So muss sich Howard Carter gefühlt haben, als er im Vorraum des Grabes von Pharao Tutanchamun stand, vor sich einen Wust von Grabbeigaben, die den Weg auf die weiteren Räume verstellten. Ein Renault NM40 CV blockiert die einzig verbliebene Gasse im großen Stall, der den Flüchtigen Obdach bietet. Rechts stehen höchstens eine Handbreit auseinander zwei Jaguar E-Type, links ein XK 150.
Wer sich den Weg durch die Hindernisse gebahnt hat, blickt 100 Meter weit auf ein Meer von Plastikplanen. Weil das Tor aufsteht und nicht alle Fenster intakt sind, rauscht der Wind durchs Gebälk, die Folien über dem Ford A und dem Benz 8/20 Tourer rauschen wie Wellen am Strand.
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Unterm Dach zwitschern die Spatzen. Wie Terrakotta-Krieger in China stehen im Schummerlicht automobile Schätze, unter den Folien schlummern bekannte Stars wie der Mercedes Nürburg oder fast vergessene wie der Brougham 98 RD Type 30, der im Jahr 1909 bis zu 50 km/h schnell war, eine Reichweite von 135 Kilometern hatte, und das völlig emissionsfrei. Der Bestseller von Detroit Electric war einst das erfolgreichste Elektroauto der Welt.
Nicht alles hier ist Gold, und nicht einmal das glänzt. Der Ford 12 M, bei dem sich durch das einst noble Grau das Rostrot immer mehr Bahn bricht, bräuchte dringend ein neues Zuhause, aber an der Scheibe prangt ein Zettel:"Nicht zu verkaufen". Wie bei einigen anderen sind die Besitzverhältnisse ungeklärt. Viele Autos sind noch auf umliegende Bauernhöfe verteilt. Die Dokumentation ist verloren verloren gegangen, die Historie fast aller Exponate unbekannt.
Dabei war das hier einmal das größte und bekannteste Automuseum Nordeuropas. Die Sammlung des Barons Johann Otto Raben-Levetzau umfasste über 220 Exponate. Als er 1992 starb, ging die Sammlung an den Unternehmer Stig-Usted Andersen. Doch der Industrielle investierte nicht in seine Neuerwerbung. Das ohnehin nur im Sommer geöffnete Museum schloss. Die Erben des Magnaten wollen und können sich um den Nachlass nicht kümmern. 175 Autos stehen jetzt zum Verkauf.
Im strengen Winter 2010 gab das Dach des Hauptgebäudes nach. Feuchtigkeit und Zugluft zogen ein. Viele Autos leiden schwer an Schwindsucht. Beim knallorangefarbenen Renault 20 ist das Chassis noch halbwegs in Ordnung, aber das Dach komplett durchgefault.
Sechs Mitarbeiter des Auktionshauses RM Auctions waren zehn Tage damit beschäftigt, die noch vorzeigbaren Autos zu putzen und für den Katalog zu fotografieren. Eine solche Bandbreite ist schwer zu finden. Mit dem Rolls-Royce-Fuhrpark des Barons fing es 1964 an. Deren sechs stehen im Katalog, aber auch drei Wartburg sind in den Ställen zu finden. Die Bandbreite reicht vom Bugatti Typ 40 bis zum Volvo 240.
Die ältesten Vertreter wie das De Dion Bouton Dreirad oder ein Léon Bollée von 1896 suchen einen würdigen Altersruhesitz, der Junior, ein Ferrari Testarossa von 1985, wünscht sich Adoption. Exoten wie der Arnott Lea Francis Sports, ein in den frühen Fünfzigern gerade 25 Mal gebauter Roadster, hoffen auf Rückkehr aus der Vergessenheit.
Die einen schlafen nur, die anderen sterben. Der Chevy Corvair war schon 1966 dem Tode geweiht, als der Journalist Ralph Nader die übersteuernde Pendelachse als Sicherheitsrisiko anprangerte. In Aalholm steht ein verlorenes Exemplar buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. Der Rost hat sich tief in die Karosserie gefressen, die schon im Neuzustand schimmelgrün schimmerte. Die rechte Kotflügelzierleiste hängt vorn über dem Scheinwerfer wie das Augenlied eines vermöbelten Boxers.
Pietätvoll sanftes Licht scheint durch die Oberlichter der kleinen, hinteren Halle. Neben dem halbwegs gut erhaltenen Halbketten-Citroën, der in den Zwanzigern und Dreißigern des vorigen Jahrhunderts mit Afrika- und China-Durchquerungen Furore machte, kauert ein Oldsmobile Straight Eight. Auf der staubigen Motorhaube kräuselt sich Laub vom letzten Herbst, die Rückbank haben die Mäuse zerfressen.
"Wir haben hier drin eine Menge Natur", sagt Uffe, der kurz nach dem Rechten sieht. Er hat Rattengift ausgelegt. Machtlos ist er gegen die Schwalben, die durch die zerbrochenen Fenster am hinteren Giebel fliegen und respektlos auf Schönheiten wie den Maybach Zeppelin kacken. Auf vielen Autodächern liegen Küken-Federn. Ständig fühlt sich der Besucher am Arm berührt. Aber es sind nicht die Autos, die ihn sanft hindern wollen, weiterzugehen und "Nimm mich mit" flüstern, sondern nur die unzähligen Fäden der Spinnen, die wie Laserstrahlen eines Alarmsystems die Räume durchschneiden. Ein Alarmsystem gibt es auch, ist aber gar nicht nötig. Die umgebenden Nachbarn haben ein Auge darauf, ob sich zwielichtige Gestalten in der Gegend herumtreiben. Nysted ist ein Nest, wo jeder jeden kennt."Die einzigen Eindringlinge der letzten Monate waren Fotografen", sagt Uffe.
Wie viele Besucher werden kommen? RM Auctions (www.rmauctions.com) wird ein großes Zelt aufbauen, wo früher das Hauptgebäude stand. Es gibt keine verbindlichen Mindestgebote. Der mit erhofften 60.000 Euro veranschlagte Hispano Suiza ist das vermeintliche Highlight, aber es gibt auch einen Wühltisch: fünf Rostlauben für 500 Euro.
Der Eintritt kostet 25 Euro. Selbst wer nicht kauft, wird belohnt heimkehren, wenn ein letztes Mal ein großes Stück Automobil-Geschichte an den Besuchern vorbeirollt. Ein Museum wird zu Grabe getragen, die Exponate brechen auf in ein neues Leben. Eine liebevoll zusammengetragene Sammlung wird in Stücke gerissen, aber es wird viele glückliche Gesichter unter den Käufern geben. Soll man nun lachen oder weinen? Beides wäre angemessen.
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