Manche Marken haben ein zweites Leben: Nach der Insolvenz der MG Rover Group im Jahr 2005 gingen die Namensrechte der britischen Sportwagenmarke MG an den chinesischen Autobauer Nanjing Automobile, der später vom SAIC-Konzern (Joint-Venture-Partner von VW in China) übernommen wurde. Letzterer bietet seine Modelle für die internationalen Märkte unter dem Label MG an, so auch seit 2021 bei uns in Deutschland.
Das erste Modell der Chinesen für den deutschen Markt war der ZS EV, ein B-Segment-SUV mit Elektroantrieb. Als indirekten Nachfolger präsentiert MG jetzt den neuen S5 EV , der gut 15 Zentimeter länger ausfällt als der alte ZS. Die batterieelektrische Neuheit streckt sich auf rund 4,48 Meter und ist damit dem Kompakt-Segment zuzuordnen. Als technischen Unterbau nutzt der S5 die hauseigene Modular Scalable Plattform, kurz MSP, auf der auch der erfolgreiche MG 4 EV aufbaut.
Optisch grenzt sich der SUV durch ein rundlicheres, aber auch etwas beliebiger wirkendes Design vom kantig gezeichneten Elektro-Hatchback ab. Potenzielle Konkurrenten sind der Skoda Elroq und der Ford Explorer, die beide auf dem MEB-Baukasten von VW basieren, oder auch Modelle wie der Renault Scenic E-Tech – alle messen sie knapp unter 4,50 Meter in der Außenlänge. Der Radstand des MG beträgt 2,73 Meter, ein Hauch kürzer als bei den genannten Mitbewerbern.
Der geräumige Innenraum hinterlässt einen guten Qualitätseindruck
Nimmt man hinter dem Lenkrad des neuen Stromers Platz, so ist der erste Eindruck vom Interieur ausgesprochen gut. Und das liegt nicht nur an den bequemen, tendenziell eher weich gepolsterten Sitzen vorn, dem üppigen Platzangebot im Fond und dem ausreichend dimensionierten Kofferraum (453 bis 1.441 Liter). Denn auch Material- und Verarbeitungsqualität finden großen Gefallen. Im oberen Bereich des Cockpits und der Türtafeln setzt MG auf weich geschäumte Kunststoffe und Kunstleder.

Material- und Verarbeitungsqualität findet großen Gefallen. Im oberen Bereich des Cockpits und der Türtafeln setzt MG auf weich geschäumte Kunststoffe und Kunstleder.
Die zum Teil mit veloursartigem Stoff bespannte Mittelkonsole beherbergt den Dreh-Drück-Steller für die Gangwahl, zwei Cupholder und ein Smartphone-Ladepad. Auf kratzerempfindlichen Pianolack verzichten die Chinesen fast komplett – gut so! Im Kellergeschoss der Mittelkonsole versteckt sich ein großes Ablagefach. Unterhalb des 12,8 Zoll großen Touchscreens (Serie) sind wichtige Klima-Direktwahltasten sowie satt rastende Drehregler für Innenraumtemperatur und Lautstärke in edler Alu-Optik platziert. Bei allem Lob für das wertige Interieur muss aber auch erwähnt werden, dass in Sachen Praxisnutzen die angegebene Zuladung mit 370 bis 395 Kilogramm je nach Modellversion eher gering ausfällt.
So fährt der MG S5 EV
Dann mal los, ab auf die Straße. MG stellte uns den S5 EV in der Long-Range-Variante zur Verfügung. Diese kombiniert einen 64 kWh großen Akku (62,1 kWh nutzbar) mit einem 170 kW respektive 231 PS starkem Heckmotor. In der Ausstattungslinie Comfort soll der MG damit bis zu 480 Kilometer nach WLTP-Norm zurücklegen können. Wir fuhren die Top-Version Luxury, hier werden 465 Kilometer Reichweite angegeben. Geladen wird an der AC-Säule mit 11 kW, am DC-Schnelllader weist MG eine Peakleistung von 139 kW aus – ein üblicher Wert für dieses Segment. Die Ladezeit von zehn auf 80 Prozent State of Charge (SoC) beträgt laut Hersteller 28 Minuten – ebenfalls guter Klassendurchschnitt. Eine verbrauchsoptimierende Wärmepumpe gibt es nur beim Luxury, hier aber als Teil der Serienausstattung. Ebenfalls der Top-Ausführung vorbehalten bleibt eine in die Navigation integrierte Ladeplanung mit automatischer Vorkonditionierung der Batterie. In der Comfort-Version lässt sich die Temperierung des Akkus nur manuell einstellen, um eine bestmögliche DC-Ladekurve zu erreichen.

