Timmel noch mal! Das heißt, noch sechsmal. Denn jetzt geht es los mit sechs Autos auf das Timmelsjoch, auf dessen Kamm der höchste Straßengrenzübergang Österreichs liegt – 2.474 m über null. Ach, wie passend das ist, weil wir uns ja in zweifacher Hinsicht im Grenzbereich aufhalten werden. Nicht nur an der Grenze zwischen Tirol und Südtirol, sondern vor allem auch auf der Straße. Die ist zu dieser Jahreszeit schon lange und bei der aktuellen Schneelage erst recht an sich gesperrt. Für uns prüfen die Betreiber – herzlichen Dank dafür! – die Lawinenlage, präparieren die Straße mit dem Pistenbully für ideale Testbedingungen und machen dann das "Gatter", wie sie sagen, noch mal auf.
Also hindurch: Beim Anfahren stöbert von den Antriebsrädern aufgewühlter Schnee empor, und als wir die steile Rampe hinabrollen – ja, es geht erst lange talwärts –, fragen wir uns, ob wir hier mit den zweiradgetriebenen Elektros beim Zurück wieder hochkommen. Und ob wir es zuvor auf die Passhöhe schaffen werden.
Mitreißende Drehmomente
Denn die Stromer haben all ihr Drehmoment vom Stand weg beisammen. Ob das, was auf trockener Straße vehemente, ansatzlose Beschleunigung sichert, auf Schnee und Eis die Fahrsicherheit gefährdet, klären wir mit drei Paarungen – jeweils mit Zwei- und Allradantrieb. Der BMW iX1 eDrive20 treibt die Vorderräder an, Mercedes EQE 350+ und Polestar 4 Single Motor schieben nur mit ihren Antriebseinheiten im Heck.
Neben der Beschleunigung mit und ohne ESP/Traktionskontrolle – gemessen als Richtwert für die Anfahrfähigkeit – testen wir, wie sicher die Autos in Kurven und da vor allem beim Rekuperieren fahren. Das kann eine "eise" Nummer werden.
BMW iX1 eDrive20 gegen xDrive30

Obgleich uns die Tradition durchaus 11 Euro und 98 Cent wert wäre, sparen wir sie uns. So viel kostet ein Zentnersack Zement. Als Ballast im Kofferraum war er in BMWs reiner Hinterradantriebs-Ära ein unverzichtbarer Bestandteil der Winterausrüstung, ohne die der gewiefte Kraftfahrer nie in Schneegebiete aufbrach. Dabei förderte der Ballast eher sein Gefühl von Kundigkeit als die Traktion und die Fahrsicherheit.
Beim BMW iX1 eDrive20 wäre Ballast im Heck arg unzweckmäßig. Schließlich ziehen ihn die Vorderräder voran, was bei ansatzfrei losdrehmomentenden 250 Nm bereits auf trockener Straße mitunter die Traktionskontrolle in Rufbereitschaft versetzt. Auf Schnee sind die Steuerungssysteme im Dauereinsatz. Was genau das ist, wozu sie da sind. Denn all dieses Gerede, ein routinierter Fahrer könne die Motorkraft viel geschickter über das Fahrpedal modulieren als jede Elektronik, ist, nun, eben Gerede. So regelt etwa die aktornahe Traktionskontrolle zehnmal schneller als herkömmliche Systeme. Da kommt kein Fußmuskel mit, der sich noch mit dem Gehirn vernetzen muss.
Systeme spiel’n entzückt
Beim iX1 vernetzen sich Traktionskontrolle, Antriebsmomentensteuerung und ESP (DSC, wie BMW es nennt) miteinander. Dabei genügt zumeist allein die Anpassung der Motorkraft durch die Momentensteuerung zur Stabilisierung wie Dynamisierung des Fahrverhaltens. Wobei sich die Effizienz dieser Regelung in der Geschwindigkeit zeigt. Wie auch darin, dass nur so viel Energie für die E-Maschine aufgebracht wird, wie die Antriebsräder auch in Vortrieb umsetzen können. Bei Verbrennern bremsen die Traktionskontrollen immer erst unnötig aufgebrachte Kraft weg, da sich die Motoren viel langsamer herunterregeln lassen.

