MISSING :: structure.inactiveTabOverlay
{"irCurrentContainer":"31054973","configName":"structure.inactiveTabOverlay"}
MISSING :: ads.vgWort
{"irCurrentContainer":"31054973","configName":"ads.vgWort"}

Interview mit Thomas Djuren, Kia Deutschland
„Am Ende des Tages muss das der Markt regeln“

Thomas Djuren, Geschäftsführer und Chief Operating Officer (COO) bei Kia Deutschland, über die Neuausrichtung des Händlernetzes, die staatliche Förderung für Elektrofahrzeuge und die Absage an das Agenturmodell.

„Am Ende des Tages muss das der Markt regeln“
Sie sind jetzt fünf Jahre im Unternehmen und seit Juli 2021 Geschäftsführer und COO von Kia Deutschland. Mit welchen Herausforderungen waren Sie seither konfrontiert?

Die Automobilbranche steckt in einem rasanten Transformationsprozess – dem wohl größten aller Zeiten. Wir möchten die Veränderungen aktiv mitgestalten und haben daher Anfang 2021 mit der Präsentation eines neuen Logos und Slogans die globale Neuausrichtung der Marke Kia und den umfassenden Umbau des Unternehmens eingeläutet. Einen solchen Wandel auf Landesebene umzusetzen, und das in Zeiten, die über weite Strecken von einer Pandemie geprägt waren, ist per se eine enorme Herausforderung. All unsere Kräfte fokussieren wir nun auf unser Ziel, zu einem führenden Anbieter nachhaltiger Mobilitätslösungen zu werden. Denn trotz der anhaltenden Skepsis der Verbraucher gegenüber Elektrofahrzeugen halten wir an dieser Antriebsart fest. Wir sind fest davon überzeugt, dass nur dieser vorgezeichnete Weg nachhaltige Mobilität auch in Zukunft gewährleisten wird.

Unsere Highlights
Sie haben vor kurzem das Kia-Händlernetz umstrukturiert. Was ist nun anders?

Ja, die neuen Verträge sind zum 1. Mai in Kraft getreten. Ausschlaggebender Faktor war, dass die Inhalte der einige Jahren alten Händlerverträge einfach nicht mehr zeitgemäß waren und die neue Marke Kia nicht angemessen widergespiegelt haben. Zudem haben wir uns im Detail angeschaut, ob die Standorte zum jeweiligen Marktpotenzial passen. Dabei haben wir festgestellt, dass wir tatsächlich einige Gebiete haben, in denen es zwar Händler gibt, aber keine Kunden, zumindest nicht in ausreichender Zahl – und andererseits Gebiete mit vielen Möglichkeiten, aber ohne Kia-Partner.

Können Sie das konkretisieren?

Mit etwa 250 oder 300 Neuwagenverkäufen pro Jahr kann man rentabel arbeiten. Der Verkauf von nur 50 oder gar weniger Fahrzeugen bereitet aber weder dem Händler Freude, noch uns. Denn damit lässt sich kein Geld verdienen. Andererseits waren wir mancherorts gar nicht vertreten. Solche Potenzialgebiete möchten wir natürlich besetzen.

Sind es unterm Strich mehr oder weniger Händler geworden?

Es sind etwas weniger Standorte geworden und auch weniger Eigentümer. Eine der Zielsetzungen war es, den Intrabrand-Wettbewerb zu entschärfen und jedem Standort ausreichend Kundenpotenziale zuzuordnen, damit die jeweilige Marktbearbeitung eine hinreichende Profitabilität des Autohauses sicherstellt.

Gibt es noch weitere Maßnahmen?

Wir haben die Chance auch dazu genutzt, unser Margensystem anzupassen, mit dem Ziel, die Qualität im Handel zu verbessern. Nicht zuletzt aufgrund der Kia-Neuausrichtung sind wir hier mehr gefordert als viele andere Marken. Denn unsere neuen Produkte, allen voran unser Flaggschiff EV9, bringen andere Kunden mit anderen Bedürfnissen in die Autohäuser. Den gestiegenen Anforderungen müssen wir gerecht werden. Auch in unserem physischen Händlernetz.

Kunden erwarten in der Tat heute Informationen und Beratung auf allen Kanälen. Ist das Agenturmodell hier aus Ihrer Sicht eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Vertriebswege?