MG stellte uns den S5 EV in der Long-Range-Variante zur Verfügung. Diese kombiniert einen 64 kWh großen Akku (62,1 kWh nutzbar) mit einem 170 kW respektive 231 PS starkem Heckmotor.
Der von uns gefahrene S5 EV Long Range ist mit seinen 231 PS ausreichend motorisiert. Auch dank des relativ geringen Leergewichts von etwa 1.800 Kilogramm spurtet er nach Herstellerangabe in flotten 6,3 Sekunden auf Landstraßentempo. Ohne diesen Sprintwert auf regennasser Landstraße in Südfrankreich überprüfen zu können, lässt sich aber festhalten, dass die Power des MG im Alltag völlig ausreicht.
Die Rekuperation ist in ihrer Stärke einstellbar, auch One-Pedal-Driving mit einer Verzögerung bis zum Stillstand steht zur Verfügung. Die automatische Verzögerung bei der Gaswegnahme wirkt harmonisch und nicht zu ruckartig. Der angegebene WLTP-Verbrauch von 16,0 kWh beim Luxury-Modell erscheint mit Blick auf die Angaben des Bordcomputers während der Testfahrt durchaus realistisch zu sein.
Die Leistungsabgabe des Stromers lässt sich über verschiedene Fahrmodi via Touchscreen steuern. Während im Sportmodus die Kennlinie des Gaspedals aggressiver ausfällt, lassen es die Fahreinstellungen Comfort und Normal entspannter angehen. Auch die Lenkabstimmung kann vom Fahrer variiert werden: Hier hat MG auf die bisherige Kritik gehört und bietet neben einer China-typischen besonders leichtgängigen (und rückmeldungsarmen) Lenkung im Comfort-Modus auch eine Abstimmung mit erhöhtem Widerstand an, die sich insbesondere an die Kundschaft aus Europa richtet. So lässt sich der S5 EV im Normal- und Sportmodus angenehm präzise dirigieren.

Die batterieelektrische Neuheit streckt sich auf rund 4,48 Meter und ist damit dem Kompakt-Segment zuzuordnen.
Auch das Fahrwerk wurde laut MG extra für den europäischen Markt abgestimmt. In sportlich gefahrenen Passagen bleibt der Aufbau stabil mit geringen Wankbewegungen, ohne dass der Chinese dynamische Ambitionen hegen würde. Wenn man es darauf anlegt, schwenkt das Heck kurz aus, bevor es das brav konditionierte ESP wieder einfängt. Die nicht-adaptive Federung fällt grundsätzlich eher straff aus (trotz verhaltener 18-Zoll-Bereifung), bietet jedoch auch bei mäßiger Qualität des Straßenbelags einen ordentlichen Federungskomfort. Lediglich im langsam gefahrenen Stadtverkehr mit Gullideckeln, Schlaglöchern und Co. wüscht man sich hier und da ein etwas softeres Ansprechen. Der subjektive Geräuscheindruck im Innenraum ist positiv, der S5 EV bleibt erfreulich leise, soweit sich das auf den geschwindigkeitslimitierten Schnellstraßen und Autobahnen Frankreichs testen ließ.
Der Spurhalteassistent verweigert oft den Dienst
Während die Motor- und Fahrwerksabstimmung des MG einen erfreulich hohen Reifegrad zeigen, bleiben die Assistenzsysteme, die unter der Bezeichnung "MG Pilot" zusammengefasst werden, hinter diesem Niveau zurück. Der Spurhalteassistent kommt seiner Aufgabe kaum nach und greift selbst bei Überschreitung gut sichtbarer Fahrbahnmarkierungen nur äußerst selten ein. Auch die Warnfunktion beim Verlassen der Spur ist meist inaktiv. Erst in Kombination mit dem solide arbeitenden Abstandstempomaten und Lenkassistenten wacht die Spurerkennung aus ihrem Tiefschlaf auf.

