Opel Grandland Electric im Reichweitentest: Wie weit kommt der E-SUV wirklich?

Opel Grandland Electric im Reichweitentest
Von Rust nach Rom – der Grandland will es wissen

Veröffentlicht am 20.07.2025

Ich bin jetzt für den Klimawandel. Zumindest hier im Innenraum des Opel Grandland E. Draußen glüht die Rheinebene bei 36 Grad, im großzügigen Innenraum des Rüsselsheimers, der in Eisenach gebaut wird, herrschen mindestens 50, wenn nicht mehr. Aber wir wollen ja fair bleiben und lassen dem Opel an der Ladesäule genügend Zeit, sich abzukühlen. Laden und Kühlen gehen ja parallel, man muss nur die "Zündung" anlassen. Die letzten Elektronen holt sich der Opel ziemlich zäh aus dem Netz, aber bei 99 Prozent State of Charge ziehe ich den Stecker.

Wie immer vor einer solchen Extremtour schleicht sich eine gewisse Ungeduld in den Tagesablauf, man will vorwärtskommen, obwohl man vorhat, möglichst sparsam zu fahren. Also nicht so schnell vorwärtszukommen. Dieser innere Konflikt manifestiert sich in 120 km/h Marschgeschwindigkeit auf der Autobahn, man kann sich so für die vor dem Opel-Grill liegende Schweiz vorkonditionieren. Und den Akku schonen, denn gerade mal 14,8 kWh zeigt der Bordcomputer im Schnitt ab Start an. Eine schöne Zahl, denn wir wollen ja nach Italien fahren. Von Rust mindestens 400 Kilometer entfernt, schon mal eine kleine Hausnummer für Mittelklasse-E-SUV, wie der neue Opel einer ist. Aber mit seinem 84er-Akku und effizienterer Leistungselektronik und Motor sollte das klappen.

Wobei die Klimaanlage doch ziemlich hart arbeiten muss. Zwar reichen auch 24 Grad Bordtemperatur für einigermaßen gesunde Blutdruckwerte, dennoch zehrt die Gluthitze am allgemeinen Stromverbrauch. Immerhin, man kann im Untermenü schauen, wie hoch der Anteil verblasener Energie durch die Klimatisierung am gesamten Verbrauch ist. Die angezeigten vier Prozent machen dann doch Mut. Hier hat Opel offensichtlich gute Arbeit geleistet, wobei der Trick ist, die Gebläsedrehzahl klein zu halten, wie mir Patrick Munsch, die gute Opel-Presseseele, als Geheimtipp mitgab.

Endlich Schweiz. Das Land der konsequenten Verkehrsüberwachung schreckt heute nicht. Ich will gar nicht schnell fahren. Und meine Ausflüge auf die linke Spur der A 2 mit sklavisch eingehaltenen 120 Tacho sorgen für Drohgebärden. Statt mir ordentlich Windschatten zu geben, hängen sich die lieben Ortsansässigen an meinen Stoßfänger und zeigen mir die Wirksamkeit ihrer diversen Beleuchtungseinrichtungen. Auch Handzeichen sollen mich motivieren, das gesetzliche Limit plus einer gedachten Tachoabweichung und der drei km/h Toleranz voll auszunutzen. Also 126 statt 120 zu fahren. Ich mache das nicht. Sollen einfach einen Volksentscheid für einen Wegfall des Tempolimits herbeiführen, dann können wir wieder loslegen.

Opel Grandland E
Dino Eisele

Blöd nur, dass eine Schilderbrücke darauf hinweist, dass heute ab 20 Uhr der Gotthardtunnel gesperrt sei. 20 Uhr? Das wird eng. Gerade ziehen wir an Luzern vorbei, die nachfolgende Tunnelpassage ist auf 100 km/h begrenzt. Und dann geht es Richtung Gotthard mit 80 Sachen weiter, ziemlich bergauf. Der Opel schafft das natürlich mit Leichtigkeit, aber mein "Gasfuß" geizt. Ist das eigentlich sinnvoll? Die Physik, elfte Klasse, sagt Ja. Fahrwiderstandsgleichung: Bei konstanter Geschwindigkeit an Steigungen addieren sich zu der Leistung zur Überwindung der Steigung die Luftwiderstandsleistung und diverse geringe geschwindigkeitsabhängige Reibleistungen. Sprich: Langsamer fahren spart Energie. Ich fahre langsamer. Bis ich vor dem geschlossenen Tunnel stehe, denn 20 Uhr und fünf Minuten sind nicht 20 Uhr. Wer glaubt, es gebe Karenz in der Schweiz, täuscht sich. Null Toleranz, der Opel muss über den Pass. Also auf über 2.000 Meter Höhe, und das in Serpentinen, mit langen Steigungen und einer kurzen Stauphase in Andermatt. Schnell steigt der Durchschnitt auf über 16 kWh/100 km, die Reichweite schrumpft deutlich, sieht das Ende der Tour hinter Bellinzona. Klar. Der Grandland rechnet damit, dass die weitere Strecke steil bergauf geht. Was sie erwiesenermaßen nach der Passhöhe nicht tut – sie fällt wieder.

Opel Grandland E
Dino Eisele

Auch gut, denn statt der Schnellstraße nehmen wir nun sogar die alte Kopfsteinpf laster-Tremolastraße. Mit unzähligen Kehren schlängelt sie sich malerisch bergab nach Airolo, und niemand ist hier. In der Ferne rauscht ein Wasserfall, Nebel huschen vorbei, die Nacht kündigt sich mit einem deutlichen Temperatursturz an, und endlich kann man einmal so richtig rekuperieren.

Mechanisch gebremst wird nicht, dafür wandert die Bremsenergie zurück in die Batterie, was die Reichweite nach einigen Kilometern wieder ansteigen lässt. Schnell erreichen wir theoretisch Como oder kommen fast bis in die Toskana. Auch hier leidet der Bordcomputer an grenzenloser Borniertheit. Dabei könnte er leicht selber ausrechnen: Wenn man das Gefälle von der Passhöhe so weiterführen würde, wäre man nach etwa zwei Stunden am Mittelpunkt der Erde. Und dann wäre Schluss mit Rekuperieren. Aber das schafft dann wohl erst die nächste Generation Bordcomputer mit Künstlicher Intelligenz. Oder halt mit irgendwelcher Intelligenz.

Opel Grandland E, Aussicht
Dino Eisele

Wie auch immer, wir rollen wieder mit 120 Sachen gen Bellinzona, freuen uns über einige Prozent Zuwachs in der Batterieladung und sehen gelassen dem Grenzübertritt entgegen. Denn noch immer lungern über 35 Prozent Ladung in den Zellen. Nur meine Zellen protestieren so langsam. Magen an Hirn: Füllstand null, und das schon seit Stunden. Hirn an Handy: Suche Restaurant in Como. Handy an Navi: Jetzt rechts abbiegen.

Exakt nach 400 Kilometern machen wir Schluss. Wir sind in Italien, haben noch 157 Kilometer Reichweite und 29 Prozent Ladung. Extremer Respekt, Grandland. Das reicht locker, um am nächsten Tag eine Ladestation zu finden.