Lamborghini Temerario trifft Ducati Panigale: Highspeed-Party in Vallelunga

Lamborghini Temerario trifft Ducati Panigale
Ein Duell, das niemand braucht – aber alle lieben

Veröffentlicht am 19.07.2025

Typisch italienisch: ein Angebot, das man nicht ablehnen kann. Lamborghini Temerario und Ducati Panigale. Genauer: High Noon in Vallelunga. "Sag mal, Jörn, hast du Lust? Lambo kommt mit dem Temerario, und Ducati hat auch Bock, die bringen was Schnelles mit, bleibt schließlich in der Familie, also der des Konzerns." Okay. Ein paar Tage samt einer unruhigen letzten Nacht später sind wir, schwups, mittendrin. Boxengasse Rennstrecke Vallelunga bei Rom. Der Tobi und ich. Genauer: Kollege Tobias Münchinger von MOTORRAD/PS. Er ohne unruhige Nacht, dafür mit ungefilterter Freude ob der grandiosen Gelegenheit, zweimal Italien vom Feinsten auf brutzelwarmem Asphalt rumzulassen. Exklusiv überdies, denn die erste offizielle Testfahrt mit dem Huracán-Nachfolger steht noch aus, und die 1.000 regulären Exemplare der Ducati Panigale V4 S Tricolore sind bereits ausverkauft.

Schön, dass Ducati eine für sich behalten hat und die nun mit Reifenwärmern in der Box wartet. Dabei wäre es auch so warm genug. Luft 35, Asphalt 50–60, unter der Lederkombi transpirant. Tobi ist das egal, er schmettert raus auf die Piste, kennt sich aus, sowohl auf der Ducati Panigale als auch auf der Strecke. Wenn bei ihm die Plastikschleifer an Knie und Ellenbogen seiner Lederkombi über den Boden schrappen, ist er nicht gestürzt, sondern sondiert entspannt die Schräglage. Elbow down, wo ich auf dem Moped schon zucke, wenn bloß meine Stiefelschleifer den Asphalt kitzeln.

Doch dazu gleich. Erst mal lässt Sir Toby die Top-Panigale um den Kurs. Zum Glück montierte das Ducati-Team noch die freizügige Akrapovic-Anlage an den 1.100-Kubik-V4, der damit 224 PS statt 216 PS raushaut. Bei 13.500 Umdrehungen, Begrenzer kommt noch später. Als ob der Leibhaftige über Start und Ziel hämmern würde. Irre. Elektro-Jünger konvertieren, bei Super-Plus-Fans stehen Härchen nicht, sie ploppen aus den Wurzeln.

Hochdrehzahl-V8 mit E-Spießgesellen

Zur Panigale-Technik kommen wir später. Jetzt Tobi rein, ich mit dem Temerario raus. Dem kleinen Schlingel. Vierliter-V8. Gähnt jemand? Pfui! Bei dem 920-PS-Apparat ist alles neu. In Sant’Agata haben sie nicht ins Regal gelangt, sondern das weiße Blatt bemüht, schließlich muss der Neue den Abschiedsschmerz vom V10-Saugmotor lindern. Hilft nichts, die Vorschriften sind halt stärker. Der Lamborghini Temerario auch. Deshalb jetzt Auftritt seines Hochdrehzahl-V8: solo 800 PS stark, im Hybridverbund 920 PS. Exklusiv konstruiert, exklusiv gebaut, nix Konzernübernahme. Klar hätten sie auch den Urus-V8 auf ähnliche Power trimmen können, sagt Lambo-CTO Rouven Mohr. Leistung grundsätzlich zu erzeugen, sei nicht das Thema. Es geht um das Wie, um Linearität und Drehfreude. Der Motor soll bei jeder Drehzahl ansprechen, dosierbar oder anspringend, just so, wie der Fahrer will. Drehmomentgefüttert schon, vor allem drehfreudig ohne Höhen und Tiefen. Und jetzt wird’s Zeit, den Konjunktiv in den Tiefen der aus einer speziellen Legierung gefertigten Zylinderköpfe zu zermergeln. Dort, wo die DLC-beschichteten Schlepphebel wartungsfrei sausen und mithelfen, dass der V8 locker 10.000/min dreht. Wobei später noch mehr geht, 11.000 wären kein Thema, erklärt Mohr.