Wir haben uns bewusst gegen das Agenturmodell entschieden. Ich persönlich bin der Meinung, dass die individuelle Betreuung der Kunden grundsätzlich besser vom Handel durchgeführt werden kann als vom Hersteller. Die sogenannte Customer Journey, also der Weg, den ein potenzieller Kunde bis zur Kaufentscheidung und darüber hinaus zurücklegt, ist sehr komplex und von zentraler Stelle aus allein über digitale Kanäle oder das Telefon kaum zufriedenstellend zu meistern. Zudem gilt: Wenn der Händler nicht mehr vollumfänglich für seinen Erfolg, also das betriebliche Ergebnis zuständig ist, dann fehlt ihm vielleicht das letzte Quäntchen Wille, diese "Kundenreise" vernünftig vor Ort durchzuführen. Zudem geht es um eine Neuverteilung der Vertriebskosten. Das klassische Händlermodell, das wir präferieren, macht für uns am meisten Sinn. Mittlerweile überdenken im Übrigen auch andere Hersteller wieder ihren bereits eingeschlagenen Weg zur Agentur.

Manche Hersteller, die mit dem Agenturmodell liebäugeln oder es bereits umgesetzt haben, geben Teile der Transaktionskosten, die sie durch dieses Modell sparen, an die Kunden weiter. Wie gehen Sie damit um?

Ich denke nicht, dass ein Agenturmodell hier den Unterschied macht. Angebot und Nachfrage bewegen die Preise, und nicht theoretische Modelle. Relevant ist eher, welche Kaufentscheidung der Kunde trifft – und ob wir überhaupt eine Kundennachfrage haben. Wir versuchen, den Markt wieder anzukurbeln, speziell den Elektromarkt. Und da macht es keinen Unterschied, ob wir über das Agentur- oder das klassische Händlermodell sprechen.

Was muss Ihrer Meinung nach geschehen, um die Elektromobilität anzukurbeln?

Aus meiner Sicht gibt es zahlreiche Faktoren, die dafür in Frage kommen. Ob die Politik das mit finanziellen Zuwendungen, also mit steuerfinanzierten Prämien oder ähnlichen Maßnahmen richten muss, würde ich persönlich offen gestanden eher hinterfragen. Am Ende des Tages muss das meines Erachtens der Markt regeln – und damit die Hersteller und Kunden. Mit dieser Aussage mache ich mir vermutlich keine Freunde. Doch ob der Steuerzahler für die Gesamtheit der Elektrofahrer einspringen sollte, damit Elektromobilität attraktiv wird, das weiß ich nicht. Beim plötzlichen Aus der staatlichen Elektroförderung ging es eher um das Signal, das die Regierung damit ausgesendet hat und das von vielen als fehlendes Vertrauen in die Technologie interpretiert wurde. Das war sicherlich wenig hilfreich.

Was könnte die Politik Ihrer Meinung nach tun?

Im Bereich der Verbrenner ließen sich beispielsweise Dinge verändern, die von der Regierung auch beeinflussbar sind. So gibt es etwa Vorteile für die Nutzer von Modellen mit herkömmlichem Antrieb, wenn diese besonders umweltfreundlich motorisiert sind. Diesen Ansatz, der über eine Kfz-Steuerbefreiung hinausgeht, kann man doch auch weiterverfolgen. Zudem haben wir aktuell eine Diskussion über die Höhe und Entwicklung der Strompreise. Nicht nur für energieintensive Produktionen ist der Strompreis eine Last, sondern er hat sicherlich auch einen Einfluss auf die Kaufentscheidung zugunsten eines elektrisch angetriebenen Fahrzeugs. Hier kann ich mir Anreize beispielsweise über einen speziellen Stromtarif vorstellen – oder auch mit der Beschleunigung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur. Je mehr Elektromobilität wir auf die Straßen bringen, desto mehr merken wir die zunehmende Knappheit an Lademöglichkeiten, weil die Schaffung neuer einfach zu langsam geht. Das können wir als Hersteller nur bedingt beeinflussen. Hier kann der Staat einfacher gute Rahmenbedingungen schaffen. Oder nehmen Sie das Thema Genehmigungsprozesse. In Deutschland ist die ausufernde Bürokratie nicht nur bei der Elektromobilität ein Hemmschuh, sondern auch in anderen Bereichen. Die staatliche Förderung hat uns allen geholfen. Ob das jedoch über eine lange Laufzeit zielführend ist, das glaube ich tendenziell nicht.

