hans A. Muth, Preuße, Grafiker, Designer und Automane, nennt sich ein Kind der Motorpresse, seit er in der Motor Revue (24/1957) eigene Entwürfe zu Mercedes-Sportwagen veröffentlichte und sich als Freier Mitarbeiter für auto motor und sport mit Illustrationen und Titelblättern empfahl.

Die weiteren Stationen seiner Laufbahn in leitenden Positionen waren Ford International, BMW AG, MBB-Kawasaki, zehn Jahre Japan mit Suzuki, Mitsubishi, Toyota, Minolta und Citizen. Anschließend Chairman Transportation Design am Art Center College of Design in La Tour de Paix. Freiberuflich tätig für Porsche AG und Audi AG. Seine Mut(h)proben: Vom BK17 Hubschrauber über fahrerorientierte Cockpits, revolutionäre Motorräder (BMW R 90 S und 100 RS, Suzuki Katana), Kairo-Assuan Express Interieur, Fahrräder bis hin zum E-angetriebenen Kurzstrecken-Roadster HAI-E3 für die Firma Haidlmaier/Austria.

Heute Creativitäts-Coach, Design Consultant und in Sachen Historischer Automobile aktiv und wieder in der Motor Presse für die Zeitschrift Motor Klassik angekommen. Die Gene stammen von seinem Großvater A. G. Von Loewe, Automobil-Konstrukteur (Selve, Panhard & Levassor, Audi), Buchautor und Kunstmaler/Grafiker.

Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 10 / 2024

Erscheinungsdatum 05.09.2024

148 Seiten