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Nachruf Carl H. Hahn (1926-2023)
Ehemaliger VW-Chef wurde 96 Jahre alt

Carl Horst Hahn war von 1982 bis 1992 Volkswagen-Chef. Er verstarb am 14. Januar 2023 im Alter von 96 Jahren in Wolfsburg.

Carl H. Hahn (1926-2023)
Foto: VW

"Carl Hahn war, ist und bleibt fester Bestandteil der Volkswagen Familie" schreibt Oliver Blume, Vorstandschef der Volkswagen AG, über den Tod des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und Aufsichtsrats.

Carl Horst Hahn, am 1. Juli 1926 in Chemnitz geboren, studierte Wirtschaftswissenschaften in Deutschland, der Schweiz und England, sowie Politikwissenschaften in Frankreich. Er promovierte 1952 in Bern und fing 1954 bei der Volkswagenwerk GmbH an. Dort wurde er Assistent des Generaldirektors Heinrich Nordhoff, der Hahn 1959 in die USA schickte.

Unsere Highlights
Carl H. Hahn Heinrich Nordhoff Frank Novotny 1962 USA
Archiv
Hahn 1962 mit Heinrich Nordhoff und Vorstandsmitglied Frank Novotny (von links) in den USA.

Nach dem Aufbau des Vertriebs und erfolgreicher Werbung für den VW Käfer, der sich in den USA mehr als 650.000-mal verkaufte, wurde Hahn 1964 im Alter von 38 Jahren in Wolfsburg Vertriebsvorstand bei VW. Dort sorgte er unter anderem dafür, dass 1967 aus DKW Auto Union die Marke Audi wurde – mit eigenen Produkten und eigenständigem Vertrieb.

Von 1982 bis 1992 VW-Chef

Im Jahr 1972 verließ Hahn VW und übernahm den Vorstandsvorsitz von Continental. Nach zehn Jahren wechselte er als Vorstandsvorsitzender zurück zu Volkswagen. Dort erwarteten ihn der Anlauf des Golf II und Probleme im US-Markt. Der in Europa ausgebildete und mit dem nordamerikanischen Automarkt vertrauten Automanager setzte auf Globalisierung: Er ging eine Kooperation mit Seat ein, verlegte die Produktion von Polo und Passat nach Spanien und begann mit der Montage des Santana in Shanghai. Kurz nach dem Mauerfall reiste er 1990 nach Tschechien und warb dort erfolgreich um die Marke Skoda. Der Standort Zwickau in Hahns Heimat Sachsen geht ebenfalls auf eine Entscheidung des damaligen Vorstandsvorsitzenden zurück.

VW Werk Chemnitz Grundsteinlegung 1992 Carl H. Hahn
VW
Carl H. Hahn (links) bei der Grundsteinlegung für das VW-Werk in Chemnitz 1992.

Hahn übergab Ende 1992 sein Amt an Ferdinand Piëch und wechselte in den Aufsichtsrat. Bis Juni 1997 gehörte er diesem Gremium an. Er war außerdem in diversen Aufsichtsräten und Stiftungen tätig – und fuhr bis ins hohe Alter beinahe täglich in sein Büro. Am 14. Januar 2023 verstarb Carl Horst Hahn in Wolfsburg.

Carl H. Hahn 2020 im Interview mit auto motor und sport

Als Vorstandsvorsitzender von Volkswagen trieb Carl H. Hahn die Internationalisierung des Konzerns voran. So bahnte der Manager unter anderem 1990 den Kauf von Škoda an. Warum das der richtige Schritt war, erzählt er 2020 im Gespräch mit auto motor und sport.

Das Interview führte Jens Dralle

Während Ihrer Zeit als Vorstandsvorsitzender von Volkswagen nahm die Internationalisierung des Konzerns richtig Fahrt auf. Inwieweit hängt das mit Ihrer persönlichen Biografie zusammen?