Auch nur mit Vorderradantrieb fährt der iX1 sehr sicher auf Schnee. Nicht so schnell, aber bestens geregelt.
Bei eDrive wiederum drosselt die koordinierte Steuerung beim Anfahren am Berg auf Schnee die Kraft sehr stark herunter – sechs Sekunden vergehen, bis sich der iX1 auf 10 km/h geschwungen hat. 40 km/h erlangt er nach 21,6 Sekunden – unabhängig davon, ob man die zusätzliche Anfahrhilfe aktiviert. Ja, ohne ESP geht das etwas fixer, in 3,2 und 16,2 Sekunden. Doch ist das ein geringer Ertrag für den viel höheren Aufwand, den der Fahrer leisten muss. Wenngleich die Regelsysteme dem eDrive nur sehr mildes Temperament erlauben, erklimmt er schließlich doch die Passhöhe – nach gemächlichem, aber sehr sicherem Aufstieg. Bergab steigt der eDrive nicht trotz, sondern gerade in der maximalen Rekuperationsstufe trittfest und stabil – selbst wenn die Energierückgewinnung in Kurven einsetzt, passt die Steuerung die Verzögerung perfekt an.
Auch der xDrive verzögert bergab längst nicht mit seiner vollen Rekuperationsleistung von 60 kW (120 kW bei Bremsbetätigung), bremst und kurvt aber noch stabiler und routinierter herunter. Beim Bergauf-Anfahren beschleunigt er mit perfekt zurechtgeregeltem Zusatz an Grip und Kraft durch den Heckmotor in einem Viertel der Zeit, die der eDrive benötigt. Ist das nötig? Nein. Da schon der eDrive routiniert durch den Winter spurt, sind die 7.100 Euro Aufpreis, die der xDrive kostet (genug für 592 Zentner Zement), nur für eifrige Schneefahrer nötig.
Fazit BMW iX1 eDrive20
Hohe Fahrstabilität auch beim Rekuperieren
Antriebssteuerung und ESP regeln praktisch dauerhaft die Leistung herunter, daher...
... sehr langsames Anfahren
Fazit BMW iX1eDrive30
Hervorragende Stabilität bergauf wie beim Rekuperieren, dabei vergnügliche Agilität
Perfekte Antriebsregelung
Aufpreis (7.100 Euro)
Mercedes EQE SUV 350+ gegen 350 4Matic

Och, die Hot-Stone-Sitzmassage käme nun recht. Schließlich zieht draußen ein grimmiger Winterwind übers Joch. Ja, das sind so die Gedanken, die du dir am Steuer des EQE 4Matic machst auf einer dick schneebedeckten, für alle anderen gewiss zu Recht gesperrten Passstraße knapp unter 2.400 Metern.
Könnten wir nicht zur Dramaturgie etwas Gewese machen? Nee, denn mit dem, was der Allrad-EQE-SUV im Schnee darbietet, überragt er nicht nur den mit Hinterradantrieb, nicht nur die anderen Autos im Test, sondern zeigt, dass er zu den fahrsichersten Autos überhaupt zählt, die man im Winter dabeihaben kann. Bei ihm sitzt an jeder Achse eine hochintegrierte Antriebseinheit – sie besteht aus einer Synchronmaschine, der Leistungselektronik und dem Getriebe zur Kraftübertragung.
Der gemeinsamen Momentensteuerung arbeiten die Fahrstabilitätssysteme zu – mit ihren Daten zu Raddrehzahl, Längs- und Querdynamik, Lenk- und Gierwinkel. Auf dieser Basis berechnet die Steuerung, wie viel Antriebskraft die eATS jeweils aufbringen sollen. Die Verteilung lässt sich variabel verschieben, die vordere Einheit komplett aus dem Antriebsgeschehen koppeln – bei sachter Last und hohem Gripniveau.