Der Totwinkelassistent beim S5 EV verzichtet auf eine auffallende Warnleuchte in oder am Außenspiegel, er blendet seine Einwände beim Spurwechsel lediglich im Fahrerdisplay ein.
Da es sich bei den zur Verfügung gestellten Testwagen noch um sehr frühe Europa-Modelle handelt, bleibt zu hoffen, dass diese Schwachstellen der Assistenz bis zu den Erstauslieferungen an Kunden per Software-Update ausgemerzt werden. Der Totwinkelassistent beim S5 EV verzichtet auf eine auffallende Warnleuchte in oder am Außenspiegel, er blendet seine Einwände beim Spurwechsel lediglich im Fahrerdisplay ein. Positiv: Die Systeme des MG Pilot sind immer ohne Aufpreis mit an Bord und manuell ausschaltbar. Beim Einparken hilft eine 360-Grad-Kamera, die beim Luxury Serie ist. Als Comfort kommt der S5 EV mit einer Rückfahrkamera.
Das Infotainment ist nur durchschnittlich
Weniger überzeugt hat uns das Infotainment: Im Vergleich zum Plattformbruder MG 4 EV verbauen die Chinesen zwar ein deutlich gewachsenes Display mit größeren Symbolen und permanent angezeigten Direktwahlflächen für Sitz- und Lenkradheizung, doch Tempo und Responsivität des Systems sind nur grauer Durchschnitt. Nicht selten braucht es mehrfaches Touchen und ein wenig Geduld, bis sich ein Menüpunkt öffnet. Grundsätzlich ist die schlicht designte Benutzeroberfläche aber recht übersichtlich und in den meisten Fällen auch intuitiv zu bedienen. Woran MG noch arbeiten sollte, sind die Übersetzungsfehler bei der Beschreibung einzelner Funktionen. Hier könnte ein Software-Update bis zum Markstart Abhilfe schaffen.
Die Navigation kommt nur im Luxury mit Echtzeit-Staudaten und bereits erwähnter Ladeplanung, die zu häufigen, eher kurzen Ladestopps tendiert. Als Alternative können Apple Carplay und Android Auto in allen Modellversionen kabellos genutzt werden. Kritikwürdig ist das kontrast- und variantenarme Digitalcockpit, welches insbesondere bei Sonneneinstrahlung schlecht ablesbar ist und auch an bewölkten Tagen mit einer zu klein geratenen Schrift nervt. Die frei belegbaren Favoritentasten am Lenkrad sind praktisch, können aber nur für wenige Fahrzeugfunktionen genutzt werden. Gerade ein Schnellzugriff für die Deaktivierung des Tempolimitwarners wäre wünschenswert.
Das kostet der neue MG S5 EV
Abschließend zu den Preisen: Der Long Range startet in der Comfort-Ausstattung bei 42.990 Euro, für die gefahrene Top-Variante Luxury werden 44.990 Euro fällig. Einzige Option für alle Modelle: die Sonderlackierung, sofern man sich nicht mit dem serienmäßigen Blauton anfreunden kann.
Alternativ steht als Einstiegsmodell der S5 EV Standard Range ab 37.990 Euro zur Wahl, der nur als Comfort angeboten wird. Hier verbauen die Chinesen eine 125 kW beziehungsweise 170 PS leistende E-Maschine an der Hinterachse, der Stromspeicher fasst 49 kWh (47,1 kWh netto), und die Normreichweite soll bei 340 Kilometern liegen. Neben Leistung und Akkugröße unterscheiden sich die beiden Varianten auch bei Höchstgeschwindigkeit und Ladetempo: Während der Standard Range bei 170 km/h abgeregelt wird, läuft der Long Range bis 190 km/h. An der DC-Säule lädt der kleine Akku laut MG mit respektablen 120 kW in der Spitze (24 Minuten von zehn auch 80 Prozent SoC), per Wechselstrom sind aber nur maximal 7 kW drin (an einem 11-kW-Lader lediglich magere 3,6 kW).

Mit dem S5 EV hat MG ein überzeugendes Gesamtpaket geschnürt.
Zum Preisvergleich: Ein Skoda Elroq 50 (52 kWh nutzbar) ist ab 33.990 Euro erhältlich, die 60er-Version (59 kWh netto) kostet ab 38.400 Euro. Ein Schnäppchen ist der S5 EV also nicht, er punktet aber mit einer sehr umfangreichen Serienausstattung und sieben Jahren Garantie, die Batterie und Antrieb miteinschließt. Und: Über 90 Prozent seiner E-Autos setzt MG im Leasing ab, und hier bieten die Chinesen erfahrungsgemäß oft sehr attraktive Offerten an.