Da ist es also, das lange versprochene 20.000-Euro-Elektroauto von VW. Doch es ist bisher nicht mehr als ein Appetithappen. Beim kürzlich enthüllten VW ID.Every1 handelt es sich noch nicht um das Serienauto, sondern nur um eine Concept-Car-Vorhut. Der echte ID.1, den es dann zu kaufen geben wird, wird 2027 vorgestellt – und kommt vielleicht erst 2028 zu den Händlern.
Das Aufholen fällt VW nicht mehr so leicht
Das ist spät. Und es könnte zu spät sein, wenn man auf die Konkurrenz schaut, die ihre ebenfalls in dieser Preisregion angesiedelten Einstiegs-Stromer bereits im Angebot hat beziehungsweise noch 2025 oder 2026 ins Portfolio aufnehmen wird. Ist ein Marktsegment erst einmal von den Rivalen besetzt, fällt es inzwischen selbst VW als namhafter Marke schwer, sich vehement in dessen Mitte zu drängen. Was einst mit Tiguan und Touran noch spielerisch gelang, ist für die Wolfsburger inzwischen immer öfter eine "Mission impossible", wie nicht zuletzt der zähe Start der größeren ID.-Modelle verdeutlichte.
Hinzu kommt: Im 20.000-Euro-Bereich gibt es mit E-Antrieb mitnichten nur rollende Verzichtserklärungen wie den gerade aufgefrischten Dacia Spring mit seinen höchstens 48 kW (65 PS) und einer WLTP-Reichweite von gerade einmal rund 200 Kilometern. Der Citroën e-C3 ist beispielsweise ein vollwertiges Auto mit vier Metern Länge sowie fünf Türen und Sitzplätzen, das mit 44-Kilowattstunden-Batterie und 326 WLTP-Reichweiten-Kilometern schon heute für 23.300 Euro erhältlich ist. Noch 2025 soll eine günstigere Version mit weniger Reichweite den Preis sogar auf unter 20.000 Euro drücken.
Damit hätte ein Auto wie der Citroën e-C3 locker zwei bis drei Jahre Vorsprung auf den ID.1, für den VW Daten in Aussicht stellt, die ausreichend erscheinen, aber keineswegs Jubelstürme auslösen. Er verteilt auf 3,88 Meter Länge vier Türen plus Heckklappe, belässt es aber bei vier Sitzplätzen. Der in der weiterentwickelten Small-Variante des Modularen Elektrifizierungs-Baukastens (MEB) vorn eingebaute Motor soll 70 kW (95 PS) leisten. Als Zielreichweite nennt Volkswagen 250 Kilometer, was das Langstreckenpotenzial des ID.1 von vornherein einschränken würde.
Chinesen versprechen höhere Reichweite
Gut möglich, dass die traditionell sehr auf Sicherheit und möglichst minimale Reichweitenangst bedachten E-Auto-Käufer und -Käuferinnen in Deutschland lieber zu chinesischen Alternativen greifen. Ein Modell wie der Dongfeng Box, der in Spanien bereits ab 22.000 Euro angeboten wird und bald auch nach Deutschland kommt, erreicht nach WLTP immerhin 310 Kilometer. Der BYD Seagull, hierzulande bald als Dolphin Mini um Käuferinnen und Käufer buhlt, rangiert mit seiner größeren Batterie in ähnlichen Reichweiten-Regionen. Für ihn wird ein Einstiegspreis von etwa 20.000 Euro auf dem deutschen Markt kolportiert.
Dann dürfte es noch eher ungeduldige Interessentinnen und Interessenten geben, die bereit sind, sich für etwa 5.000 Euro eine verkürzte Wartezeit zu erkaufen. Sie werden erst ab Ende 2025 oder im Jahresverlauf 2026 im VW-Konzern fündig, wenn das Elektro-Trio Cupra Raval, VW ID.2 alias ID. Polo und Skoda Epiq für jeweils rund 25.000 Euro an den Start rollt. Die drei E-Modelle basieren ebenfalls auf der MEB-Small-Plattform, dürften aber bei Motor- und Ladeleistung sowie bei der Reichweite spürbare Vorteile im Vergleich zum VW ID.1 bieten.
ID.1-Rivalen mit Retro-Charme
Doch auch in diesem Preisrahmen hat die Konkurrenz bereits interessante Angebote am Start. Der Renault 5 E-Tech bietet für diesen Tarif 70 kW (95 PS) sowie immerhin 300 Reichweiten-Kilometer. Und ein charmantes Retro-Styling, das ebenso den fast gleich teuren Fiat Grande Panda E auszeichnet. Seine Technik ist mit der des Stellantis-Geschwisterchens Citroën e-C3 fast identisch; die Werte sind somit vergleichbar. Und dann gibt es noch den neuen Hyundai Inster mit stark erhöhtem "Och wie süß!"-Faktor sowie zahlreichen Individualisierungsmöglichkeiten, der in seiner Basisversion 71 kW (97 PS) sowie 327 Kilometer Reichweite bietet. Hinzu kommen einige längst bekannte und teils auch größere E-Modelle, die immer mal wieder über Rabatte oder andere Sonderaktionen unter die 25.000-Euro-Grenze rutschen dürften.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, warum VW in Europa so lange braucht, um ein Elektroauto für 20.000 Euro auf den Markt zu bringen, obwohl es dieses in China längst gibt. Der ID.3 kostet dort umgerechnet lediglich 15.400 Euro; hierzulande wird selbst nach Abzug einer markenweiten E-Auto-Kaufprämie fast das Doppelte fällig. Allerdings darf man nicht in die Falle tappen, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Der ID.3 verfügt in China über eine andere Software und ist schlichter ausgestattet. Dafür erhält er dort einen neuen LFP-Akku und einen größeren Infotainment-Bildschirm.
ID.1 "aus Europa für Europa"
Ein zentraler Vorteil des China-ID.3: Er wird vor Ort gebaut, zusammen mit dem VW-Joint-Venture-Partner SAIC. Beim ID.1 folgt Volkswagen jedoch dem Mantra "aus Europa für Europa". In welchem Werk er gebaut wird, ist zwar noch nicht ganz klar; eine der spanischen Fabriken des VW-Konzerns gilt als Favorit für den Zuschlag. Dennoch nimmt Volkswagens Kernmarke freiwillig höhere Produktionskosten als in den bekannten Billiglohnländern in Kauf. Damit steht sie übrigens alleine im Konzernverbund. Seat und Skoda haben bereits abgewunken und werden keinen eigenen ID.1-Ableger auf den Markt bringen, weil sie Rentabilitätsprobleme auf sich zukommen sehen.