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Umweltfond nach Abgasskandal
VW-Strafen bringen mehr Diesel in die USA

Im Zuge des Dieselskandals musste VW Geld in einen US-Fond für umweltfreundliche Nutzfahrzeuge einzahlen. Um die Verwendung ist jetzt ein heftiger Streit entbrannt.

Tesla Semi Truck (2019)
Foto: Tesla

Als VW sich im Frühjahr 2017 im Zuge von Abgasmanipulationen vor einem US-Gericht der Verschwörung zum Betrug, der Behinderung der Justiz der Vereinigten Staaten und des Verkaufs von Fahrzeugen unter falschen Angaben für schuldig bekannte, war das einer der Höhepunkte des Dieselskandals. Die Folge waren massive Strafzahlungen von Volkswagen. Die Eigentümer der 590.000 auf dem US-Markt manipulierten Fahrzeuge bekamen eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 11 Milliarden Dollar (aktuell umgerechnet zirka 9,3 Milliarden Euro). Weitere zwei Milliarden Dollar (1,69 Milliarden Euro) steckte VW in das Projekt Electrify America, mit dem, unter anderem, in den gesamten USA ein Netz von Schnelladesäulen für Elektroautos aufgebaut wird. Wenig beachtet blieben bisher die 2,9 Milliarden Dollar (2,45 Milliarden Euro), die VW in einen Treuhandfond stecken musste. Über diesen Fond soll der Schwerlastverkehr in den gesamten USA sauberer werden – für die Verteilung der Gelder sind die einzelnen Bundesstaaten zuständig. Überraschender Weise könnte genau dieser Fond zu mehr Nutzfahrzeugen mit Dieselantrieb führen, wie die New York Times jetzt berichtet.

Unsere Highlights
US-Schulbus Thomas Built Buses
Thomas Built Buses
Ein US-Schulbus mit Elektroantrieb kostet aktuell dreimal soviel wie ein klassischer Schulbus mit Dieselmotor (im Bild Modelle von Thomas Built Buses).

Elektro-Schulbus dreimal so teuer wie ein Dieselbus

Der Schritt zu rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen ist manchen US-Bundesstaaten einfach noch zu teuer. So kostet ein klassischer US-Schulbus mit Elektromotor das Dreifache eines Diesel-Busses. Aber moderne Dieselmotoren sind ungleich sauberer als alte – trotzdem sorgen sie immer noch für lokale Emissionen. Ob das wenigstens als Übergangslösung vertretbar ist, darüber ist in den USA eine heftige Diskussion entbrannt. Schließlich sind nach den US-Regelungen alle Dieselfahrzeuge und auch Schiffe, wie beispielsweise Fähren, bis Baujahr 2009 im Rahmen der Fondzahlungen durch moderne Antriebe ersetzbar. Zu den Fahrzeugen zählen auch Lkw, Ackerschlepper, Gabelstapler und Flughafen-Spezialfahrzeuge. Die US-Handelsgruppe Diesel-Forum empfiehlt, dass etwa 70 Prozent des Fondgeldes in den Austausch alter gegen neue Dieselmodelle fließen sollte.

Liebherr Elektro-Beton-Fahrmischer
Liebherr
Liebherr bietet einen rein elektrisch angetriebenen Beton-Fahrmischer an.

Neue Diesel wären noch lange im Gebrauch

Katherine Stainken, Policy Director bei der Non-Profit-Organisation Plug In America, findet das beunruhigend. Plug In America hat sich der Aufklärung über und der Verbreitung von Elektromobilität im Zusammenhang mit lokal erzeugten erneuerbaren Energien verschrieben. Stainken betont, dass das Geld nicht für Antriebe ausgegeben werden sollte, die lokale Emissionen verursachen, sondern ausschließlich für Elektrofahrzeuge – auch im Schwerlastbereich. Schließlich könne ein neuer Diesel-Lkw noch 20 Jahre unterwegs sein. Das Diesel-Forum entgegnet, dass die Abgasvorschriften für neue Dieselmotoren sehr streng seien. Verantwortliche des Forums führen eine Studie an, laut der die schädlichen Emissionen von Nutzfahrzeugen in den letzten Jahren um 94 Prozent gesunken seien. Laut der US Environmental Protection Agency (EPA) ist der Ausstoß schädlicher Stoffe bei Nutzfahrzeugen seit 1970 um 99 Prozent heruntergegangen.