Wie er das macht? Im Team mit drei E-Maschinen, Axialfluss. Je eine für jedes Vorderrad und eine an der Kurbelwelle. Letztere agilisiert das Ansprechverhalten, hilft beim Emissionsmanagement und egalisiert etwaige Durchhänger der beiden Turbolader. Die sind nämlich extragroß, um den Kurzhuber bis zum Drehzahllimit druckvoll zu beatmen. Rouven Mohrs Horrorvision ist nämlich die des Diesel-Sportlers. Unten fett Drehmoment, dann ein langes Plateau und obenraus Atemnot. Die kennt der Temerario nicht, er legt fröhlich los, nimmt die Mitte als willkommenes Feld, bevor er sich dem Furioso jenseits der 7.000 widmet. Lebendig, kräftig, feurig, aber nutzbar. Auch dort beißt der V8 jederzeit fein oder wuchtig an, so wie es der Fuß am rechten Pedal befiehlt. An- und Absprechen top. Fein und doch erwartungsgemäß kräftig. Fast schon klassisch analog und doch feinmechanisch faszinierend. Lamborghini wollte keinen spitz-sportlichen Überforderer, sondern eine Fahrmaschine bauen. Fahrmaschine für jeden, der sich auch nur ein wenig in einen Mittelmotor-Sportler reinfuchst.

"Wir hätten den Temerario noch performanter auslegen können, haben aber bewusst auf das letzte kleine bisschen ganz oben verzichtet, um darunter viel mehr Fahrfreude und Beherrschbarkeit zu liefern", berichtet Mohr. Und er liefert: Nach ein, zwei Runden per Du zu werden mit einem 920-PS-Mittelmotor-Athleten, das muss erst mal einer hinbekommen. Begleitet von kumpelhaften Vibrationen, differenziert je nach Drehzahl und Last sowie einer, sagen wir es ruhig, animalischen Drehfreude plus einer Lenkung, die dir den Asphalt quasi in die Hand drückt.

Wichtig dabei: die Modus-Entscheidung per Drehrädchen am Lenkrad. "Sport" zum Spielen mit emotionalen Gangwechseln und reichlich Schwimmwinkel-Freigabe, "Corsa" für Stabilität und Performance samt Drehmomentüberhöhung beim Schalten. In Sport dreht der Lambo schon beim Einlenken leicht in die Kurve rein und willig wieder raus. Querbereit, wenn Sie es sind. Leichtfüßig, transparent und spielfreudig. Ohne deswegen langsam zu sein. Schlüssel dazu: unter anderem die E-Maschinen vorn (je 110 kW und 345 Nm), die das Eigenlenkverhalten beeinflussen. Sie sollen weniger die reine Traktion als vielmehr die Querdynamik pushen.

In Corsa ist das etwas anders, dort bleibt der Sportler stabiler, fährt straffer, Tempo-orientierter. Das mit dem "straff" lässt sich extra regeln, die Dämpferhärte ist in jedem Modus separat wählbar. Insgesamt verzichtet Lamborghini jedoch auf ingeniöses Klein-Klein bei der Regelung der Dynamiksysteme, bündelt die Einzelkomponenten in den Modi zusammen. Die Arbeit macht die zentrale Regelung im Hintergrund, situativ und unmerklich mit sehr geringen Interventionen.

Eruption statt Intervention

Dynamik, situativ, Intervention? Rein in die Box, rein in meine alte MOTORRAD-Dienstkombi, seit 20 Jahren auf dem Dachboden gut abgehangen, und rauf aufs Polster. Die Ducati-Jungs ziehen die Decken runter, der Superbike-Slick ist bereit. Wenn ich es bin. Mit Respekt geht’s aus der Box. Kupplung kommen lassen, los. Und dann, bämm: Noch in der Boxengasse eruptiert ein Gedanke unterm Shoei: Junge, ist das geil! Schon die ersten Meter zeigen, was für ein Präzisionsteil die Top-Panigale ist. Leichte Carbonräder mit wenig Kreiselkraft, die wiederum von den Superbike-Bremsscheiben leicht erhöht wird. Für mich ebenso wenig auslotbar wie die volle Potenz der 338.5er-Brembos, immerhin bissig und standfest genug für die Jungs in der Superbike-Meisterschaft. Aber: Auch unter mir verzögert das Ding brachial. Relativ gesehen. Später zeigt mir Tobi, wie viele Einstellmöglichkeiten es gibt, einzeln oder blockweise konfigurierbar.