Ohne groß darüber nachzudenken, habe ich offenbar in jeder Lebensphase zeitgemäße Strategien verfolgt. Das begann damit, dass ich der Chauffeur, Sekretär und Koch meines Vaters wurde, damit wir nach dem Krieg zu Geld kommen. Später, beim Studium in Köln dachte ich, dass es sehr lokal ist, nur in Deutschland zu studieren. Daher bat ich einen Freund meines Vaters, mir ein Semester in Zürich zu finanzieren. Dort lernte ich, wie die Welt aussah. Also ging ich weiter nach Bristol, dann nach Paris. Danach plante ich, in Deutschland zu promovieren, doch die Universitäten wollten mir die Auslandssemester nicht anerkennen. Also ging ich wieder in die Schweiz, promovierte (Thema "Der Schuman-Plan im besonderen Hinblick auf die deutsch-französische Stahlindustrie", Anm. d. Red.), zog dann nach Italien zum Studium der Kunstgeschichte in Perugia und landete schließlich bei Fiat. Ich war also ziemlich gut auf die Europäische Union vorbereitet.

… um letztlich für Volkswagen sozusagen die Ost-Erweiterung voranzutreiben. Hatten Sie dabei Skoda von Beginn an auf dem Schirm?

Zunächst begann es mit Ostdeutschland. Für mich als Chemnitzer war dieser Schritt nach der Wiedervereinigung, die wir Michail Gorbatschow zu verdanken haben, leicht. Das Motorenwerk-Joint-Venture gab es schon, doch die Verhältnisse in der DDR waren katastrophal. Volkhard Köhler betreute für uns die COMECON-Staaten (Council for Mutual Economic Assistance, eine Organisation sozialistischer Staaten unter UdSSR-Führung, Anm. d. Red.). Ständig prüften wir, was wir noch unternehmen könnten.

Vrba Hahn Vlasak Skoda Übernahme VW Vertragsunterzeichnung 28. März 1991
VW
Vertragsunterzeichnung am 28. März 1991: Damit wird Skoda Teil des Volkswagen-Konzerns
Und so kamen Sie gemeinsam auf Skoda?

Ehrlich gesagt gab es von vorneherein nur ein Ziel: Skoda. Das hatte ich von meinem Vater (Vorstandsmitglied bei DKW, Anm. d. Red.) gelernt. Skoda war schon vor dem Ersten Weltkrieg ein Vorzeigeunternehmen. Die Tschechen waren echte Pioniere des Automobilbaus, der Industrie, beispielsweise als Erfinder nahtloser Pipeline-Röhren und der Ringspinnen für die Textilindustrie. Als kleine Anekdote darf ich erwähnen, dass meine eigene Lebensgeschichte mit der Heimat von Skoda verknüpft ist: Pfarrer Putzer, der mich in Zschopau taufte, kam aus Mladá Boleslav angereist.

Also haben Sie schnell Kontakt zur Regierung der Tschechoslowakei gesucht?

Wir waren wie der Blitz am 4. Februar 1990 auf dem Weg nach Prag. In einem sehr einfachen Café am Prager Flughafen trafen wir den tschechoslowakischen Außenhandelsminister Slavomír Stracár und den stellvertretenden Industrieminister, Jozef Uhrík. Ich sagte zu ihnen: Auf zu Skoda! Sie antworteten aber, dass die tschechoslowakische Regierung bereits Renault den Zuschlag gegeben hätte. Also fuhren wir zunächst weiter nach Bratislava, wo wir eine riesige, leer stehende Halle mit modernem Werkzeugbau und einer hervorragenden Infrastruktur zu sehen bekamen. Doch daran hatten wir kein Interesse. Schließlich sind wir dann doch noch zu Skoda gefahren, und das war ein echtes Kontrastprogramm zu den Werken in der DDR.

Inwiefern?

Die Tschechoslowaken bauten damals den Favorit, einen Kompaktwagen auf internationalem Standard, der auch nach Großbritannien exportiert wurde. In ihm steckte eine Verbundlenker-Hinterachse aus dem Golf, übrigens die meistkopierte Achskonstruktion der Welt. Dazu hatte Skoda Manager, die es geschafft hatten, westdeutsche Roboter zu kaufen, während in Zwickau im Prinzip Karosserien aus usbekischer Baumwolle für den Trabant mit veralteten Zweitakt-Motoren produziert wurden.