Allrad hat dieser EQE nicht nur im Antrieb, sondern auch in der Lenkung. Die Hinterräder steuern mit bis zu zehn Grad mit – steigert Stabilität wie Agilität auch im Schnee.
Der verzögert unzögerlich
Beides steht nun nicht zu erwarten, was den 4Matic aber nicht kümmert. Bergan stemmt er sich mit Wucht, dabei ohne jede Nervosität los, ist nach 4,7 Sekunden 40, nach 10,6 s schon 70 km/h schnell – dabei portioniert die Steuerung die Kraft perfekt, viel besser, als es mit deaktiviertem ESP gelingt. Wobei der Mercedes, wie alle Autos hier, das System nicht komplett ausknipst, sondern nur die Eingriffsschwelle anhebt. Beim Tritt aufs Bremspedal etwa ist es gleich wieder aktiv. Im ESP-off-Modus gewinnt der EQE erst oberhalb von 20 km/h etwas mehr Rasanz und fordert größeren fahrerischen Aufwand.
Noch beeindruckender als die Beschleunigung gelingt dem 4Matic die Rekuperation. In der höchsten Stufe – sie käme auf bis zu 255 kW – pegelt sie sich ideal auf die Gripverhältnisse ein, stabilisiert damit zusätzlich. Schließlich verfügt der Allradler noch über ein Offroad-Programm. Hier lässt die Steuerung etwas mehr Schlupf zu, zusätzlich hebt die Luftfederung die Karosserie um 2,5 cm an – braucht es aber nur in tiefem Schnee. Ach, die Hinterachslenkung haben wir fast vergessen. Mit ihrem Mitsteuern bis zu zehn Grad steigert auch sie die Stabilität und Dynamik.
Mit kleinerer Batterie kostet der 350 4Matic in dieser Preisliga eher unerhebliche 2.737 Euro mehr als der 350+ mit größerem Akku (96 statt 90,5 kWh). Der 350+ hat 200 Nm weniger Drehmoment als der 4Matic, aber ebenfalls 215 kW – Angaben zu den Einzelleistungen der eATS des Allradlers nennt Mercedes nicht. Nur mit der einen Einheit geht es im EQE zwar ohne ESP etwas weniger gemächlich voran, aber das ist ein ziemliches Geruder am Lenkrad.
Mit ESP fährt der Hecktriebler behutsam, aber sehr sicher an. Auch die Rekuperation gelingt ihm souverän – wenngleich er nicht mit derselben Intensität verzögert wie der 4Matic und das ESP dabei wie in Kurven früher und öfter eingreift. Ob es einem deswegen heiß wird? Gewiss nicht, dafür braucht es auch im 350+ die Hot-Stone-Massage.
Fazit Mercedes EQE SUV 350+
Beim Anfahren wie Rekuperieren hohe Stabilität
Ohne ESP etwas haltloses Anfahr- und Kurvenverhalten
Fazit Mercedes EQE SUV 350 4Matic
Auch ohne ESP noch gut beherrschbar
Günstiger Aufpreis (2.737 Euro, mit kleinerem Akku)
Noch mal 160 kg schwerer
Polestar 4 Single Motor gegen Dual Motor

Wenn man von einem Wagen erwarten darf, dass ihn der Winter kaltlässt, dann doch von jenem, der sich nach dem Polarstern benennt. Wobei der Polestar 4 für seinen Antrieb neben dem einfachen auch exakt den doppelten Aufwand betreibt. Denn als Dual Motor – gewiss, der Name deutet es diskret an – hat er nicht nur einen 200 kW und 343 Nm starken Permanentsynchro an der Hinterachse, sondern bekommt für 8.000 Euro Aufpreis noch so eine Maschine an die Vorderachse gesetzt. Was die Systemdaten eben verdoppelt: auf 400 kW und 686 Nm.
Mit der Hauptlast des Antriebs beauftragt die Steuerung auch beim Dual die Heckmaschine. Die vordere kann sie per Trennkupplung ausklinken, holt sie aber bei stärkerem Leistungsbedarf, mangelndem Grip oder zum Rekuperieren wieder dazu. Denn hier nimmt der Frontmotor mehr Energie auf, um die Fahrstabilität zu steigern. Ob sie bei höherer Rekuperationslast des hinteren Motors das Heck ins Tändeln brächte? Bringt sie – beim Single Motor.

