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Audi e-tron Quattro im Fahrbericht
Kann der Elektro-SUV beim Fahren überzeugen?

Mit dem e-tron startet Audi Anfang 2019 in die batterieelektrische Zukunft. Auf einer ausgiebigen Testrunde darf der Allrad-e-tron seine Allround-Qualitäten beweisen und zeigen, ob Audis erstes Serien-Elektro-SUV schon vollwertiges Erst-Auto für den Alltag ist.

Genügend Schwung sei alles, lacht der Fotograf noch, bevor er den Audi e-tron in die Wüste schickt – und zwar wortwörtlich. Natürlich nur fürs Bild, das zeigen soll, wie gut sich der Elektro-SUV mit dem neuen Quattro-Antrieb auch abseits befestigter Pisten schlägt. Und tatsächlich wühlt er sich scheinbar mühelos durch den weichen Untergrund, die Fotos sind schnell im Kasten, und es geht wieder zurück auf die Asphaltstrecke.

Unsere Highlights

Denn das ist der eigentliche Grund unseres Ausflugs: Wir wollen endlich Eindrücke auf normaler Straße im regulären Verkehr sammeln. Zur Eingewöhnung geht es zunächst auf die Schnellstraße. Als Fahrer findet man sich schnell zurecht, das serienmäßige volldigitale Cockpit und das Infotainment sind ähnlich aufgebaut wie in anderen Audi-Modellen. Je nach Ausstattung lässt sich dabei über zwei haptische Displays in der Mitte alles steuern – von der Klimatisierung über das Infotainment bis hin zu individuellen Fahrzeugeinstellungen. Ansonsten gibt es für den Fahrer die gewohnten Lenkradtasten und auf Wunsch projiziert ein Head-up-Display allerlei nützliche Infos an die Frontscheibe. Auch in puncto Qualitätseindruck gibt es beim e-tron keine Überraschungen. Die Materialien im Innenraum wirken allesamt hochwertig und sauber verarbeitet.

Kamera-Spiegel floppen, Rekuperation klappt gut

Zwei Besonderheiten fallen auf: der Wählhebel und die virtuellen Außenspiegel. Für die Wahl der Fahrtrichtung und Parkposition gibt es nämlich nur noch eine seitliche Schaltwippe an der Handauflage in der Mittelkonsole.

Audi e-tron Quattro,
Tobias Sagmeister - Audi
Hochmoderne OLED-Displays in der Tür nahe der A-Säule zeigen die Bilder zweier Kameras, die konventionelle Außenspiegel ersetzen. Die tiefe Position und Darstellung sind aber gewöhnungsbedürftig.

Außerdem fehlen konventionelle Außenspiegel. Stattdessen zeigen OLED-Displays in der Tür nahe der A-Säule die Bilder zweier Kameras. Die kompaktere Form bringt minimale aerodynamische Vorteile, sodass die Reichweite pro Batterieladung laut Audi um mickrige 2,5 Kilometer steigt. Allerdings muss sich der Fahrer nicht nur an die deutlich tiefere Position der Displays gegenüber klassischen Spiegeln gewöhnen, sondern auch an die Darstellung. Selbst nach mehrstündiger Fahrt fällt es noch schwer, das Bild zu erfassen und die Umgebung richtig einzuschätzen, denn das Auge muss hier näher fokussieren als bisher – bei einem Spiegelbild liegt nämlich der Schärfeeinstellung im Unendlichen, wie bei den Objekten jenseits der Windschutzscheibe auch. Hinzu kommen Probleme mit dem Kamerabild: Spiegelungen bei starkem Lichteinfall oder fehlende Kontraste beim Blick durch die Sonnenbrille dürften sich wohl auch in Weiterentwicklungen nur schwer beheben lassen. Wer also ohne diese neueste Spielereien auskommt, die immerhin 1.540 Euro Aufpreis kosten, verpasst nicht viel.

Wer bremst, verliert

Derweil segeln wir auf die erste Kreuzung zu und spüren, wie der Audi e-tron von allein verzögert, wenn der Fuß nicht auf dem Gas- bzw. Fahrpedal liegt. Zum serienmäßigen Effizienzassistenten gehört nämlich auch die automatische Rekuperation, die das Verkehrsumfeld scannt und anhand verschiedener Daten die nötige Verzögerung steuert, sobald der Fuß vom Gaspedal geht. Alternativ kann der Fahrer mittels Schaltpaddel am Lenkrad aus insgesamt drei Rekuperationsstufen wählen.