Kommen wir zur Produktstrategie: Mit dem Flaggschiff EV9 hat Kia die Öffentlichkeit begeistert und auch etliche Preise abgeräumt...

Dieses Fahrzeug vereint tatsächlich das meiste von dem, was der Konzern mittlerweile technologisch kann: 800-Volt-Schnellladetechnik, bidirektionales Laden, variables Innenraumkonzept, Assistenzsysteme und Konnektivität auf Topniveau, herausragendes Design. Und es zeigt eindrucksvoll, wohin die Reise geht. Vor einigen Wochen hatten wir in Berlin eine europäische Händlertagung, bei der wir das Produktportfolio der nächsten zwei, drei Jahre gezeigt haben. Den Anfang macht in einigen Wochen der EV3, im vierten Quartal dieses Jahres kommen die ersten Autos in den Handel. Im kommenden Jahr folgen weitere spannende Neuheiten – nicht nur mit Stecker. Und im unteren Segment bringen wir innerhalb der nächsten zwei Jahre den EV2. Bis 2027 soll die vollelektrische Modellpalette global auf 15 Modelle wachsen. Ein echtes Produktfeuerwerk!

Sind hier die neuen, modular aufgebauten, vollelektrischen Transporter mit dabei?

Genau, das sind PBV-Modelle. Wir übersetzen PBV mit "Platform Beyond Vehicle", da dieses Mobilitätskonzept weit über ein reines Auto hinausgeht. Bei der Weltpremiere Anfang des Jahres auf der CES in Las Vegas war eindrucksvoll zu sehen, was wir mit diesen leichten EV-Nutzfahrzeugen vorhaben. Und auch diese Reise startet schon im kommenden Jahr. Im vierten Quartal kommt das erste Modell, der PV5, auf den Markt.

Wie würden Sie die Kia-Philosopie insgesamt beschreiben?

Unsere neue Philosophie zeigt sich zunächst darin, dass wir nicht mehr Kia Motors sind und auch ein neues Logo haben. Wir wandeln uns von einem reinen Automobilhersteller zum ganzheitlichen Mobilitätsdienstleister. All das basiert auf unserer Zukunftsstrategie "Plan S", zu deren drei Hauptsäulen auch die verschiedenen Mobilitätslösungen gehören. Vor etwa zwei Jahren haben wir Kia Flex gelauncht. Das ist ein Abo-Modell, das eine Fahrzeugnutzung inklusive Rundum-Sorglos-Paket über sechs, 12 oder 18 Monate ermöglicht. Es wird weitergehen mit Kia Drive. Das ist ein Vermietkonzept, das noch in diesem Jahr mit einigen Pilothändlern starten wird. Früher ging es überwiegend um den Kauf, dann um die Finanzierung. Danach kam rasch das Thema Leasing. Auch da sind wir mittlerweile verstärkt unterwegs. Und nun sind wir bei der Fahrzeugvermietung angekommen, mit der wir Kunden bei Bedarf auch für eine kurze Zeitspanne passgenaue Mobilität bieten können. Die Entwicklung der Kundenpräferenz weg vom Besitzen eines Fahrzeugs hin zur Nutzung ist im Kaufverhalten klar erkennbar. Hier bieten wir mit Kia Drive eine weitere Säule an, die unseren Kunden eine Lösung bietet, abgestimmt auf die gewünschte Nutzungsdauer der Mobilität.

Vita

Thomas Djuren, 51, ist seit 1. Juli 2021 Geschäftsführer und Chief Operating Officer (COO) von Kia Deutschland. Neben CEO Jong Kook Lee und CFO Sung Tae Cho bildet er die Spitze der deutschen Kia-Tochter. Djuren verfügt über zwei Jahrzehnte Erfahrung im Automobilgeschäft. Seine Laufbahn startete der Diplom-Kaufmann 2001 bei Saab Deutschland. Nach mehreren Stationen bei anderen Herstellern kam er im Juli 2019 als Director Sales zu Kia.

Umfrage
Was halten Sie vom Agenturmodell?
5352 Mal abgestimmt
Es ist die sinnvolle Konsequenz aus der aktuellen Entwicklung und birgt Vorteile für alle.Sehr interessant. Aber eher deshalb, weil es insgeheim die Händler entmachtet.
Die aktuelle Ausgabe
AUTO MOTOR UND SPORT 21 / 2024

Erscheinungsdatum 26.09.2024

148 Seiten