Carl H. Hahn VW Polo G40 Sachsen Classic 2019
Arturo Rivas
Der ehemalige VW-Chef Hahn fuhr regelmäßig bei der Sachsen Classic mit, 2019 nahm er mit einem Polo G40 teil.
Wie haben Sie dann den Zuschlag erhalten?

Die Franzosen hatten einen strategischen Fehler gemacht: Sie wollten dort lediglich ein neues Renault-Modell montieren. Das haben wir genutzt. Wir haben ständig alle nur denkbaren Partner eingeladen, damit sie sehen können, wie wir arbeiten. So wurde den Verantwortlichen klar: Gehen sie zu Renault, ist das das Ende von Skoda. Bei Volkswagen hingegen haben sie die Chance, ein stolzes Unternehmen bleiben zu können. Die Gewerkschaft und die Belegschaft haben dann der Regierung Druck gemacht, dass sie streiken würden, käme es zur Übernahme durch Renault. Wir haben dann das Skoda-Management übernommen, nur Volkhard Köhler haben wir als Finanzchef eingesetzt. Wir erhielten mit dem Favorit eine auch für uns tragfähige Produktbasis. Zudem gab es einen 1,1-Liter-Vier-Zylinder-Aluminiummotor, damals etwas Exklusives! Er fand bei uns sofort im Konzern Verwendung.

Erfüllten sich denn alle Hoffnungen, die Sie in Skoda gesetzt hatten, von Beginn an?

Über das Produkt haben wir ja schon gesprochen. Dazu verfügte die Marke über ein Vertriebsnetz in den damaligen COMECON-Staaten. Und eine so gute Mannschaft müssen Sie gar nicht motivieren, das schaffen die alleine. Hinzu kommt: Wenn Sie Tschechisch sprechen, lernen Sie ganz leicht Russisch. Also sind die Kollegen heute in der ganzen Welt unterwegs, besonders in Russland. Leider hatte mir mein Vater die Sprache nie beigebracht, obwohl wir aus Böhmen stammen. Jedenfalls ist Skoda heute eine stolze Marke des Volkswagen-Konzerns und Motor der tschechischen Industrie.

Und heute befindet sich Skoda auf dem Weg der Internationalisierung.

Ja, mich freut das sehr, dass Skoda für den Volkswagen-Konzern die Verantwortung für den indischen Markt übernommen hat und entsprechende Strategien und Produkte entwickelt. Und auch China ist ein Geschenk des Himmels. Für Skoda beginnt damit die Phase II seiner Zukunft.

Na ja, Masse alleine wird nicht reichen. Das Produkt muss schon stimmen, oder?

Klasse ist die entscheidende Größe, und Indien ist eine Nation des digitalen Zeitalters. Aber generell auch die Tatsache, dass heute ein Auto nicht Spiegelbild des eigenen Status sein muss, hilft. Das ist ein bisschen wie damals beim Käfer, der war in vielen sozialen Schichten populär.

Fahren Sie denn selbst einen Skoda?

Noch nicht. Aktuell fahre ich einen VW T-Roc. Und wenn ich auf Sardinien bin, habe ich dort einen Trabant Tramp – mit dem Polo-Benzinmotor, der in der DDR mit drei Jahren Verspätung anlief.

Wen hätten Sie noch gerne übernommen?

Vielleicht den tschechischen Nutzfahrzeug-Hersteller Tatra. Allein die Tatsache, wie oft sie die Rallye Dakar gewonnen haben, verdeutlicht die Kompetenz der Mitarbeiter. Womit wir wieder bei der hervorragenden Industrielandschaft in Tschechien wären. Das Team von Skoda kann mit Recht stolz sein: 125 Jahre Skoda stehen für Tradition, Innovation und Kundentreue. Dazu gratuliere ich ganz herzlich. Ich wünsche unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weiterhin viel Erfolg auf dem Weg zum 250. Geburtstag in einer hoffentlich friedlichen Welt!

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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