Bis zu 0,3 g Verzögerung realisiert der Audi dann allein über die E-Maschinen, erst danach unterstützt die mechanische Bremse. Der Übergang zwischen elektrischem und hydraulischem Bremsen ist für den Fahrer im Gegensatz zu manch anderem E-Auto nicht zu spüren, denn ein zweiter Kolben simuliert mittels druckelastischem Element stets das vertraute Pedalgefühl. Bei über 90 Prozent aller Bremsungen werde so Energie generiert und damit Reichweite erzeugt, rechnen die Audi-Ingenieure vor. Um dabei auf Dauer nicht zu überhitzen, muss das ganze Antriebssystem gekühlt werden – 22 Liter Kühlmittel strömen dafür durch insgesamt etwa 40 Meter lange Kühlwasserleitungen.

2,5 Tonnen, aber vollgasfest

Doch der Aufwand lohnt sich, denn er bringt noch mehr Vorteile. So muss die Elektronik die Leistung auch bei Volllast und mehreren Beschleunigungen nacheinander nicht reduzieren, womit die kurze Bergetappe vor uns für den Audi e-tron ein Klacks ist – vor der Kurve anbremsen, einlenken und sich mit dosiertem Gas durch die Biegung ziehen lassen. Dass sich der 2,5-Tonnen-SUV auch im Grenzbereich leicht und sicher steuern lässt, ist maßgeblich dem neuen elektrischen Allradantrieb zu verdanken. Innerhalb von nur 30 Millisekunden verteilt das Steuergerät das Antriebsmoment gezielt an die vier Räder und ist damit schneller als Systeme mit mechanischer Kupplung.

Der Fahrer merkt das nur indirekt. Denn das System sorgt immer für optimale Traktion, egal ob bei sportlich-ambitionierter Kurvenfahrt oder im leichten Gelände. Das Anfahren kann allerdings für den einen oder anderen gewöhnungsbedürftig sein. Anders als bei Autos mit klassischem Automatikgetriebe haben die Ingenieure nämlich bewusst auf ein Anfahrelement und damit das langsame Kriechen aus dem Stand heraus verzichtet.

Gute Fahrleistungen, flottes Fahrverhalten

Für die nötige Performance sorgen zwei Asynchronmotoren an Vorder- und Hinterachse, die es zusammen auf 265 kW (360 PS) und 561 Newtonmeter Drehmoment bringen. Im Boost-Modus sind sogar kurzzeitig 300 kW (408 PS) Systemleistung und 664 Newtonmeter Drehmoment drin. Aber selbst ohne die Zusatz-PS ist der e-tron flott unterwegs und fühlt sich beim Fahren erstaunlich kompakt an.

Audi e-tron Quattro,
Tobias Sagmeister - Audi
Reichlich Leistung, eine perfekt ausbalancierte Gewichtsverteilung und die Progressivlenkung machen aus dem e-tron ein agiles und leicht beherschbares Auto - trotz 2,5 Tonnen Gewicht.

Die gute Achslastverteilung von 50:50 sowie die Progressivlenkung, deren Übersetzung dem Lenkwinkel angepasst ist, haben am agilen Fahrgefühl ihren Anteil. Bei einer früheren Probefahrt auf losem Untergrund konnte der Kollege Lingner das 2,5-Tonnen schwere Elektro-SUV auch zum Driften bewegen, bei dem sich der Audi e-tron „mit der sehr fein dosierbaren Leistung wunderbar kontrollieren“ ließ. Die extrem feinfühlige elektronische Kontrolle des Drehmomentflusses zu den Rädern schlägt eindeutig die eines mechanischen Allradantriebs und die E-Motoren reagieren viel spontaner auf Lastanforderungen als Verbrennungsmotoren.

Audi e-tron darf auch Anhänger ziehen

Bevor es zum kurzen Ausflug in die Wüste geht, gönnen wir uns eine kleine Pause und begeben uns zum Perspektivwechsel auf die hintere Sitzreihe. Dank des 2,93 Meter langen Radstands reisen vier Erwachsene im Audi e-tron gemütlich und ungedrängt, weder am Sitzkomfort noch am Raumangebot gibt es etwas zu meckern. Der tief zwischen den Achsen liegende Akku verhilft zu einer guten Raumökonomie mit luftiger Kopf- und Kniefreiheit auf allen Plätzen und normalerweise störende Elemente wie ein Mitteltunnel sind beim E-Auto schlicht unnötig.

Für das Gepäck ist ebenfalls ausreichend Platz vorhanden. Allein der Kofferraum fasst 600 gut zugängliche Liter. Die Heckklappe öffnet serienmäßig elektrisch, auf Wunsch auch per Fuß-Geste, nur die Gepäckraumabdeckung muss ohne seitliche Führung auskommen, was in dieser Preisklasse überraschend billig wirkt. Zusätzlich findet sich vorne im Motorraum ein kleines Fach mit 60 Litern Volumen – ideal für die Ladekabel – und bei Bedarf lässt sich die Rücksitzlehne variabel umklappen, um den Laderaum auf bis zu 1.725 Liter zu vergrößern. Falls selbst das nicht genügt, darf der e-tron bis zu 1.800 Kilogramm schwere Anhänger ziehen, was bei E-Autos bislang eher die Ausnahme ist.

