Tesla Cybertruck: Der Edelstahl-Brecher

Tesla Cybertruck
Drei-Tonnen-Superspurtler mit Seltsam-Lenkung

Veröffentlicht am 18.12.2024

Noch nie wurde das Thema Pick-up so radikal anders interpretiert wie von Tesla. Dafür gebührt ihnen Respekt. Umso respektloser hält der Cybertruck seine eckige Nase in den Wind.

Volle Kante gegen alle

Respektlos auch, wie er mit all denen umgeht, die nicht in der großzügig gestalteten Kabine sitzen: Scharfkantige Bleche, die senkrecht zur Fahrtrichtung frei im Wind stehen, würden jeglichen Kollisionsgegner schlimmstenfalls zerteilen, auf jeden Fall schrecklich zurichten. Fußgänger, Radfahrer oder Kleinwagen räumt der Ami schon optisch aus dem Weg. Nicht auszudenken, wenn dieses Monster eine Zulassung auf unseren engen Straßen bekäme. Bekommt es aber nicht, und das ist auch gut so. Wer wie Elon Musk die jahrzehntelangen Bemühungen zur Verbesserung der Fahrsicherheit mit Füßen tritt, hat hier nichts verloren.

Allradlenkung per Kabel

So dient der orange Riese Promotion-Zwecken und darf nur auf Privatgelände bewegt werden oder wie heute als Anschauungsobjekt für die Lenkungsspezialisten von Arnold NextG auf der Schwäbischen Alb. Denn in technischer Hinsicht liefert der Cybertruck ebenfalls Bahnbrechendes. Das erste Allrad-Steer-by-Wire-System beispielsweise, um das es Arnold-NextG-Chef Kevin Arnold, Sohn von Paravan-Gründer Roland Arnold, geht. Vorder- und Hinterachse werden rein elektrisch gesteuert, es gibt keine mechanische oder hydraulische Verbindung zum Lenkrad. Mutig, aber wohl irgendwann unumgänglich, will man autonom fahrende Autos bauen, erzählt Kevin.

Einsteigen gelingt leichter, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Der Innenraum wirkt Tesla-like schlicht und konsequent durchgestylt. Nichts lenkt ab von dem Blick durch die für einen Pick-up extrem geneigte Frontscheibe. Die mächtigen A-Säulen schränken die Rundumsicht allerdings stark ein.

Geräuschlos und sanft bewegt sich der Dreitonner aus dem Stand, der Tesla-Antriebsstrang mit zwei Motoren und bester Leistungsregelung begeistert wie immer. Voll beschleunigt zieht das Monster in rund vier Sekunden wie ein Supersportwagen auf 100 km/h, das gab es bisher noch in keinem Fahrzeug dieser Gewichtsklasse. Und schon gar nicht auf Grobstollern. Diese radieren ganz ordentlich über den Asphalt, in Kurven neigt sich der mit 305 Millimetern Federweg gesegnete Elektrowagen stark auf das kurvenäußere Vorderrad. Man will sich nicht ausmalen, wie es diesem arg belasteten Gummi auf einer schnellen Passabfahrt ergehen würde, aber das ist ja heute auch kein Thema.

Eigenwillige Lenkung

Die Nagelprobe kommt in der Pylonengasse. Wie schafft es der Riesenschlitten durch die schnell gerissenen Kurven? Eher seltsam. Denn die Lenkung arbeitet mit immer mehr Verzögerung, je weiter man durch die Pylonengasse wedelt. Der eine oder andere Kunststoffkegel fliegt schnell über den Parkplatz. Irgendwie komisch. Seltsam fühlt sich auch an, dass die Lenkung ab einem gewissen Einschlagwinkel stark progressiv wirkt. Oder anders gesagt: Die Lenkübersetzung wird immer niedriger, je weiter man einschlägt. Superbequem beim Rangieren und vielleicht auch im Gelände, aber gewöhnungsbedürftig beim Abbiegen und Kurvenfahren. Insgesamt muss man die Lenkung nicht einmal eine volle Umdrehung von Anschlag zu Anschlag drehen. Das macht den Pick-up sehr handlich, aber man muss sich wirklich einige Kilometer darauf einschießen.

Aber woher rührt das seltsame Fahrverhalten in der Pylonengasse? Mal im Stand an der Lenkung drehen: Aha, irgendwann scheinen die Lenkungsaktuatoren den Lenkbefehlen vom Steuerrad nicht mehr nachzukommen. Sie laufen sichtbar hinterher. Ein Unding für Kevin Arnold. Und sicher auch etwas, womit sich eine Zulassungsbehörde auseinandersetzen müsste.