Tesla Semi Truck (2019)
Tesla
Teslas rein elektrisch angetriebener Sattelschlepper soll mit einer Batterieladung 805 Kilometer weit kommen - erste Auslieferungen sind für 2021 geplant.

Ein Dieselschlepper gleich 74.000 Pkw

Allen Schaeffer, Chef des Diesel-Forums, betont, dass alte Dieselantriebe im Schwerlastbereich zu den größten Stickoxidquellen zählen. Einen alten Dieselschlepper gegen einen neuen zu tauschen, hätte den gleichen Effekt, als nehme man 74.000 Pkw von der Straße. Ken Adler, leitender Wissenschaftler bei der nichtstaatlichen Umweltschutzorganisation Environmental Defense Fund, sieht in der Abwägung zwischen neuen Dieselmotoren und Elektroantrieben eine Frage der inneren Einstellung: Wer von einer existentiellen Bedrohung durch einen Klimawandel ausgeht, setzt wohl eher auf Elektroantriebe – aber neue Dieselmotoren seien tatsächlich sauber.

Nikola One
Nikola Motor Company
Der Nikola One ist ein Brennstoffzellen-Lkw - ob er jemals kommt, ist nach Betrugsvorwürfen gegen das Startup allerdings unklar.

Elektroantriebe für schwere Nutzfahrzeuge noch nicht alltagstauglich

Das Elektro-Lager gibt bei der Diskussion zu, dass elektrische Antriebe für den Schwerlastverkehr noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium stecken. Tesla hat einen Sattelschlepper mit einer Reichweite von 805 Kilometer angekündigt, aber die ersten Auslieferungen auf 2021 verschoben. Tesla-Nutzfahrzeug-Konkurrent Nikola wollte ebenfalls einen batteriebetriebenen und einen Lkw mit Brennstoffzellen-Antrieb auf die Räder stellen. Allerdings kamen Zweifel am Entwicklungsstand der Technik des Startups auf, in deren Zuge Firmenchef Trevor Milton zurücktreten musste – aktuell ist unklar, wie es um Nikola steht. Gleichzeitig hegen Wissenschaftler inzwischen auch Zweifel an der Tauglichkeit von Brennstoffzellen-Antrieben selbst für schwere Nutzfahrzeuge. Liebherr bietet allerdings inzwischen einen vollelektrischen Beton-Fahrmischer an – dies funktioniert, da solche Fahrmischer vom Zementwerk zur Baustelle üblicherweise nur vergleichsweise kurze Strecken zurücklegen.

Mercedes e-Sprinter Transporter mit Elektroantrieb
Mercedes
Leichte Nutzfahrzeuge und Elektroantrieb passen schon zusammen: Hier ein elektrischer Mercedes Sprinter.

Kalifornien bei Bewertung nicht vorn

Die in den USA und Kanada beheimatete Verbraucherschutzorganisation Public Interest Research Group (PIRG) sieht in der Anschaffung neuer Dieselfahrzeuge eine vertane Chance und hat eine Bewertungsliste zur Einschätzung des Ausgabeverhaltens einzelner Bundesstaaten erstellt. Washington State und Hawaii bekamen die Bestnote A-plus, Rhode Island und Vermont erreichten immerhin noch ein A. Kalifornien bekommt das meiste VW-Geld, da in dem Bundesstaat die meisten vom Dieselskandal betroffenen VWs zugelassen waren – und der in Sachen Umweltschutz als fortschrittlich geltende Bundesstaat erreicht nur ein B. Washington, D.C., Puerto Rico und 21 weitere Bundesstaaten bekommen nur ein D – das bedeutet, dass sie der Elektromobilität bei Nutzfahrzeugen aktuell keine Priorität einräumen.