Sicher, aber nicht so souverän wie die anderen fährt der beim Rekuperieren oft hecktändelige Single im Schnee.
Single Bells
Das ufert da zwar nicht zu einer Schlitterparty bergab aus, doch die Regelsysteme greifen erst ein, wenn das Heck schon zuckt. Das erschüttert die Fahrstabilität nicht wirklich erheblich, das Wohlbefinden des Fahrers aber durchaus. Noch mehr gar, wenn der 4 wie bei unserer Anfahrt auf ein Stück vereiste Straße gerät. Dann wischt das Heck weit raus – selbst mit voll aktiviertem ESP und der ebenfalls zu zehnmal schnellerem Eingriffstempo hochprogrammierten Antriebssteuerung.
Für das Beschleunigen am verschneiten Aufstieg benötigt der Single die Regelungen nicht gar so dringend. Mit mehr Schlupf raspelt er sich im Sportmodus des ESP sogar deutlich flotter voran. Doch fordert er dabei den höchsten Aufwand.
Mit doppelter Motorenanzahl/Leistung/Kraft geht der Dual mit aktiviertem ESP beim Beschleunigen mehr als doppelt so schnell voran wie der Single – der braucht aus dem Stand bis 40 km/h fast dreimal so lange. Was beeindruckend sein mag, aber nicht immer zweckmäßig. Selbst auf Schnee wird der Dual schnell sehr schnell – schnell zu schnell für die Führungskräfte der Vorderräder, gilt es, die ganze Geschwindigkeit für eine Kurve wieder wegzubremsen.

Mit der Wucht hat die Steuerung viel zu regeln. Griffe sie etwas früher ein, dann wäre der 4 noch souveräner.
So raten wir zu sorgsamem Umgang mit der Wucht und doch zum Allradler. Zwar tändelt auch der mitunter mit dem Heck. Doch das nimmt auf dem stabileren Fundament der Fahrsicherheit unter Last wie beim Rekuperieren keine überfordernden Ausmaße an. So verdient sich der Dual in der Wertung locker ein Polarsternchen mehr.
Fazit Polestar 4 Single Motor
Gute Grundtraktion
Antriebssteuerung bremst Agilität nicht so stark ein...
... mitunter nicht stark genug
Übersteuerneigung bei Rekuperationsverzögern in Kurven
Fazit Polestar 4 Dual Motor
Höhere Stabilität beim Rekuperieren als mit dem Single
Perfekte Verarbeitung
Regelsysteme greifen oft erst ein, wenn der Dual schon fast zu schnell ist.
BMW iX1 eDrive20 xLine | BMW iX1 xDrive30 | Mercedes EQE SUV 350+ | Mercedes EQE SUV 350 4Matic | Polestar 4 dual Motor | Polestar 4 single Motor | |
Grundpreis | 51.000 € | 55.900 € | 86.811 € | 89.548 € | 69.900 € | 61.900 € |
Außenmaße | 4500 x 1845 x 1616 mm | 4500 x 1845 x 1616 mm | 4863 x 1931 x 1685 mm | 4863 x 1931 x 1685 mm | 4839 x 2008 x 1534 mm | 4839 x 2008 x 1534 mm |
Kofferraumvolumen | 490 bis 1495 l | 490 bis 1495 l | 520 bis 1675 l | 520 bis 1675 l | 526 bis 1536 l | 526 bis 1536 l |
Höchstgeschwindigkeit | 170 km/h | 180 km/h | 210 km/h | 210 km/h | 200 km/h | 200 km/h |
Verbrauch | 0,0 kWh/100 km | 0,0 kWh/100 km | 0,0 kWh/100 km | 0,0 kWh/100 km | 20,1 kWh/100 km | 20,1 kWh/100 km |