Mit Pressemappen verhält es sich oftmals ähnlich wie in der Ehe: Es fällt schwer, zuzugeben, dass der andere recht hat. Im Fall der Pressemappe des iX, die im Juni 2021 die Redaktion erreichte, stimmt definitiv die selbstbewusste Titelzeile "Der erste BMW iX ". Okay, dass es auch zugleich der letzte iX sein würde, wussten nur wenige Insider. Allein die große Niere schon verschreckte bei der Präsentation die Fans. Doch das Design spielt bei Tests in diesem Magazin – egal ob lang oder kurz – nur dann eine Rolle, wenn es die Funktion beeinträchtigt.
Als der in Storm Bay Metallic getauchte BMW iX xDrive50 am 17. Oktober 2022 zum Dauertest antritt, ist bald klar: Sowohl der Rundumsicht als auch dem Laderaumvolumen (500 bis 1.750 Liter) bekommt die Linie nicht sonderlich gut, der Einstieg hinten leidet ebenfalls ein wenig. Das Platzangebot für den Fahrer und bis zu vier Passagiere hingegen profitiert von der Innenarchitektur mit flachem Boden ohne Mitteltunnel, nicht zuletzt auch das Raumgefühl in der ersten Reihe. Ebenfalls bereits zu Beginn des Dauertests klar: Das Schließgeräusch der Türen mit den rahmenlosen Seitenscheiben fällt arg schepperig aus. Offensichtlich gibt es also einen Grund, weshalb der iX mit der Option "Servoschließung für die Türen" an den Start rollte.
Spannung ohne Bogen
Genau: rollen. Darum geht’s im Dauertest, na klar. Und bevor hier nun ein alberner Spannungsbogen in den Himmel wächst, sei gesagt, dass er rollte, immer. Niemals im Notlauf, kein Verweigern des Dienstes bereits im Parkhaus. Vor allem rollte er äußerst angenehm, der 385 kW starke, aber auch reichlich moppelige SUV.

Wie der Chefreporter den iX beschreibt: „Ein richtiger Reiseelefant mit bequemen Sesseln, einer flauschigen Federung und einem kultivierten Antrieb.“
Obwohl BMW eine ziemlich aufwendige Karosseriestruktur aus einem Aluminium-Spaceframe, hochfesten Stählen, kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) und Thermoplast-Kunststoffen ausgetüftelt hat, wiegt der Testwagen mal eben 2.611 kg, was dennoch eine Zuladung von 534 kg gestattet. Und irgendwo in diesem ingeniösen Rohbau wohnt ein Kobold, über die gesamte Laufleistung hinweg: Wirklich knisterfrei bleibt die Karosserie nie, auch wenn BMW nach einigen Bemerkungen diesbezüglich in den Dauertest-Notizen den iX zu sich rief, um bei km-Stand 61.325 zusätzliche Dämmmatten im Bereich des Laderaums einzuziehen. Die hätten angeblich bereits in der Serie Einzug gehalten, sorgen im Testwagen für nur ein wenig mehr Ruhe. Speziell im Bereich der Türen bleibt es knisterig. Offenbar bringt erst die umfangreiche Modellpflege diesbezüglich Besserung, wie die Fahrt in einem Vorserienfahrzeug zeigte.

Eine seiner ersten Reisen führte den iX nach Rumänien. Hier: Stopp in Sibiu/Hermannstadt.
Ansonsten aber: ein Fall für die Langstrecke. Oder um es mit den Worten von Chefreporter Jörn Thomas zu sagen: "Ein richtiger Reiseelefant mit bequemen Sesseln, einer flauschigen Federung und einem kultivierten Antrieb." Ergänzend fügt Autor Marcus Peters hinzu: "Bereits das Abblendlicht leuchtet die Fahrbahn besser aus als das Fernlicht des Tesla Model Y" – und das Fernlicht des BMW mit Laser-Technik schlägt eine helle Schneise in die finsterste Nacht. Zudem überzeugt der Fernlichtassistent.
Die wichtigsten Stationen zu 100.000 km:
2.094 km:
In "Storm Bay"-Metallic lackiert, startet der iX in den Test.
55.655 km:
Nach einer DC-Ladung treten unter anderem folgende Fehler auf: keine Online-Navigation verfügbar, keine Navigationsanweisungen im Head-up-Display, Spurverlassenswarnung lässt sich nicht mehr abschalten, Verkehrszeichenerkennung zeigt meist nur "Limit" an, ACC-Regelung ist nur eingeschränkt verfügbar, keine Bordcomputer-Auswahl verfügbar.
55.709 km:
Leitungssatz repariert. Leitungssatz hinter Heckstoßfänger durch Marder beschädigt.
61.049 km:
Fahrzeug klappert im Heckbereich.
61.325 km:
Einlegeboden und Dämmung an Verkleidungen im Laderaum nachgearbeitet (zusätzlicher Dämmfilz).
83.090 km:
Inspektion mit Innenraumfilter, neuer Bremsflüssigkeit und Material, 663,25 Euro.
96.546 km:
Navigationssystem/Infotainment fällt immer häufiger aus. Ursache war ein fehlgeschlagenes OTA-Update, das nur durch ein stationäres Update in der Werkstatt behoben werden konnte.
102.127 km:
Nach 100.033 gefahrenen Kilometern kehrt der iX zurück in das BMW-Parkhaus in Garchin.
Bis ans Schwarze Meer
Wenig überraschend also, dass der iX mit seinem netto 105,2 kWh fassenden Akku große Distanzen überwindet. Autor Heinrich Lingner fährt bis zum Donaudelta am Schwarzen Meer, Redakteur Carl Nowak in die Toskana. Salzburg, Andermatt und Hamburg gehen da fast als Kurzstrecken durch. Große Euphorie für die E-Mobilität also? Auf gar keinen Fall. Hakt’s bei der Reichweite? Nein – das wäre auch noch schöner bei diesem Riesen-Akku.
Bei den über den gesamten Zyklus in unregelmäßigen Abständen gefahrenen Messrunden nach auto motor und sport-Standard ergibt sich eine Reichweite von 421 Kilometern, die sich mit der Tagespraxis deckt. Mit etwas Zurückhaltung lassen sich schon mal knapp 600 Kilometer schaffen. Ehrlich gesagt: Alles andere wäre für ein über 120.000 Euro teures Fahrzeug peinlich. Auch die Ladeleistung von rund 200 kW geht in Ordnung, da der iX in der Regel lange Zeit hohe Werte hält, weshalb die Verweildauer an der Säule stimmt: Von zehn auf 80 Prozent in 36 Minuten ist möglich.