Sehr guter Geräuschkomfort

Jetzt aber wieder los, es gilt ja noch einige Fragen zu beantworten, unter anderem zum Langstreckenkomfort. Hier helfen die insgesamt sieben Fahrmodi, für jede Situation die passende Einstellung zu finden. Dazu gehört unter anderem das Höhenniveau der Karosserie. Während es für Offroad-Fahrten um bis zu 50 Millimeter angehoben werden kann, senkt es sich auf Autobahnetappen zugunsten der Aerodynamik und damit der Reichweite um bis zu 26 Millimeter ab.

Audi e-tron Quattro,
Tobias Sagmeister - Audi
Dank des 2,93 Meter langen Radstands reisen vier Erwachsene im Audi e-tron gemütlich und ungedrängt. Ein Luftfahrwerk und die gute Schalldämmung machen den e-tron zum komfortablen Langstreckengleiter.

Vor allem beim gemütlichen Cruisen überzeugt dagegen der Comfort-Modus, bei dem das Luftfahrwerk alle Unebenheiten sanft wegbügelt. Zusammen mit der ausgeklügelten Schalldämmung, die Wind- und Abrollgeräusche auch bei höherem Tempo effektiv reduziert, sorgt dies dafür, dass sich eine entspannte Atmosphäre breitmacht. Zudem gibt es einige Ausstattungsoptionen, wie das Panorama-Glasdach, die Sitz-Belüftung und Massagefunktion, sowie die Ambiente-Beleuchtung, die das Fahren noch komfortabler gestalten sollen.

Schnellladen mit bis zu 150 kW

Zumindest bis sich die Energiereserve aus dem 95-kWh-Akku dem Ende neigt. Auf der ausgedehnten Testfahrt genehmigt sich der Audi e-tron bei moderater Fahrweise und hohem Autobahnanteil (mit ca. 120 km/h) rund 31 kWh/100 km. Da hier der Rekuperationsanteil naturgemäß recht niedrig liegt, heißt es so schon nach gut 300 Kilometern Strom zapfen. Wer mehr in der Stadt oder bei niedrigeren Geschwindigkeiten unterwegs ist, wird weiter kommen.

Immerhin kann der e-tron als erstes Serienauto mit bis zu 150 kW Gleichstrom laden. Zwar gibt es dafür aktuell nur wenige passende Schnellladesäulen in Deutschland, doch das Netz soll bald wachsen. Alternativ lädt der Audi auch an regulären 230 Volt-Haushaltssteckdosen mit bis zu 2,3 kW oder in etwa achteinhalb Stunden an 400 Volt-Drehstromsteckdosen mit bis zu 11 kW Leistung. Wer ein zweites Ladegerät mitordert kann die Ladeleistung auf bis zu 22 kW steigern. 2019 folgt zudem die Funktion Plug & Charge, bei der sich das Auto an der Ladesäule selbst autorisiert.

An der Kostenhürde ändert das freilich wenig, denn schon der Grundpreis des e-tron liegt bei 79.900 Euro. Dafür gibt es aber nicht nur ein SUV, das alltagstauglich ist und vollelektrisch fährt, sondern das auch allerlei technische Spielereien und Neuheiten mitbringt. So hat Audi zusätzlich zur natürlichen Sprachsteuerung, die auch frei formulierte Kommandos versteht, den Sprachassistenten Alexa integriert und ab Mitte 2019 soll es die Möglichkeit zu Over-the-Air-Updates geben. Damit lassen sich je nach Bedarf verschiedene Funktionen aus den Bereichen Licht, Assistenzsysteme und Infotainment online hinzubuchen – zeitlich begrenzt oder dauerhaft.

Fazit

Der Audi e-tron ist mehr als nur ein E-Auto: Mit vielen technischen Spielereien wie den virtuellen Außenspiegeln, der Sprachsteuerung inklusive dem Sprachassistenten Alexa, Car-to-X-Diensten sowie den geplanten Over-the-air-Updates will sich Audi wieder als Vorreiter profilieren.

Dabei überzeugt der e-tron vor allem beim vollelektrischen Fahren. Denn das kann er so gut, dass vielen der Umstieg überraschend leicht fallen dürfte. In Summe ist er ein guter Allrounder. Da stellt sich eher die Frage, ob ein Elektroauto wirklich so viel können muss. Die Reichweite dürfte nur bei schnellen Reisen Thema werden. Da kommt es dann wieder mehr auf die Infrastruktur an Schnellladestationen an als aufs Auto.

Technische Daten
Audi E-Tron 55 Quattro
Grundpreis81.500 €
Außenmaße4901 x 1935 x 1629 mm
Kofferraumvolumen658 bis 1725 l
Höchstgeschwindigkeit200 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km
Die aktuelle Ausgabe
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Erscheinungsdatum 03.07.2024

148 Seiten