Ford F-150 EV Prototyp
Ford
Der Kampf um den Markt für elektrische Pickups ist längst entbrannt - Ford möchte dort mit einer E-Version seines Bestsellers F-150 punkten (im Bild ein Prototyp).

Diesel soll keine echte Erneuerung sein

Matt Casale, bei der US-amerikanischen PIRG zuständig für Umweltkampagnen, möchte allein deshalb Elektroantrieben den Vorzug einräumen, damit nicht die gleichen Technologien weiterbestehen, die einst für die zugrundeliegenden Probleme verantwortlich waren. Außerdem seien auch viele Diesel-Nutzfahrzeuge am Ende ihrer Lebensdauer angekommen und bedürfen ohnehin eines Austausches – dies mit dem VW-Geld zu bezahlen, widerspräche dem Gedanken einer Erneuerung. New York, von der PIRG wie Kalifornien mit einem B bewertet, erstattet bei einer Anschaffung eines Elektronutzfahrzeugs 95 Prozent der Mehrkosten, die gegenüber einem Diesel-Fahrzeug anfallen. Emissionsfreie Busse subventioniert der Bundesstaat komplett, Schulbusse zu 80 Prozent. New York profitiert dabei auch vom langsamen Start seines Investitionsprogramms und kann jetzt mit Technologien planen, deren kurzfristige Realisierung vor drei Jahren noch nicht absehbar war.

Umfrage
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Ja, von dem geht ein großer Teil der schädlichen Emissionen aus.Nein, die Technik ist noch lange nicht soweit - da ist ein sauberer Diesel besser.

Fazit

Während in Europa der Anteil von Dieselmotoren bei Pkw permanent sinkt, fährt hierzulande der Schwerlastverkehr noch mit Dieselmotoren – wobei immerhin die Zahl der elektrisch betriebenen Stadtbusse permanent steigt.

In den USA sorgt jetzt das Geld aus dem von VW bezahlten Fond für heftigen Streit unter denjenigen, die auch beim Schwerlastverkehr eine sofortige Umstellung auf rein elektrische Antriebe wünschen, und denjenigen, die sich auch eine Zukunft mit modernen sauberen Dieseln vorstellen können. Auf der Elektro-Seite stehen Verbraucherschützer, Umweltorganisationen und die Regierungen einiger weniger US-Bundesstaaten, zu den Diesel-Fans gehören die Handelsgruppe Diesel-Forum und, möglicherweise aus Kostengründen, mindestens 21 Regierungen von US-Bundesstaaten.

Beide Seiten haben dabei gute Argumente: Moderne Diesel sind tatsächlich sehr sauber und Elektroantriebe für den Schwerlastverkehr sind teuer sowie frühestens ab 2021 verfügbar. Andererseits kann ein Diesel so sauber sein, wie er will: Er sorgt im Betrieb immer für lokale Emissionen – selbst, wenn man ihn mit synthetischen Kraftstoffen betreibt. Insofern ist New York mit seiner abwartenden Haltung schlau: Jeden Tag werden Elektroantriebe besser und praxistauglicher – auch im Schwerlastbereich. Damit können die New Yorker vielleicht auf moderne Diesel als Übergangstechnologie zur Nutzfahrzeug-Elektromobilität verzichten.

Wie auch immer sich die entsprechenden US-Bundesstaaten bei ihren Ausgaben für einen saubereren Schwerlast-Verkehr verhalten: Die Diskussion darum dürfte kurz- bis mittelfristig auch in Europa ankommen.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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