Volle Kontrolle bis knapp 14.000/min

Wichtig für mich: Wheelie- und Schlupfkontrolle aktivieren für fahrerische Ruhe und die seitlichen Winglets für Extra-Abtrieb, damit ich zumindest auf der Geraden und in den leichten Kurven reuelos durchladen kann. Gasgriff auf Anschlag, Drehzahl ebenfalls. 12.000, 13.000, knapp 14, Hochschalten ohne Kupplung, Mini-Zucken am Schalthebel reicht. Runterschalten dito. Dazu entwickelten sie bei Ducati eine Schaltassistenz, die ohne Umwege direkt am Hebel wirkt. Spürbar. Innerhalb von Millisekunden ist der nächste Gang drin, und das Tier beschleunigt weiter. Aus dem Stand in rund sieben Sekunden auf 200. Okay, kann das Auto auch, aber dort sitzt man drin und hier drauf. Übrigens hervorragend integriert und ergonomisch so perfekt, dass zumindest ich nicht mehr absteigen möchte, wie einlaminiert auf bequemem Höcker am kuschelig geformten Tank. Hach!

Zudem bleibt das Hinterrad selbst beim harten Bremsen und Runterschalten wie zementiert in der Spur. Allein das Gefühl am Bremsgriff, und wie sich die Slicks im Asphalt verzahnen … kein Vergleich zu irgendwelchen Alltags-Gurken. Toll! Wer will, kann dies natürlich dramatisieren, agilisieren. Richtung Bremsdrift, Kurvenausgang-Slide, Power-Wheelie oder was auch immer. Unterschiedlich dank differenzierter Einstellung etwa von Dämpferhärten, Motorbremse und Integralbremssystem je nach Modus, Fahrsituation und Streckenteil. Derweil bin ich zufrieden, so wie gerade alles ist, und denke bei jenseits 240 in der leichten Links nach Start und Ziel: Och, 224 PS und knapp 200 kg, mehr Power braucht kein Mensch, während mich das Akrapovic-Titan-Geschlängel unterm Sitzhöcker frenetisch anfeuert.

Und wer dachte, es gäbe keinen tolleren Sound als den eines ausdrehenden Ducati-V2, der unterm Tank ansaugt und unterm Höcker lustvoll auspufft – nun, der muss sich vielleicht neu kalibrieren. Denn der 1.100-Kubik-V4 macht gekonnt auf V2, indem er als Two-Pulse arbeitet. Seine Zündfolge ist asymmetrisch, lässt immer zwei Zündungen nah zusammenrücken, was den V4 trotz extremer Drehzahlen rasant pochen lässt. Beim Vierliter-V8 des Lamborghini ist es umgekehrt, dessen 180-Grad-Kurbelwelle moduliert den Sound mehr Richtung gleichmäßigem Doppelvierer mit kribbeligeren Vibrationen statt Großkolben-V8-Bollerer. Anders wären diese Drehzahlen und die Leistung nicht möglich.

Die sich tatsächlich schon beim Erstkontakt genießen lassen, wie Tobi nach seinem Temerario-Stint berichtet. Als Novize intensiv fasziniert vom Jet-ähnlichen Interieur, den extraspäten Bremspunkten, der Stopper-Standfestigkeit trotz der Extremtemperaturen. Und natürlich der feinfühlig stabilen Vorderachse plus dem leichtfüßigen Heck. So wie es Rouven Mohr versprochen hat. Typisch Racer hat Tobi es dem Lamborghini gleich noch in Corsa besorgt, wo ich in Sport mit dem Eigenlenkverhalten herumspielte. Spielen, genau: wie zwei große Jungs auf dem Spielplatz mit zwei außergewöhnlichen Spielzeugen. Das Problem am Ende des Tages: Wir können beide nicht sagen, mit welchem Apparat wir noch eine Extrarunde drehen würden, wenn wir dürften. Am liebsten mit beiden. Als Angebot, das man nicht ablehnen kann.