„Okay, die Peak-Ladeleistung von 200 kW wirkt eher mäßig, doch der iX hält sie erfreulich lang“.
Unter uns: Das liest sich länger, als es vor Ort tatsächlich empfunden wird. Doch dann muss alles passen – und es passt eben nicht immer alles, recht oft sogar nicht. Die vom Navi empfohlene Säule funktioniert gar nicht, ist dann doch belegt oder liefert keine Spitzenwerte, obwohl der Akku-Füllstand im einstelligen Bereich liegt und aufgrund der Ladeplanung des Infotainments eine Vorkonditionierung der Batterie stattgefunden hat.
Woran liegt’s? Weiß keiner. Stichprobenartige Telefonate mit Hotlines der Ladesäulenbetreiber ergeben, dass aus ihrer Sicht immer das Auto Schuld trägt – dessen Hersteller es im Zweifel aber natürlich genau andersherum sieht. Diese Erfahrung begründet sich nicht ausschließlich in Erlebnissen mit dem iX, sondern auch mit den fünf weiteren E-Dauertestern des Redaktions-Fuhrparks. Weshalb der 300-kW-Lader an der einen Autobahn-Raststätte nur 75 kW liefert, obwohl der iX dort allein steht, der 350-kW-Lader am Autohof nur eine Ausfahrt weiter aber sofort die maximal möglichen 195 kW abgibt, bleibt uns also ein Rätsel. Hinzu kommt das Ladeerlebnis als solches: nachts im letzten Winkel von Raststätten oder in Industrie-Gebieten – als Alleinreisender oder mit Familie eher so mittel. Mal ganz abgesehen davon, dass immer noch neue Ladeparks ohne irgendeine Art von Wetterschutz hochgezogen werden.
So wie Bahnfahren

Die Gesamt-Kilometerkosten von 17,9 ct bleiben für dieses Auto-Kaliber im Rahmen.
Es ist ein bisschen wie mit der Bahn: Wenn’s klappt, dann bereitet es Freude. Denn die beiden 20-minütigen Zwischenstopps auf der Reise von Hamburg ins Stuttgarter Umland mit einem vorgewählten Rest-Akkufüllstand von 30 Prozent am Ziel hätte es eh gebraucht. Schwierig wiederum gestaltet sich die Laderei bei Fahrten mit Anhänger. Dabei zählte der iX anfangs neben dem Tesla Model X zu den einzigen BEVs mit einer relevanten Anhängelast von 2,5 Tonnen.
Und das Ziehen bereitet mit dem BMW viel Freude, denn wegen seines sofort verfügbaren Drehmoments von 765 Nm scheint es ihm egal, ob noch ein Anhänger am Haken baumelt oder nicht. Allerdings schrumpft dann die Reichweite auf gut 200 km zusammen. Gespanntaugliche Ladesäulen existieren kaum (Fastned und einige wenige Aral Pulse). Also: abkoppeln. Skurriler Zwischenfall: Während einer Ladepause – ohne Anhänger – nagte ein Marder ein Kabel im Bereich der Heckschürze an, was eine Kaskade an Fehlfunktionen von Peripherie-Systemen zur Folge hatte.
Dafür kann der iX nichts, sehr wohl aber für das gegen Dauertest-Ende immer wieder nicht startende Navi, während alle anderen Infotainment-Funktionen liefen. BMW nennt ein fehlerhaftes Over-the-air-Update als Grund, ein kurzer Werkstattbesuch hätte Abhilfe geschaffen. Immerhin half ein Reset per langem Druck auf den haptischen Lautstärkeregler in der Mittelkonsole. Sonstige Werkstattbesuche? Nur eine reguläre Wartung, was neben dem für diese Leistungsklasse niedrigen Verbrauch zu den geringen Kilometerkosten führt.
Schade also, dass der erste iX sowohl für BMW als auch für auto motor und sport der letzte bleibt.